Musikforschung & Südosteuropa
Die Musikkulturen des Donauraums neu entdecken
Die EDITION MUSIK SÜDOST beschäftigt sich mit der Erforschung und Bekanntmachung der südosteuropäischen Musikgeschichte in Form von Buchpublikationen sowie praktischen und dokumentarischen Musikeditionen.
Nach der Wende von 1989 und nach den Kriegen in den Ländern Ex-Jugoslawiens bestehen nun fast uneingeschränkte Möglichkeiten den besonders reichen und vielfältigen Kulturraum Südosteuropas zu erforschen und zu dokumentieren. Viele Sparten der Musikkultur, wie z.B. die Kirchenmusik und die Musik der ethnischen Minderheiten, durften bis dahin, wegen der vorherrschenden kommunistischen Ideologie – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt werden. Dadurch blieb die äußerst vielfältige und reichhaltige Musikgeschichte Südosteuropas jenseits des Eisernen Vorhangs größtenteils unbekannt und nur beschränkt wissenschaftlich und objektiv dokumentiert.
Deutsche Musikkultur im Südosten
Durch die Ansiedlung von deutschen Kolonisten aus Gebieten des Heiligen Römischen Reichs ab dem 18. Jahrhundert entstanden zwischen dem Ofener Bergland und dem Eisernen Tor viele mitteleuropäisch geprägte Kulturzentren, so Fünfkirchen (Pécs), Temeswar (Timisoara), Arad, Werschetz (Vrsac), Orawitza, Pantschowa (Pancevo), Sathmar (Satu Mare) oder Lugosch (Lugoj). In Siebenbürgen gibt es bereits seit dem frühen Mittelalter neben der ungarischen und rumänischen auch eine deutsche Musikkultur, die bis heute besteht, so z.B. Hermannstadt (Sibiu), Kronstadt (Brasov), Mediasch oder Schässburg (Sighisoara).
Die durch diesen Kulturtransfer entstandenen Interferenzen und gegenseitigen Einflüsse zwischen den einheimischen und neuen Musikkulturen können bis heute verfolgt werden. Wien und die österreichische Musik spielten in der Entstehung der späteren rumänischen, serbischen, ungarischen oder kroatischen Nationalschule sowie in der Entstehung der neuen deutschen Musikkulturen dieses Raumes eine wesentliche Rolle.
Durch die Folgen der beiden Weltkriege (neue Grenzziehungen, Vertreibung, Flucht und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung) verschwand gleichzeitig mit einem Großteil der deutschen Bevölkerung auch deren Musikkultur. Wertvolle historische Orgeln, Musikarchive und Sammlungen sprechen von einem enormen Erbe, das in diesen Gebieten noch vorhanden ist.
Südosteuropäischer Kultur- und Klangraum
Im Zentrum der EDITION MUSIK SÜDOST steht die Musikkultur entlang der mittleren und unteren Donau sowie die der heutigen Staaten Ungarn, Rumänien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowakei, Slowenien und der Ukraine. Europäische Regionen und Kulturräume wie z.B. das Banat, Siebenbürgen, die Bukowina, Batschka oder Schwäbische Türkei werden dabei besonders berücksichtigt.
Beispielhaft dafür steht die Musikkultur des historischen Banats in seinen Grenzen vor 1919 – ein im Laufe von mehreren Jahrhunderten fast einheitlich gewachsener Kulturraum. Das Nebeneinander der vielen Musikkulturen des Banats – der Rumänen, Serben, Deutschen, Ungarn, Juden, Kroaten, Bulgaren, Tschechen, Slowaken, Romas u.a. – kann teilweise auch noch im 21. Jahrhundert beobachtet werden.
Im restlichen Europa war dieses Kulturgut bis zur Wende (1989) fast unbekannt. Ein großer Teil wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört, beschlagnahmt oder kam in Archive, wo es bis heute noch seiner Inventarisierung und Erforschung harrt. Ein anderer Teil wurde von den deutschen Aussiedlern, Flüchtlingen oder Vertriebenen nach Deutschland, Österreich oder Amerika mitgenommen. Ähnlich erging es auch der jüdischen Musikkultur dieser südosteuropäischen Regionen.
Im Rahmen mehrerer musikwissenschaftlicher Sicherungs- und Forschungsprojekte konnten nach 1990 viele bisher unbekannte südosteuropäische Musikarchive entdeckt, gesichert und erforsch werden. Die jahrelangen Recherchen des Herausgebers auf diesem Gebiet und die Resultate der Feldforschungen in all diesen Ländern sollen in einer Kurzfassung auf dieser Website den Interessenten zur Verfügung gestellt werden.
Mehr als nur Noten und Bücher…
Die durch die EDITION MUSIK SÜDOST veröffentlichten Kompositionen und musikwissenschaftlichen Arbeiten werden hiermit zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Es handelt sich dabei meist um solche Komponisten aus den südöstlichen Randgebieten der ehemaligen österreich-ungarischen Doppelmonarchie und deren Nachfolgestaaten, die durch die komplizierten kulturhistorischen Prozesse dieses Raumes in Vergessenheit geraten sind.
Die EDITION MUSIK SÜDOST bietet gleichzeitig der jüngeren Generation von Musikwissenschaftlern ein Diskussionsforum, um den reichen Bestand an bisher weniger oder gänzlich unbekannten Musikdokumenten Südosteuropas bekannt zu machen. Durch Publikationen, internationale Symposien, Forschungsprojekte und Konzerte können neue Impulse entstehen und bisher verschollene Musikwerke und vergessene Komponisten der südöstlichen Donauländern der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dadurch werden die Musikkulturen neuer EU-Länder Südosteuropas und weniger bekannter europäischer Regionen beleuchtet. Spannender kann Musikforschung nicht sein!
Dr. Franz Metz
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