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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Mit Josef Wegenstein auf den Spuren der Banater Kirchenorgeln

Ein Interview aus dem Jahre 1991 mit dem letzten Orgelbauer der Temeswarer Wegenstein-Firma

Von Dr. Franz Metz

Herr Josef Wegenstein, Sie sind am 20. August 1923 in Temeswar geboren, sind ein Enkel des Gründers der Temeswarer Orgelbaufirma Carl Leopold Wegenstein und leben seit vielen Jahren hier in Weikersheim. 1992 werden es 40 Jahre sein, dass Sie bei Laukhuff, einer der großen europäischen Orgelbaufirmen, tätig sind:

Ja, von 1938 bis 1942 habe ich in der Wegensteinfirma die Orgellehre gemacht, danach bin ich nach Deutschland gekommen. Danach musste ich in den Krieg. Mein Vater war Josef Wegenstein, der zweitälteste der drei Söhne Wegensteins. Da ich einen Herzklappenfehler hatte, musste ich nicht auf die Front, aber ich musste bereitstehen. Für die Ahnenforschung blieb leider keine Zeit und Sie können sich vorstellen, dass es in der Zeit des Krieges und auch in den Jahren danach fast unmöglich war sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Obzwar ich mich später um diese Sachen bemüht habe, selbst in Temeswar versuchte ich einige Familiendokumente zu finden, es war aber nicht möglich. Die meisten Firmendokumente sind vermutlich für immer verloren gegangen. Ich weiss, dass mein Großvater aus Kleinhadersdorf bei Wien stammt, ein Ort, der heute, meine ich, bereits eingemeindet wurde.

 

Wie konnte man als Orgelbauer nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt überleben?

Also nach dem krieg kam ich in Gefangenschaft, u. Zw. in Norddeutschland in einem englischen Gefangenenlager, danach kam ich nach Paderborn in eine Lederfabrik. Weil ich noch Jugendlicher war, wurde ich im April 1947 entlassen. Da ich eine entfernte Verwandte in Hannover hatte, konnte ich dort unterkommen. Anschließend begann ich meine Lehrjahre, u.a. bei Walcker, dann bei Laukhuff wo ein großer Teil der Orgelfabrik eigentlich zerbombt war. Hier traf ich auf Hans Barthmes, der aus Siebenbürgen stammte und bei Wegenstein in Temeswar das Orgelhandwerk erlernt hat. Er war u.a. bei Eule in Bautzen tätig. Es war damals gut auf Freunde zu stoßen, damit man die Kontakte nach dem Krieg wiedre herstellen konnte. Ab August 1952 war ich dann bei Laukhuff tätig.

Wie haben Sie hier bei Laukhuff angefangen?

Ich habe ganz klein begonne, in den verschiedenen Abteilungen der Orgelfabrik, von der Fertigung der Windladen bis zum Rohbau der Orgel, der Aufstellung der Instrumente, Stimmungen, Intonationen, Pflege der verschiedenen Orgeln in einem Umkreis von fast 50 km um Weikersheim. Danach habe ich mich weitergebildet, den Meisterbrief erworben (1963). Ich hätte gerne die Orgelbauerschule in Ludwigsburg besuchen wollen, aber das war damals leider nicht möglich. In der Zwischenzeit habe ich geheiratet, es kamen die Kinder und dafür war deshalb keine Zeit. Der einzige Meister bei Laukhuff war damals Hans Barthmes, sonst niemand. Ich war danach der zweite Mitarbeiter mit einem Meisterbrief im Orgelbau. Dafür habe ich ein neues Spieltischmodell mit elektrischer Setzerkombination gebaut, dieser wurde dann an die Ludwigsburger Firma verkauft. Nach meiner Meisterprüfung habe ich bei Laukhuff die Abteilung für Kleinorgeln und Positive geleitet. Damals haben wir fast monatlich 4 Kleinorgeln nach Amerika geliefert. Dies war eine Art Serienfertigung.

 

Erinnern Sie sich noch an Ihren Großvater Carl Leopold Wegenstein?

Ja, ich habe ihn schon gut gekannt, wir waren natürlich oft beisammen, aber er hat sich schon vor 1930 aus dem Betrieb altersbedingt zurückgezogen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er einmal die Dampfmaschine repariert hat, die wir in der Orgelbauwerkstätte stehen hatten. Da ich damals noch ein kleiner Junge war, habe ich mich darum nicht so intensiv gekümmert. Mein Vater Josef Wegenstein ist bereits 1930 an Lungentuberkulose gestorben, ich war damals keine 7 Jahre alt. Einige Jahre später verstarb auch mein Großvater. Mein Vater war bis zu seinem Tode ebenfalls im Betrieb tätig, kannte sich in allen bereichen des Orgelbaus gut aus. Gerade damals hat er sich sehr um die neuen Elektrifizierungen im Orgelbau interessiert. Er hat auf diesem Gebiet sehr eng mit dem Orgelbauer Molzer aus Wien zusammen gearbeitet.

 

Wir haben ja einige Dokumente von Molzer entdeckt, die die gute Zusammenarbeit mit Wegenstein in Temeswar belegen…

Ja, er ist öfter nach Temeswar gekommen, also aus Wien in das damalige Klein-Wien, und da habe ich ihn kennen gelernt. Ich war aber damals noch klein und habe mich um solche Sachen noch nicht interessiert.

 

Bekanntlich hat er auch mit dem Temeswarer Philharmonischen Verein korrespondiert, sich bei diesem für die Gastfreundschaft mal schriftlich bedankt und sich mit „Molzer junior“ unterschrieben. Kennen Sie noch eine Banater Orgeln?

Ja, ich erinnere mich z.B. an die Domorgel, dort wurden mal einige Register ausgetauscht, es wurden damals im Zuge der Orgelreform Achtfuß-Pfeifen mit neuen Zinnpfeifen ersetzt. Ähnliches geschah auch an der Orgel der Temeswarer Innenstadt. Ich erinnere mich auch noch an das große Schwungrad der innenstädtische Orgel, mit dem man damals die Orgel mit Wind versorgt hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Aufbau der Orgel in der Elisabethstadt, hier habe ich aktiv mitgemacht, das war so zwischen 1938-1940. Damals wurde der Spieltisch und die Elektromagnete von der Firma Walcker importiert.

 

Bekanntlich hat ja die Orgel der Elisabethstadt bis heute keinen Prospekt. Weshalb?

Ja, wegen dem Krieg konnte der Bau nicht vollendet werden und das Geld reichte auch nicht mehr. Deshalb ließ dann später Pater Lukas Jäger von seinem Bruder, der in Sanktanna als Wagner tätig war, Nachahmungen von Pfeifen aus Holzbrettern anfertigen, die auch heute noch als provisorischer Prospekt dienen. Die Pläne dieser Orgel stammen von meinem Onkel Richard Wegenstein.

 

Diese Orgel der Temeswarer Elisabethstadt ist ja eine der wenigen Wegenstein-Orgeln mit einem Positiv. Man hat sich also auch in Temeswar damals mit der Orgelbewegung beschäftigt, viele Barockregister anstelle der farbenreichen romantischen Register eingebaut.

Damals hat Paul Wittmann bei der Zusammenstellung der Disposition dieser Orgel mitgeholfen. Außerdem erinnere ich mich an die Rieger-Orgel der Arader Minoritenkirche, die ich einige Male stimmen musste vor Konzerten. Dies ist aber eine pneumatische Orgel.

 

Der Firmengründer Carl Leopold Wegenstein soll ja gute Beziehungen zum Wiener Orgelbauer Carl Hesse gehabt haben. Auch zur Firma Cavaille-Coll in Paris hatte er Kontakte. Bekanntlich hat er ja die Orgel von Maria 1905 nach Plänen dieses französischen Orgelbauers erbaut. Nach der Epoche des Banater Orgelbaus nach böhmischem und süddeutschem Stil, hat nun Wegenstein viele Charakteristiken des französischen Orgelbaus übernommen. Davor wirkte ja Joseph Hromadka als Orgelbauer in Temeswar…

Ja, meine Großmutter war ja die Tochter dieses Temeswarer Orgelbauers und mein Großvater hat ja einige Bereiche seiner Werkstatt übernommen. Aber heute leben die Nachfahren in Deutschland zerstreut, in Temeswar ist niemand mehr vorhanden. Bei Laukhuff bin ich seit 1969 im technischen Büro tätig, es werden hier die verschiedenen Zeichnungen angefertigt, die Berechnungen für die Neubauten durchgeführt. Dies ist heute teilweise auf Computer umgestellt worden, ich arbeite aber noch mit der herkömmlichen Methode. Nun bin ich seit wenigen Jahren in Rente, helfe aber noch in der Werkstatt mit. Als ich zu Laukhuff gekommen bin waren fast 300 Mitarbeiter tätig, heute sind es viel weniger, da ja ein Teil der Arbeit bereits von den Computern übernommen wurden. Auch die Rationalisierung hat natürlich dazu beigetragen, dass die Zahl der Mitarbeiter kleiner geworden ist.

 

Im Jahre 2008 hat Josef Wegenstein nach vielen Jahren wieder seine Heimatstadt Temeswar besucht. Er wurde u.a. von Bischof Martin Roos empfangen, wohnte einem Konzert an der Wegenstein-Orgel des Temeswarer Domes bei und erhielt ein Ehrendiplom des Temeswarer Philharmonischen Vereins. In diesen wenigen Tagen besuchten wie gemeinsam einige Orgeln aus der Wegensteinwerkstätte. Natürlich stand auch die Orgel der Elisabethstädter Kirche auf der Tagesordnung. Vielleicht gelingt es doch noch irgendwann, den Orgelbau von 1939 mit einem Prospekt fertig zu stellen…

 

Josef Wegenstein 2008 am Wegenstein-Harmonium der katholischen Kirche in Nadlak

Domkapellmeister Dr. Marcel Costea von der St. Josefskathedrale, Bukarest, mit Josef Wegenstein und Dr. Franz Metz (r.) im Jahre 2008 im Innenhof des Temeswarer Diözesanzentrums

Das Familiengrab Wegenstein im Elisabethstädter Friedhof, Temeswar

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2013

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