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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Desiderius Braun

(1894-1940)

von Dr. Franz Metz

Desiderius Braun kam 1894 in Temeswar zur Welt. Er besuchte die städtische Bürgerschule, wo er Musikunterricht bei Anton Gokler erhielt, einem bedeutenden Chorleiter und Musikpädagogen, der auch regelmäßig Chorleiterseminare im Banat hielt. Musikerzieher Brauns wurde aber sein aus Lenauheim stammender Cousin Desiderius Járosy. Dieser war damals Leiter des Temeswarer Domchores und Dirigent des Temeswarer Philharmonischen Vereins und pendelte wöchentlich nach Budapest, wo er als Professor an der ungarischen Musikakademie wirkte.

Járosy nahm seinen Schüler schon mit vierzehn Jahren als Geiger in das Domorchester auf, in dem die besten Musiker der Stadt mitwirkten. Hier wurde nicht nur alte Klassik, sondern auch viel zeitgenössische Musik gepflegt. Der junge Desiderius Braun hatte hier Gelegenheit, sich eine gediegene musikalische Bildung anzueignen. (siehe die beiden Fotos mit Desider Braun als junger Geiger und seine Unterschrift aus dem Jahre 1904, eingraviert im Stiegenhaus der Orgelempore der Temeswarer Domkirche) Außerdem half er seinem Lehrer bei der Bearbeitung des Materials für die von Járosy redigierten Zeitschriften Zenei szemle in ungarischer und Banater Musikzeitung in deutscher Sprache. So bekam Braun gleichzeitig einen Einblick in die musikalische Publizistik. Er wird sich intensiv selbst dann um seinen Meister und Förderer Jarosy kümmern, als dieser kurz vor dessen Tod sich im Krankenhaus in Erlau befand und ihn zweimal dort besuchen.

Während des Ersten Weltkrieges finden wir Desider Braun als Soldat in einer Lugoscher Kaserne, wie uns eine vom 3. Juli 1917 datierte Postkarte an seine zukünftige Frau Mädy Goldner in Temeswar belegt. Von Musik allein aber ließ es sich nicht leben, und so war er nach Abschluss des Studiums (1923) in einer Handelsgesellschaft tätig. 1925 unternahm er eine Studienreise durch Italien. 1928 wählte ihn der ungarische Chor Dalkör zu seinem Dirigenten, er bekleidete dieses Amt elf Jahre lang. Zur gleichen Zeit war er - seit 1913 - ausübendes Mitglied des Temeswarer Philharmonischen Vereins, ab 1930 dessen zweiter Präses.

Seine publizistische Tätigkeit begann in den 20-er Jahren, nach Járosys Tod (1932) übernahm er die Kunstkritik im Blatt Temesvári Hirlap. Nach kurzer Zeit wurde Braun Direktor dieser Zeitung. Als Chorleiter organisierte er die größte Fahrt seiner Singgemeinschaft, eine Konzertreise nach Den Haag. 1927, als er gemeinsam mit Járosy einige Jahre den Domchor leitete, griff er sofort auf wertvolle alte Musikstücke, die hier auf vergilbten Blättern beinahe in Vergessenheit geraten waren, zurück, auf die ehemaligen Temeswarer Domkapellmeister und Komponisten Franz Limmer, Wilhelm Franz Speer, Joseph Kratochwill, u.v.a. Häufig standen deren Werke auf dem Programm. Braun galt als ein eifriger Förderer der Banater Musik und führte mit seinem Chor jährlich etwa 370 Werke von achtzig verschiedenen Komponisten auf, eine Rekordleistung für seinen Chor und dessen Leiter. Einige der heute (1981) noch lebenden Sänger seiner Chöre schildern ihn als strengen, anspruchsvollen, genauen und kritischen Dirigenten, der sich nicht scheute, Amateurchören das gleiche abzuverlangen wie von Berufssängern.

1937 erschien in ungarischer Sprache der erste Band seiner Banater Musikgeschichte (Bánsági Rapszodia), das bedeutendste Werk Brauns. Darin widmete er einen Abschnitt auch dem Temeswarer Philharmonischen Verein. Der zweite Band dieser Arbeit wurde begonnen, doch 1939 erkrankte er schwer. Ende 1939 verschlechterte sich der Gesundheitszustand Brauns, die Turmtreppen des Doms konnte er nur auf zwei Freunde gestützt hinaufsteigen, um ein letztes Mal seinen Chor zu dirigieren. Es erklang Bruckners Locus iste. Ein letzter Versuch der Ärzte, eine Bluttransfusion vorzunehmen - das Blut spendeten einige seiner Schüler - misslang. Am eiskalten Samstag des 17. Februar 1940 wurde Braun bei heftigem Schneetreiben im Elisabethstädter Friedhof zu Grabe getragen. Mit ihm, seinem letzten Wunsch gemäß, auch seine Violine, Manuskripte – darunter eine Handschrift von Gustav Mahler – und sein Dirigentenstab.

Schon einige Wochen danach wurde auf der Empore der Domkirche in Erinnerung an seine langjährige Tätigkeit als Domkapellmeister eine Gedenktafel eingeweiht. Dafür haben einige Mitglieder des Chores und des Orchesters ein Gesuch an Bischof Dr. Augustin Pacha eingereicht, das dieser großzügig bewilligt hat. Unterschrieben wurde dieser Brief u.a. von Käthe Titz (berühmte Sopranistin), Ferdinand Irsay (Organist), Emmerich Vormittag (Theologe und Chorleiter), Konrad Baumhoff (Bass).

 

Dieses Gesuch wurde von der Domsängerin Rosi Lorenz und deren Tochter Wanda (Wanda Klee, Tochter des Komponisten und Dirigenten Hermann Klee) dem Bischof überreicht. Der Text ist in ungarischer Sprache verfasst und hat folgenden Wortlaut:

 

Gnädiger Bischöflicher Vater!

Der Chor und das Orchester der Domkirche treten mit demütiger Bitte vor seinen gnädigen Oberhirten mit aufrichtiger Zuneigung, kindlichem Vertrauen und Liebe.

Der Chor und das Orchester der Domkirche möchten den tiefempfundenen Dank dem gewesenen Dirigenten und Lehrer Braun Dezsö zum Gedenken mit einer Marmortafel verewigen. Diese Gedenktafel möchten wir ähnlich seinem Vorgänger, dem Päpstlichen Kämmerer Jarosy Dezsö, Dirigent und Chorleiter der Domkirche, auf der Empore anbringen. Wir bitten unseren gnädigen Oberhirten um seine liebevolle Mithilfe zur Verwirklichung dieses ehrenvollen Vorhabens in diesen schweren Zeiten, ohne viel Aufsehen zu erregen.

Wissend um die Zuneigung und Liebe unseres bischöflichen Vaters, denken wir, dass er unsere Bitte erfüllt und bleiben in unveränderlicher Treue und kindlicher Anhänglichkeit seine Kinder.

Temesvár, 6. April 1940

 

Seine drei Töchter Henriette-Maria, Adrienne und Ildiko leben heute (2009) in Temeswar und Pforzheim.

 

Zeitungsberichte

 

Temesvarer Zeitung, Samstag, den 17. Feber 1940

 

REGENSCHORI DESIDER BRAUN

Timisoara, 16. Feber. Schmerzerfüllt und mit dem wehmütigsten Bedauern schreiben wir diese Zeilen nieder. Und dieses aufrichtige Bedauern ist heute in unserer Stadt allgemein zu verzeichnen. Ein Mensch von besonderem Wert, ein tatenreiches Leben ist nicht mehr – ein warmerfülltes, edles Herz, das stets für Höheres, Kunst, Kultur und für diese Stadt pochte, steht nunmehr stille. Desider Braun, diese außergewöhnliche Erscheinung, diese einzigartige Persönlichkeit wurde frühzeitig vom unerbittlichen Tod dahingerafft – inmitten der schönsten Mannesjahre, zur schönsten Blütezeit seiner Tatkraft. Unwillkürlich drängt sich da die Frage auf, was Desider Braun bei seinem Können, bei seinem Talent, bei seiner Ambition und bei seinem schöpferischen Geist noch zustande hätte bringen können. Ein Musiker durch und durch, ein Kirchenmusiker, der die Kirchenmusik und überhaupt Musik und Gesang als ein lebendiges Gebet schönster Form betrachtete; ein Wissenschaftler auf dem Gebiet der Musik und ein Dirigent vollen Schwunges und aus ganzem Herzen – doch führte er als Publizist und Kritiker ebenso erstrangig die Feder. Dabei bei jeder Gelegenheit und in jeder Hinsicht immer freundlich, taktvoll, liebevoll.

Noch gar nicht so lange dirigierte er in der Domkirche und bei seinen Vereinen, unterrichtete, vermittelte seine besonderen Seelenwerte und arbeitete – arbeitete wie er sein ganzes Leben hindurch immer nur arbeitete. Auf einmal fuhr man zusammen, als Nachrichten in Umlauf gelangten: über eine schwere, ja besorgniserregende Krankheit Desider Brauns. Niemand wollte es glauben. Jetzt erst zeigte es sich, was Desider Braun für diese Stadt und deren Bevölkerung bedeutete. So aufrichtig war man betroffen. (…)

Seit gestern abends weilt Desider Braun nicht mehr in der Reihen der Lebenden. Sei Körper ist starr und kalt – aber umso wärmer und inniglicher ist das Gefühl in jedermanns Herzen, umso tiefer die Trauer um ihn. Desider Braun bleibt für immer in das Herz seiner Mitmenschen geschlossen.

 

Sein Lebenslauf

In Timisoara, am 27. April 1894 erblickte er das Licht der Welt, in seinem Timisoara, für das er stets arbeitete und in dem er sich, nebst der Kunst im allgemeinen, aufopferte. Er war demnach noch nicht 46 Jahre alt. Sein Vater war Betriebsleiter einer großen Holzhandlung, sein älterer Cousin war der unvergessliche Musiker und Dirigent, päpstlicher Kämmerer Desider Jarosy. Desider Braun entstammte dem Timisoaraer Boden, hatte seine Schulen in dieser Stadt absolviert, sein ganzes Leben hier in steter, rastloser Tätigkeit verbracht: es liegt uns allen wie ein offenes Buch vor und wir können in dem zur Verfügung stehenden bescheidenen Rahmen eigentlich nur die Umrisse dieses tatenreichen, ersprießlichen und erfolgreichen Lebens geben.

In der hiesigen Bürgerschule war der geschätzte Direktor und hervorragende Dirigent Anton Gokler sein Professor; in der Bürgerschule und in der Handelsschule der auf kulturellem Gebiet und am Gebiet der Gesangskultur bekannte Fabrikant Alois Reichardt sein Kamerad. Zusammen maturierten sie und zusammen waren sie auch in mancher Richtung tätig. Der eigentliche Meister Desider Brauns war sein Verwandter, Dom-Regenschori und Musikakademieprofessor Desider Jarosy. Dieser hatte ihn, wie es sich später herausstellte, zu seinem Nachfolger erzogen. Das besondere Talent Desider Brauns hatte er schon frühzeitig in ihm entdeckt und der Knabe, der bereits vortrefflich Violine spielte und lebhaftes Interesse für das Musik- und Gesangswesen zeigte, trat schon im Alter von 15 Jahren im Rahmen des Domchors auf. Schon um diese Zeit erschien sein erster Artikel in dem damaligen „Temesvári Ujság“.

Die frühen Regungen des Talentes erfüllten mit Freuden den Meister und er gab ihm reichlich Gelegenheit, sich unter seiner Leitung auf dem Gebiet der Musik und des Gesanges auszubilden. Seit seinem Mitwirken an den Festgottesdiensten in der hiesigen Domkirche als junger Knabe, blieb er dem Domchor treu, so dass es nunmehr 33 Jahre sind, dass er dort tätig war und sich in den letzten Jahren als künstlerischer Leiter dieses ersten Kirchenchors der Diözese einen großen Ruf erwarb.

Der Kunst, der Musik und dem Gesang, so auch der Feder, ist Desider Braun nie untreu geworden, wenn er sich mittlerweile auf dem Handelsgebiet betätigte. So war er im Jahre 1921 Direktor der „Merkur“-Handels-A.G. und im Jahre 1923 geschäftsführender Direktor der Bank der Franco-Romana. Obzwar sein eigentlichen Element die Kirchenmusik war, betätigte er sich schon früh auch auf anderen Gebieten der Musik und des Gesanges. So war er seit 1913 ausübendes Mitglied der altangesehenen „Philharmonia“, wo er später zweiter Dirigent und schließlich Vicepräses wurde. Im Jahre 1928 wählte ihn der seit 6 Jahrzehnten wirkende „Dalkör“ zu seinem Dirigenten.

Im Laufe von 11 Jahren brachte er diesen Verein zu seiner schönsten Blüte. Bei größeren Veranstaltungen sollte Desider Braun nie fehlen. Sein Scharfblick, sein großes Wissen, sein gutmütiges Wesen half überall und rasch entschlossen. Wo einmal Desider Braun seine Mitwirkung zusagte, war man des Niveaus und des Erfolges sicher. Wohltätige und katholische Vereinigungen begehrten oft seine Mitwirkung. Besonders im Gebiete des Katholizismus wusste er sich mit ganzer Seele hervorzutun. Noch im Jahre 1912 hatte er einen Verein katholischer Jünglinge gegründet und als Musiker einen Musikverein nach dem Namen Franz Erkels benannt.

Bei der christlich-sozialen „Temesvári Ujság“ wurde er, sehr jung, der Musikkritiker und war auch auf diesem Gebiete unermüdlich tätig. Später, das dieses Blatt nicht mehr existierte, und nach dem Tod Desider Jarosy, wurde er Kunstkritiker des „Temesvári Hirlap“, bis er schließlich die Leitung dieser Redaktion gänzlich übernahm. Auch erschienen aus seiner Feder Arbeiten in Fachblättern. Eine Zeitlang hatte er sich auch der gesanglichen und kulturellen Ausbildung der katholischen Arbeiter gewidmet, dann wieder, als er Gelegenheit hatte, sich intensiver literarisch zu betätigen, leistete er eine sehr wertvolle Arbeit in der literarischen Arany-János-Gesellschaft; er wurde zum Obersekretär derselben gewählt und zeichnete sich u. a. mit wertvollen Veranstaltungen aus. Er war Ausschussmitglied der „Magyar Dalárda“ und leitendes Mitglied des ungarischen Kulturvereines. Im „Dalkör“ wurde er mittlerweile zum Präses gewählt, da er ohnehin schon außer dem die künstlerische Leitung in den Händen hatte.

Immer mehr wusste er den Domchor und das Domorchester zu dem schönsten Aufblühen zu bringen. Der einstige jungen Sänger und Violinist ist inzwischen zum zweiten Dirigenten des Domchors ernannt worden. Es war dies im Jahre 1924. Während der Krankheit Jarosy leitete er selbständig den Chor und wurde dann zum Regenschori ernannt. Als solcher hat er sein Prinzip, dass man oben im Chorraum in schönster Ausdrucksform betet, in staunenswerter Weise zur Geltung gebracht. Nicht nur die Gottesdienste hob er mit seinem Chor und mit seiner Arbeit. Großzügige Konzerte veranstaltete er, die weit und breit bekannt wurden. Von weitgelegenen Städten kam man hierher, diese Konzerte, die in der Domkirche stattfanden, anzuhören und ergriffen erklärten die Fachleute: in anderen Metropolen würden diese Veranstaltungen Aufsehen hervorrufen. Desider Jarosy hatte diese Domkonzerte begonnen, er setzte sie fort und konnte vor 2 Jahren das 100. Domkonzert einstudieren und leiten.

Das Publikum, die Mitwirkenden und auch die kirchlichen Behörden waren ausnahmslos fasziniert von diesen Leistungen. In inniger Weise hatte man auch seinerzeit sein Jubiläum anlässlich seiner 25-jährigen Tätigkeit in der Domkirche begangen.

Als Dom-Regenschori brachte er einerseits die größten Werke der Kirchenmusik zu vermitteln, als echter Timisoaraer [Temeswarer] hatte er auch hiesigen Komponisten zur Aufführung verholfen. Sein einstiger Vorgänger Franz Limmer kam oft aufs Repertoire, ebenso Pogatschnigg und letzthin eine große Messe unseres Mitbürgers Otto Sykora, der diese dem Diözesanbischof Dr. Augustin Pacha widmete. Jährlich unterbreitete er pünktlich dem Domkapitel seinen Tätigkeitsbericht; immer wieder fand dieser höchste Anerkennung. Im vergangenen Jahr hatte Desider Braun mit dem Domchor 356 Werke von 79 Komponisten zu Gehör gebracht. Für das Frühjahr wieder plante er ein großzügiges Kirchenkonzert, zugunsten der Domkirche, deren Erhaltung bekanntlich mit Schwierigkeiten verbunden ist.

Das „singend Beten“ verwirklichte Desider Braun auch dann und zwar mit besonderer Vorliebe, als er Gesangsprofessor am hiesigen Piaristenobergymnasium wurde. Mit der ganzen Liebe seines Herzens befasste er sich mit der Jugend; dieser Chor hatte während seiner 7-jährigen Tätigkeit, im wahren Sinne des Wortes, brilliert. Er schuf einen Musterchor, hatte diesen auch in anderen Städten konzertieren lassen, veranstaltete mit diesem anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Timisoaraer Piaristen ein großzügiges Konzert und auch hatte auch sonst bedeutende Pläne…

 

Krankheit und Tod

Von all den vielen Plänen konnte er nichts mehr verwirklichen. Ganz unerwartet befiel ihm ein heimtückisches Leiden, das ihn schon vor Jahren erfasst hatte. 6 Woche war er krank, ohne dass man anfangs etwas davon gewusst hätte. Eine gewisse Zurückgegangenheit war zwar an ihm bemerkbar, man glaubte aber eher an ein seelisches Leiden, da seine journalistische Tätigkeit, an der er ebenfalls mit ganzer Hingebung hing, plötzlich ein Abbruch erlitt. Er war verantwortlicher Redakteur des „Temesvári Hirpal“ und als solcher auch Mitglied des Journalistensyndikates. Eben ein Monat ist es her, dass er in der in der grimmigsten Kälte, am offenen Grabe des Gaswerksdirektors Karl Steiner stand und ihn als seinen Vorgänger als Präses des „Dalkör“ verabschiedete. Niemand wusste, dass er damals bereits krank war. Noch in krankem Zustand, Ende des vergangenen Monates, ließ er sich, von Freunden gestützt, auf den Domchor bringen, um nochmals zu dirigieren. Hatte er eine Todesahnung, dass dies zum letzten Mal sei? Er ließ nicht locker und dirigierte während des Hochamtes, mit den letzten Kräften und sank gegen Ende fast zusammen… Er wollte nochmals Gott preisen: mit Musik und Gesang.

Bald aber musste er sich zu Bett legen und trotz der sorgfältigsten Pflege, die ihm seitens seiner Umgebung zuteil ward, trotz der größten Bemühungen des behandelnden Arztes, trat ein allzu rapider Verfall des Körpers ein. Ergriffen muss man sich des Umstandes erinnern, in welch große Anzahl sich Schüler des Piaristenobergymnasiums meldeten, ihr Blut für ihren geliebten Professor zu geben… Eine Bluttransfusion wurde unternommen, man konnte aber dem Ende kein Halt mehr gebieten. Zum Sterbebett wurde die greise Mutter aus Csatad [Lenauheim] gerufen, man hotte noch und Desider Braun – betete. Auch während seiner Agonie betete er ständig und flehte die heilige Cäcilia, Schutzpatronin der Kirchenmusik, an… Er litt in den letzten Tagen unsäglich und gab gestern abends ¾ 11 Uhr seinen edlen Geist auf…

Heute früh um 8 Uhr, als am Piaristenobergymnasium der Unterricht beginnen sollte, ertönten in der Piaristenkirche die Trauerglocken. Auch in der Domkirche wurden die Trauerglocken gezogen.

An der Bahre trauern drei Töchter, die greise Mutter, seine Frau und viele, viele Freunde.

 

Desider Braun wurde aus seiner innerstädtischen Wohnung in die Kapelle des Elisabethstädter Friedhofes gebracht. (…) Um ¾ 8 Uhr wurde im Prunksaal der Piaristen, der auch als Kapelle dient, eine Trauermesse gehalten, die vom Piaristenprofessor Johann Wolf zelebriert wurde; es wirkte auch der Gesangchor der Jugend mit. In der Domkirche wird Montag vormittags 9 Uhr ein großes Requiem für das Seelenheil des verdienstvollen Regenschori gehalten, dasselbe pontifiziert der Domprobst, päpstl. Prälat Ludwig v. Kayser; es wirkt der Domchor und das Orchester mit.

Das Begräbnis findet morgen, Samstag, nachmittags um 4 Uhr von der Elisabethstädter Friedhofskapelle aus statt. Die Trauerzeremonie vollzieht Abtdomherr Johann Wendlin.

 

Temesvarer Zeitung, Dienstag, den 20. Feber 1940

 

IN MEMORIAM DESIDER BRAUN

Wenn wir einem uns nahestehenden Lieben das Geleite auf seinem letzten irdischen Wege geben und unsere Herzen voll Wehmut schwer sind, so spiegelt sich das auf unserem Gesicht wieder. Bei der Bahre unseres unvergesslichen treuen Braun Dezsö konnten wir aber noch eine andere Wahrnehmung machen, welche am besten den Beweis dessen erbrachte, wie unzählig seine Freunde und Anhänger und mit welcher Verehrung und Liebe sie an ihm hingen.

Nicht nur bei den nächststehenden Leidtragenden war die nach einem so wertvollen Dahingeschiedenen verständliche trostlose Verzweiflung und Trauer wahrnehmbar, auch bei allen anderen der zahlreich Versammelten sah man deutlich, hier kamen nicht Menschen zusammen, um einem Verstorbenen gegenüber nur eine letzte Pflicht zu erfüllen, sondern kamen, um von einem wertvollen Mitbürger und Freund, der eine unersetzliche Leere hinterlässt, Abschied zu nehmen.

Bei der Sängerschar, die ihm das letzte Abschiedslied sang, sah man nicht nur vereinzelt tränende Augen, welche Zeugnis davon ablegen, dass diese Braven ihren Meister nicht nur verehrten, sondern mit aller Hingebung liebten.

Auf dem Gesicht seiner jugendlichen Schüler, die ebenfalls kamen, ihren geliebten Lehrer auf dem letzten Weg das Geleit zu geben, spiegelte sich der Trennungsschmerz durch ihre Jugend noch unbeherrscht aus. Welche Anhänglichkeit und Verehrung diese jungen Menschen ihrem Lehrer entgegenbrachten, zeigt am besten der schöne Zug, dass diese Jungen, als sie in Erfahrung brachten, dass eine Bluttransfusion eventuell das Leben ihres schwerkranken Lehrers retten könnte, freudigst ihr junges Blut dazu hergaben.

Aber auch alle anderen, die das erschienen sind, und es waren dies nicht wenige, alle möglichen Gesellschaftsklassen und Nationalitäten, bildeten eine große Gemeinschaft, denen man die Ergriffenheit ansah, welch schweren Herzens sie von diesem wertvollen Menschen Abschied nahmen.

Wahrlich, aus allen Phasen dieser Trauerzeremonie war es klar ersichtlich, dass hier ein großer wertvoller Mensch zu Grabe getragen wurde.

Und Braun Dezsö war wirklich ein Ausnahmsmensch, voll künstlerischer Begabung und Ideale, unermüdlich in seinen Ambitionen. Er war auch darin ein Ausnahmsmensch, dass er, um etwas wirklich Schönes und Wertvolles zu schaffen, nicht mit materiellem Nutzen rechnete. So hatte er unter anderen zum Aufblühen des „Dalkör“ wöchentlich viele Stunden seiner knapp bemessenen Zeit geopfert, dabei nicht damit rechnend, ob dies Tages- oder Nachtstunden waren, um mit seiner ihm abgöttisch verehrenden Sängerschar unermüdlich zu üben. Und dies alles tat Braun Dezsö, ohne dafür honoriert zu werden, ausschließlich nur zur Befriedigung seiner künstlerischen Ambitionen.

Er war eben ein Idealist durch und durch. Trotz seiner beruflichen Überbürdung war er nie missgestimmt, im Verkehr mit seinen Mitbürgern immer besonders liebenswürdig, zuvorkommend und dienstbereit, seine gewinnende herzliche Art machte jeden, mit dem er in Berührung kam, zu seinem Anhänger.

Durch seine ideale Weltanschauung und hohe Intelligenz war er nicht nur ein angenehmer Gesellschaftsmensch, dessen Charme niemand widerstehen konnte, aber im öffentlichen Leben gab er oftmals ernste und wertvolle Ratschläge, welche ihn zu einem Begriff machten.

Braun Dezsö war in unserer Stadt eine markante, wertvolle und liebwerte Persönlichkeit, und haben wir in seinem Andenken in pietätsvoller Liebe in unseren Seelen ein dauerndes Monument errichtet.

Paul Martin

 

Am schneebedeckten Elisabethstädter Friedhof ging Samstag nachmittags das Begräbnis Desider Brauns vor sich. Überaus viele Freunde und Bekannte des Verblichenen waren erschienen, die ein mächtiges Trauerpublikum ausmachten. Der Sarg war in der Friedhofskapelle aufgebahrt, eine große Anzahl Kränze umgab die Bahre. Zwei Sänger des „Dalkör“, dessen Präses Desider Braun war, hielten Ehrenwache. Unmittelbar am Sarg befanden sich die zahlreichen Lorbeerkränze und sonstige Ehrenzeichen, die Desider Braun während seiner Künstlerlaufbahn erwarb. Der Sarg wurde vor die Kapelle, an den Katafalk gebracht.

Unter dem großen Trauerpublikum sah man u.a. die Domherren bischöfl. Kanzler Dr. Josef Waltner und Josef Pless, den Frateliaer Pfarrer Ivan Frigyer, die Priester Emmerich Vormittag und Ferdinand Hauptmann, den reformierten Pfarrer Stefan Debreczeni, Präses-Stellvertr. Der Ungarischen Volksgemeinschaft Prof. Michael Martzy, Direktor der bischöflichen Fundationskassa Desider Croglet, Dr. Béla Schweiger, Fabrikant Alois Reichardt, Dr. Viktor Balazs, Dr. Max Stuteczky, Eugen Rudas, Direktor Paul Martin, Theodor Traunfellner, Peter Erhardt, Oskar Kasztner, Philipp Delbl, Otto Fuchs, sehr viele markante Gestalten des künstlerischen Lebens: Anton Gokler, Leo Freund, Aranka Süveges, Ludwig Csermak, Prof. Franz Szegö u.a. Auch kam der einzige, noch am Leben befindliche Gründer des „Dalkör“, der pensionierte Tabaksfabriksbeamte Anton Gruber. Man sah viele Damen, so auch die kath. Frauenmission mit der Oberin, der Sozialen Schwester Elsa Fall; es erschienen die Schuljugend des Piaristenobergymnasiums unter der Leitung des Direktors P. Ludwig Toth, des Hausvorstandes Karl Mertz, der Professoren Joh. Wolf, Stefan Prinzinger und Ludwig Bledy.

Die Trauerzeremonie vollzog der Salvatorianer-Priester P. Karl Haubenreich unter Assistenz der Salvatorianer P. Augustin Kassovitz und P. Alois Heckler. Nachher erfolgte die Verabschiedung. Redakteur Andreas Kuban verabschiedete den Verblichenen namens des Landesverbandes der Minderheitsjournalisten und der literarischen Arany-János-Gesellschaft. Oberdirigent Ferdinand Irsay sprach namens des Ungarischen Sängerbundes Rumäniens und verdolmetschte auch die letzten Grüße des Philharmonischen Vereines, sowie des Domchors. Béla Schiff, Redakteur unseres Blattes, verabschiedete als Vizepräsident des „Dalkör“ den Heimgegangenen namens dieses Gesangvereines, dessen Präses Desider Braun war; anschließend sang der Massenchor unter der Leitung des Dirigenten Johann Scheibling einen ergreifenden Trauerchor. Zwischen den Spalierreihen, die die Sänger und die Schuljugend des Piaristenobergymnasiums bildeten, trugen den Sarg Sänger des „Dalkör“ zum Grabe. Nach der abermaligen Einsegnung hatte Anton Horvath, Schüler der 8. Klasse den Abschied der Piaristenjugend gesprochen. Der Schülerchor absolvierte hierauf unter Leitung des Piaristenprofessors Ludwig Bledy ein ergreifendes Abschiedslied. Die Lorbeerkränze Desider Brauns wurden neben dem Sarg ins Grab gesenkt und die Vereinsfahne neigte sich zum letzten Abschied.

Heute vormittag fand in der Domkirche, in der Stätte der großzügigen Tätigkeit Desider Brauns, ein Requiem statt. Dasselbe zelebrierte der Dompropst, päpstl. Prält Ludwig v. Kayser. Wieder war ein mächtiges Trauerpublikum erschienen. In dem Domherrenstallum befanden sich Abtdomherr Johann Wegling und bischöfl. Kanzler Dr. Josef Waltner.

Der Domchor und das Orchester wurden bei dieser Gelegenheit mit jenen Sängern und Musikern ergänzt, die sich zur Mitwirkung meldeten. So wirkten außer den Mitgliedern auch die Sänger Aranka Süveges, Frau Thierry, Frau Franz Mecher, Direktor Karl Reitter, Alois Reichardt, Johann Gimpel, von den Musikern Trude Laszlo mit. Der Domchor und das Orchester führte unter Leitung des Dirigenten Ferdinand Irsay Filkes d-Moll-Requiem auf; an der Orgel saß Leopold Frint; Solo sang Theologieprofessor Emmerich Vormittag.

Der Domchor und das Orchester beabsichtigen, am Chorraum der Domkirche neben der Gedenktafel Jarosys eine Gedenktafel zum Andenken Desider Brauns zu errichten.

 

 

Gedenktafel in der Domkirche

Zum Andenken des Regenschori Desider Braun

Timisoara (Temesvar), 30. April. Zum Andenken des kürzlich verstorbenen Dom-Regenschori Desider Braun wurde im Chorraum der Domkirche eine Gedenktafel errichtet. Der Domchor und das Orchester ließ diese Tafel zu Ehren seines Meisters verfertigen. Die Marmortafel wurde Samstag, als am 46. Geburtstag des frühverstorbenen Regenschori – nachdem die hierzu nötige kirchliche Erlaubnis erteilt worden war – am Chorraum der Domkirche angebracht. Sie befindet sich gegenüber jener Gedenktafel, die zu Ehren des vormaligen Regenschori, des päpstlichen Kämmerers Desider Jarosy errichtet wurde.

Sonntag, nach dem Hochamt ging im Rahmen einer kurzen, aber innigen Feier, die Einweihung der Gedenktafel vor sich. Während des Hochamtes hatte der Chor und das Orchester unter Leitung des Regenschori Prof. Emmerich Vormittag Demeny´s E-Dur-Messe, zu Ehren der heil. Elisabeth aufgeführt.

Nach dem Hochamt begab sich der bischöfliche Kanzler, Domherr Dr. Josef Waltner, den der Domchor als einen aufrichtigen Freund des verblichenen Desider Braun hiezu ersuchte, auf dem Chorraum, um die Eiweihung der Gedenktafel vorzunehmen. Domherr Dr. Waltner erschien mit der Assistenz zweier Theologen. Die Gedenktafel selbst enthält eine lateinische Inschrift mit folgendem Wortlaut:

IN GRATAM MEMORIAM

DESIDERII BRAUN

DIRECTORIS CHORI

1927-1940

“DOMINO CANTABIT IN CORDE SUO”

Die Tafel wurde mit einem in der Form iner goldenen Lyra gehaltenen Lorbeerkranz, gewidmet vom Domchor, und mit einem silbernen Lorbeerkranz, vom Gesangverein „Dalkör“ gespendet, bekränzt. Der erste Kranz trägt die Aufschrift: „Unserem geliebten Chordirigenten und Meister, der Domchor und das Orchester.“ Die Schleife des zweiten Kranzes: „Seinem unvergesslichen Führer, Timisoaraer Dalkör“. Es erschien übrigens auch eine Abordnung des „Dalkör“, unter der Leitung des Präsidenten Peter Gerhardt.

Bischöflicher Kanzler Dr. Waltner hielt eine sehr eindrucksvolle Ansprache:

„Bevor wir die Einweihung dieser Gedenktafel vornehmen – sagte er – denken wir an jenen, dem diese gewidmet ist und dessen Geist auch jetzt unter uns verweilt. Braun zog von dannen, obzwar man es nicht fassen kann, dass nicht er heute während des Hochamtes die Messe dirigierte. Ein altes klassisches Sprichwort sagt: „Die Kunst ist ewig, das Leben ist kurz.“ Jetzt, am Geburtstag Desider Brauns gedenken wir seiner und sind davon überzeugt, dass seine Kunst eine zweifache war: er erfüllte mit derselben diese mächtige Kirche und hob damit gleichzeitig die Seelen von Tausenden und Tausenden zu dem Allmächtigen empor. Vita brevis…

Kurz war sein Leben, selbst nach menschlicher Auffassung. Seine wahre Kunst war groß, denn er gab sich selbst; sein Leben ging im Zeichen der musica sacra vor sich und so war auch sein Tod. Er war ein Märtyrer dieser musica sacra und man fühlt es nun, wie sehr er es am Karfreitag empfand, was er sang: Siehe, so stirbt der Wahre… Möge nun diese Tafel solange dieses ehrwürdige Gotteshaus besteht, verkünden, dass Desider Braun gewesen ist und tätig war. Dass er im freundschaftlichen Verkehr stets Verehrung sich zu erwerben vermochte und man ihm in Anerkennung und Freundschaft diese Gedenktafel widmete… Er möge nun vor Gottes Antlitz die musica sacra fortsetzen…“

Dr. Waltner weihte sonach die Tafel ein. Nachher hatte der Domchor unter Führung des Organisten Ferdinand Irsay, der seinerzeit Stellvertreter Brauns war, die Liszt´sche Komposition „O salutaris hostia“ absolviert.

Die innige Feier schloss Domherr Dr. Waltner mit den Worten: „Gesegnet sei sein Andenken!“

Die Sänger begaben sich sonach auf den Elisabethstädter Friedhof, zum Grabe Desider Brauns und verharrten dort eine kurze Zeitlang in stiller Andacht.

 

Berichten zum Tode von Desider Braun erschienen auch in der ungarischen Temeswarer Zeitung Déli Hirlap vom 8. Februar 1940 (Fiatal diák vérét adta beteg tanárjának egészsége érdekében) und 18. Februar 1940 (Braun Dezsö székesegyházi karnagy kinos szenvedés után tegnap éjszaka negyvenhat éves korában meghalt).

 

BILDDOKUMENTATION

 

Braun als junger Geigenspieler vor einer Sonntagsmesse im Dom (August 1910).

Braun Dezsö, Schüler des Temeswarer Piaristengymnasiums 1904 - eingraviert in einen Holzbalken im Stiegenhaus der Orgelempore.

Desiderius Braun (1931)

Braun in Venedig (12.09.1925)

Desiderius Braun in seiner Temeswarer Wohnung (um 1930)

Domkonzert 1931: Zum 700-jährigen Todestag der heiligen Elisabeth

43. Domkonzert im Jahre 1933 unter der Leitung von Desiderius Braun

Desiderius Braun (1. Reihe sitzend, 4.v.r.) mit einem seiner Temeswarer Chöre

Braun Dezsö: Bánsági Rapszodia [Banater Rhapsodie. Bilder zur Banater Musik- und Theatergeschichte]

Braun (r) mit seiner Tochter Henriette

Braun mit seiner Ehefrau

Erinnerung an Braun Dezsö - veröffentlicht von seinem Chor “Temesvari Dalkör” nach dessen Tode 1940.

Das Grab von Desiderius Braun im Elisabethstädter Friedhof, Temeswar

Grabinschrift:

Prof. Desiderius Braun 1894-1940

Tochter Henriette am Grab ihres Vaters Desiderius Braun (Juli 2009)

Braun mit einigen seiner Sängerinnen und Musiker vor der Domkirche (hinter ihm Organist Ferdinand Irsay, rechts von ihm die Sängerin Rolsi Lorenz (verh. Klee), links von ihm Margit Toth)

Gedenktafel für Desiderius Braun auf der Orgelempore des Temeswarer Doms.

Der Antrag der Musiker an Bischof Pacha für die Anbringung einer Gedenktafel auf der Empore der Domkirche (6. April 1940)

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2009

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