Anton Horner
(1874-1946)
Von Dr. Franz Metz
Aus Böhmen ins Banat
Anton Horner jun. wurde am 13. Januar 1874 in Franzensbad, Böhmen, geboren und starb am 10. März 1946 im Vernichtungslager Rudolfsgnad (Jugoslawien). Er kam mit 25 Jahren als Militärkapellmeister in die Garnisonsstadt Weisskirchen, wo er seine spätere Frau Sofie Haller kennengelernt hat. Den k.u.k.-Offizieren im Banat eilte damals kein guter Ruf voraus. Die Braut stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und der Brautvater wollte der Ehe nur unter der Bedingung zustimmen, wenn Anton Horner bereit sei, seinen Waffenrock abzulegen, was auch alsbald geschah.
Nach dem Militärdienst arbeitete er kurze Zeit als Organist an der St. Annakirche in Weisskirchen. Diese Stadt war im 19. Jahrhundert ein blühendes Musikzentrum, die meisten Musiker stammten aus Böhmen. So kamen in diese südbanater Stadt aus Böhmen die Kirchenmusiker Vincens Maschek, Martin Novacek, Josef Weikert und nicht zuletzt auch Anton Horner.
Interessant ist das Autograph der ersten Komposition Anton Horners jun., (Opus 1) das in Franzensbad komponiert und in Weisskirchen und Pantschowa nochmals bearbeitet und aufgeführt wurde: Hirtenlied (Auf, auf vom Schlaf, ihr Brüder), für eine Singstimme, Chor und Orgelbegleitung. Auf der ersten Abschrift ist vermerkt „Hirtenlied (Pastorale) zur Mette … von Anton Horner, senior, Regens-Chori in Franzensbad, am 7. Dezember 1891“. Auch seine zweite Komposition (Opus 2) wurde ein Weihnachtslied mit dem Titel: Offertorium Pastorale für Sopran-Solo mit Chorus & Organo“ und datiert „Anton Horner, junior, 13.1.1889“. Weshalb Horners Opus 2 früher als sein Opus 1 datiert ist, ist nicht bekannt.
Das Salve Regina für eine mittlere Singstimme und Orgelbegleitung komponierte Anton Horner noch in Franzensbad. Ein weiteres Manuskript Anton Horners jun., das Ave Maria für Männerquartett mit Orgelbegleitung, hat die Datierung „Ungarisch Weißkirchen, am 20. Juli 1896.“ Da sein Name nicht auf der Liste der Weisskirchner Musiker vorkommt, ist anzunehmen, dass er dort vielleicht nur eine kurze Zeit verbracht hat.
Auch sein Vater war Kirchenmusiker
Anton Horner sen. war um 1860 in Franzensbad (Böhmen) als Organist und Regenschori an der katholischen Kirche tätig und war Gründer und erster Chorleiter des Männergesangvereins Liederkranz, der am 3. November 1861 seine Tätigkeit begonnen hat. Hier wirkte er bis 1882. Durch den Umzug seines Sohnes Anton Horner jun. als Kirchenmusiker nach Weisskirchen und später nach Pantschowa, gelangten auch zahlreiche Musikwerke aus seinem Besitz in diese Banater Pfarreien. Viele der Werke sind eigene Kompositionen, Abschriften oder Widmungen befreundeter Komponisten und Kantoren.
Aus dem Jahre 1877 stammt die Bearbeitung der Arie von Flotow durch Anton Horner sen. für Streichorchester, datiert „Franzensbad, den 25. Oktober 1877, Anton Horner, Regenschori“. Im Jahre 1888 komponierte er noch in Franzensbad ein festliches Regina coeli für Chor und Orchester, das später ebenfalls in Pantschowa aufgeführt wurde.
Aus der Kirchenmusikerzeit in Franzensbad stammt auch die Komposition von Georg Wörl, Graduale (Ex Sion species decoris ejus) für Chor und Orgel, mit folgender Widmung: „Herrn Anton Horner sen., Regens chori an der Pfarrkirche zu Franzensbad, freundlichst gewidmet“. Es ist also die Widmung eines Freundes an Anton Hörner. Anscheinend gab es damals in fast jedem kleineren Ort Böhmens komponierende Kantoren und Kirchenmusiker mit einer gediegenen musikalischen Ausbildung an der berühmten Prager Orgelschule oder gar in Wien.
Bei seinem Umzug von Weisskirchen nach Pantschowa nahm Anton Horner auch die Abschieds-Cantate seines Vaters mit. Dieses kurze Werk entstand laut einem schriftlichen Eintrag 1889: „Abschieds-Cantate für Herrn Pfarrer Carl Cernik wie er nach Brüx als Comentaer am 8. Jänner 1889 übersiedelt ist. Am 6. Jänner, hl. 3 König, im Hochamt wurde es nach dem hl. Segen Ihm zu Ehren als Abschieds-Cantate aufgeführt. A. Horner, Regenschori in Franzensbad“. Ebenfalls von Horner sen. stammt auch ein Salve Regina für gemischten Chor, datiert „Franzensbad, den 18. Juni 1885, Ant. Horner, Regenschori“. Vom selben Autor stammt auch die Pastoral-Messe in G für gemischten Chor, Orchester und Orgel, komponiert im Dezember 1872 in Franzensbad. Im selben Jahr schrieb Anton Horner sein zweites Requiem, das folgende Datierung trägt: Anton Horner, Chorregent in Franzensbad im Juli 1872“. Dass dieser nicht nur Kirchenmusik machte, belegen die beiden Stücke im Autograph des Requiems: Tanzkränzchen Polka und die französische Hymne Marseillaise. Wegen den damals hohen Papierkosten wurden alle freien handgezogenen Portative freilich platzsparend ausgenützt.
Dass Franzensbad ein wichtiger Kurart war, belegt die Komposition von Anton Horner sen. Choral zur Segnung der Quelle, entstanden 1878, nach einem Gedicht von G. Werner:
Segne Herr im Himmel unsre Quellen,
die du riefst durch deine Macht,
dass zur Heilung Kranker
ihre Wellen strömen aus der Erde Nacht.
Segne sie, hör unser Flehn,
schaffe ihnen frische Kraft,
dass sie Stärkung bringen allen Müden,
die die Schmerzen hingerafft.
Segne sie, damit den kranken Herzen
wieder Ruhe wird zu Theil,
bis bei dir, o Gott, einst alle Schmerzen
endigen im ewgen Heil.
Von ihm stammt auch das Trauungslied, das er 1890 anlässlich der Vermählung seines Bruders Martin Horner, Musikdirektor in Dornbirn, mit Fräulein Hedwig Marx aus Franzensbad komponiert hat. Von Martin (K.) Horner ist uns die Abschrift der Kirchenkomposition Viderunt omnes vom 30. Oktober 1883 erhalten geblieben. Das Interessante daran ist, dass sämtliche Blätter dieses Werkes jeweils mit dem Stempel versehen sind: Verein zur Pflege und Förderung der Kirchenmusik in Czernowitz (Bukowina). Ob Martin Horner aus Böhmen in die Bukowina gezogen ist und von dort seinem Bruder diese Abschrift nach Pantschowa zugeschickt hat, muss noch geklärt werden.
Wie musikalisch die Familie Horner war, und wie viele Familienmitglieder kirchenmusikalisch tätig waren, beweist die Abschrift Anton Horners von der Cäcilia-Messe in B, für gemischten Chor und Orgel, komponiert von Franz Horner, laut Eintrag „Cantor in Gossengrün“.
Kantor in Pantschowa
Nach einigen Jahren in Weisskirchen erfolgte der Umzug nach Pantschowa, wo Anton Horner jun. seine Tätigkeit als Kirchenmusiker an der katholischen Kirche (Minoritenkirche) aufgenommen und später einige deutsche Gesangvereine der Stadt geleitet hat.
Seine Noten die er aus Franzensbad nach Weisskirchen mitgenommen hat, nahm er in seinem Gepäck auch nach Pantschowa mit. So ist uns eine Abschrift des Ave Maria von Cherubini erhalten geblieben, datiert „Franzensbad, am 29. April 1890“ und „Gesungen von Ihro Durchlaucht Frau Fürstin von Hohenlohe in der Kirche zu Franzensbad, am 4. Mai 1890“. Aus dem gleichen Jahr stammt auch die Abschrift des Ave Maria von Johann Krall, komponiert für eine Singstimme und Phisharmonika (Harmonium) oder Orgel und gewidmet „der Wohlgebornen Frau Regierungs Räthin Camilla Neumann“.
In Pantschowa komponierte Anton Horner jun. u.a. auch die beiden Ave Maria, für eine Solostimme mit Orgelbegleitung, die uns aus dem Jahre 1901 erhalten geblieben sind. Hier kopierte er für den eigenen Gebrauch auch Werke anderer Kirchenmusikerkollegen. So auch das Ave Regina coelorum für Sopran-Solo und Orgelbegleitung, op. 71, von Franz Eisvogel, datiert „Pancevo, am 10. August 1937“. Im Jahre 1890 spendete Fräulein Victoria Rizzardini der römisch-katholischen Kirchengemeinde in Pantschowa die Noten zum Offertorium O sanctissima von Josef Kaulich. Es gibt auch noch andere Partituren die von Privatpersonen dem Kirchenchor oder der Kirchengemeinde zu Pantschowa gespendet wurden. Dies ist vor allem Anton Horner zu verdanken, der mit seinem emsigen Engagement im Bereich der Kirchenmusik diese Noten gut gebrauchen konnte.
Die kirchenmusikalischen Werke Anton Horners sind vom Geist der Cäcilianer geprägt. Dies erfahren wir u.a. durch die Handschrift seiner Komposition Graduale und Offertorium für einstimmigen Chor und Orgel, entstanden am 25. Juni 1937. In dieser Zeit konnte er in Pantschowa einen guten Kirchenchor aufbauen, der im Jahre 1924 aus 31 Sängerinnen und Sängern bestand. Eine ähnliche, fast noch bessere Situation der Kirchenmusik finden wir auch an der Minoritenkirche zu Lugosch im Banat – ebenfalls am Lauf der Temesch gelegen. In den engen Beziehungen zwischen diesen beiden Banater Minoritenklöstern ist auch ein Austausch ihrer Musikalien zu beobachten. Einige Kirchenmusikwerke der Lugoscher Kirche sind mit dem Hinweis „Pantschowa“ versehen. Niemand konnte damals ahnen, dass das kirchliche Leben durch den Krieg und durch die folgende Deportation der Deutschen ein baldiges Ende finden wird.
Horners Tod im Vernichtungslager Rudolfgnad
Anton Horner jun. wirkte als Regenschori in Pantschowa bis zum 11. November 1944, als er mit seiner ganzen Familie in das Vernichtungslager Brestowatz deportiert wurde. Ein knappes Jahr später, im Oktober 1945, wurden sie weiter in das Vernichtungslager Rudolfsgnad verschleppt, wo er verstorben ist. Rudolfsgnad war bis dahin eine deutsche Siedlung mit 3.100 Einwohnern, von denen ca. 2.300 beim Rückzug der deutschen Truppen geflüchtet sind. Aus dem ganzen Dorf wurde ein berüchtigtes Vernichtungslager, in dem Alte, Frauen und Kinder systematisch zu Tode kamen. Zu diesen vielen Toten zählte auch Anton Horner jun.
Otto Vogenberger schreibt in seinem Buch „Pantschowa“ (S. 176), dass „Anton Horner ein außerordentlich fleißiger, tüchtiger und sich stets in seinem Beruf und für die Musik aufopfernder Chordirigent, Organist und Musiklehrer war. Er wirkte fast 50 Jahre in Pantschowa. Seine drei Söhne waren musikalisch begabt, spielten Klavier und Geige, haben aber ihre Talente beruflich nicht genutzt.“
Im Jahre 2013 berichtete Herbert Horner aus Bad Boll, ein Enkel von Anton Horner jun., wie folgt über seinen Großvater:
„Anton Horner war nicht nur Chormeister und Kirchenmusiker, er unterrichtete Klavier und Geige, leitete einige Gesangvereine und zählte zu den bekannten Persönlichkeiten in der Stadt. Es gab unter seinen Anhängern auch Bürger anderer Konfessionen und Religionen, die nur wegen der schönen Chormusik zu bestimmten Gottesdiensten in die katholische Kirche kamen. Bei der serbischen Karadjordjevic-Dynastie in Belgrad war er beratend tätig und hatte bei größeren Veranstaltungen am Hof das musikalische Arrangement mitgestaltet.
Als Dirigent und Chorleiter in den Vereinen hatte er das vorherrschende donauschwäbische Liedrepertoire, das von den schwäbischen, badischen und pfälzischen Einwanderern einst zusammengetragen wurde, mit böhmischem Liedgut aus seiner Heimat bereichert. Bei aller Liebe zum Volkslied bevorzugte er die klassische Musik, Mundartlieder oder „Schnulzen“ –wie er sie nannte – gehörten nicht zu seinem Bereich.
Die Chormusik und das Orgelspiel hat er mit großer Überzeugung vorgetragen. Er war aber kein zugeknöpfter oder weltfremder Musiker, der mit irgendwelchen musikalischen Finessen einseitig belastet war. Er war eher Realist und war stets auf der Höhe der Zeit, hatte sein Leben, die Musik und alles was ihm begegnet ist, sehr sachlich und nüchtern wahrgenommen. Selbst dem absehbaren Ende im Vernichtungslager Rudolfsgnad hat er trotz Schwäche durch mangelnde Ernährung sehr gefasst entgegen gesehen. Wie meine Mutter erzählte: Am Vorabend habe ich ihm noch seine gewaschene Wäsche gebracht, er war, wie immer, trotz der widrigen Umstände, bei guter Laune. Wir führten ein angeregtes Gespräch. In der Früh war er tot.
Sein disziplinierter Lebensstil und seine realistische Einschätzung der Lage, die stets ohne Hass und Bitterkeit war, bescherten ihm, im Vergleich zu anderen Zeitgenossen, ein hohes Alter bei geistiger Lebendigkeit.“
Der Deutsche Gewerbegesangverein in Pantschowa, 1928
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Anton Horner: Ave Maria, komponiert in Pantschowa 1901
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Handschrift Anton Horners (Pantschowa 1924)
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