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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Kennt ihr das Bild dort am Altar?

Das Mariahilfbild als identitätsstiftendes Symbol der deutschen Katholiken Südosteuropas und der Donauschwaben

Von Dr. Franz Metz

 

„Kennt ihr das Bild, dort am Altar, so mild, so freundlich, wunderbar.

Maria ist´s, die Himmelsbraut, die huldvoll auf uns niederschaut…“

 

Wie in diesem Lied wird auch in vielen anderen Marienliedern der Donauschwaben ein bestimmtes Marienbild in den Mittelpunkt gestellt und damit auch ihr Sohn Jesus Christus. Mit dem Ruf „Maria hilf!“ enden so manche dieser Lieder, die fast 300 Jahre lang in den Banater Kirchen gesungen wurden. Das Mariahilfbild hat sich wie kein zweites in die Herzen der Banater Schwaben und Donauschwaben eingeprägt. In vielen Kirchen Südosteuropas ist es auch heute noch zu finden und selbst das Bild der Gnadenmutter von Maria Radna weist viele Ähnlichkeiten mit dem berühmten Mariahilfbild auf. Für die deutschen Katholiken Südosteuropas wurde es zu einem identitätsstiftenden Symbol. Dass Kopien dieses Bildes in den Gegenden von Wien, Passau, Innsbruck oder München häufig vorzufinden sind, ist verständlich. Doch wie ist es dazu gekommen, dass Kopien dieses Cranach-Bildes nach Temeswar, Tirol, Jahrmarkt, Lugosch, Nero, Sanktmartin, Peterwardein, Belgrad oder Glogowatz gelangt sind?

 

Das Gnadenbild Mariahilf von Lucas Cranach im Innsbrucker St. Jakobs-Dom

Das Gnadenbild Mariahilf von Lucas Cranach im Innsbrucker St. Jakobs-Dom

Innsbruck: Hauptaltar der Domkirche mit dem Mariahilfbild

 

Die Ikone als Ursprung des Marienbildes

 

Die ersten autonomen Darstellungen Mariens finden wir seit dem Konzil von Ephesos im Jahre 431. S. Maria Maggiore aus dem Jahre 440 gilt als Hauptdenkmal. Das Mariahilfbild hat als Quelle eine Ikone mit dem Titel „Eleusa“, was so viel heißt wie Maria als das Kind Herzende, Barmherzige. Seit dem 11. Jahrhundert kennt man diesen marianischen Ehrentitel. Eudokia (die Wohlwollende), die Frau von Kaiser Theodosius II. (401-450) soll diese Madonna aus Jerusalem nach Konstantinopel gebracht haben.

Die damals bereits bekannte Anrufung „Maria, du Hilfe der Christen“ wurde von Papst Pius V. im Jahre 1572 nach dem Sieg gegen die Türken in der Seelschlacht von Lepanto endgültig in die Lauretanische Litanei eingeführt. Papst Clemens VIII. hat die Lauretanische Litanei im Jahre 1601 als die einzige offizielle Marienlitanei bestätigt, womit der Mariahilfruf „Maria Auxiliatrix Christianorum – Maria, Hilfe der Christen“ Weltverbreitung erlangte. Die Anrufung, verbunden mit dem Marienbild von Lucas Cranach, hat der Marienverehrung in der Kirchengeschichte der deutschen Ländern und ganz Europas eine Rolle von größter Bedeutung geschaffen.

 

Mariahilfbilder in der Innsbrucker Innenstadt

 

Der Madonnenmaler Lucas Cranach

 

Lucas Cranach wurde am 4. Oktober(?) 1472 in Kranach geboren. Sein Taufname könnte als Zeichen für den zukünftigen Madonnenmaler genommen werden, denn der hl. Lukas gilt einer Legende nach als der erste Porträtist der Muttergottes. Der Maler signierte seine Werke in der latinisierten Form „Lucas Chronus“. Im Jahre 1505 folgte er dem Ruf nach Wittenberg an der Elbe in die kursächsische Residenzstadt und tritt in den Dienst des Kunstmäzens Friedrich III. des Weisen, des Kurfürsten von Sachsen, ein. Er verbrachte dort 45 Jahre. Trotz der Religionskriege zwischen den deutschen Fürsten und dem Kaiserhaus und der unruhigen Jahre der Reformation, wird Cranach bis zu seinem Tode Hofmaler der sächsischen Kurfürsten bleiben. Seit 1510 baute er in Wittenberg eine große Malerwerkstätte mit über 10 Gesellen auf, mit denen er die unterschiedlichsten Aufträge des Hofes erfüllen konnte. Cranach ist mit rund 1000 Bildern in den Sammlungen aller Kontinente vertreten. Und trotzdem ist dies nur ein Bruchteil seines Schaffens. Auf seinem Grabstein wird er als ein „pictor celerrimus“ – ein sehr schneller Maler – genannt.

 

Mariahilfbilder in der Innsbrucker Innenstadt

 

Martin Luther und Lucas Cranach

 

Martin Luther, der ehemalige Augustinermönch und Prediger zu Wittenberg, befreundete sich mit Lucas Cranach gegen Ende des zweiten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts. Luther lehrte seit 1508-12 an der im Jahre 1502 gegründeten Universität. Am 31. Oktober 1517 hat er an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg seine 95 Thesen angeschlagen. Nachdem ihn Papst Leo X. im Jahre 1520 in den Kirchenbann stieß, wurde er von Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Worms 1521 mit der Reichsacht belegt. Davon und von seinem Aufenthalt auf der Wartburg setzte Luther in einem vertraulich und herzlich gehaltenen Schreiben Cranach allein in Kenntnis. Beide Männer blieben lange miteinander befreundet, trotz der Verschiedenartigkeit ihrer Interessen, ihrer Lebensart und ihrer ganz unterschiedlichen Naturen. Beider Männer waren dazu bestimmt, einmal berühmt zu werden: ein Ruhm, der weit über die engen Grenzen Wittenbergs hinausdrängen wird.

Die Freundschaft der beiden zeigte sich vor allem in der Herzlichkeit häuslicher Verbundenheit: Luther war Taufpate von Cranachs Tochter Anna, und der Maler war am 13. Juni 1525 Trauzeuge bei Luthers Hochzeit mit der früheren Nonne Katharina von Bora (aus dem Zisterzienserinnenkloster Marienthron, gestorben 1552).

Cranach malte zwar zahlreiche Bilder für Luther und für den reformorientierten Glauben. Doch Cranach ist so wenig von dieser neuen protestantischen Aufgabe in Anspruch genommen, dass er keine Bedenken hatte, gleichzeitig und mit gleicher Begeisterung für die stärksten Gegner der Reformation wie den Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg (1490-1545), den großen Widersacher Luthers und gelehrten Förderer der Künste, tätig zu sein.

Dr. Norbert Möller beschreibt wie folgt den Ursprung des Mariahilfbildes: Luther war zeit seines Lebens ein besonderer Marienverehrer. Sein Freund Lucas Cranach malte auftragsgemäß rund 120 Madonnenbilder, was auch eine hohe Popularität dieser Marienbilder bei Adel und Bürger beweist. Maria ist in ihrem ikonographischen Ursprung ja nicht nur katholisch, sondern auch evangelisch. Gemeinsames Gebet der Gläubigen beider Konfessionen ist das Magnificat, der Lobgesang Mariens (Lukas 1,46-55). Darin prophezeit Maria selbst ihre weltweite künftige Verehrung: „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“.

Die evangelische Kirche feiert heute noch drei Marienfeste: Darstellung des Herrn am 2. Februar, Ankündigung der Geburt des Herrn am 25. März und die Heimsuchung Mariens am 2. Juli. Überschwänglich wünschte sich Luther einmal in Bezug auf Maria: „Billig wäre es gewesen, dass man ihr einen goldenen Wagen bestellt und sie mit 4000 Pferden geleitet und vor den her drommetet und geschrien hätte: Hier fährt die Frau der Frauen, die Fürstin unter allem menschlichen Geschlecht.“

In alten Passauer Wallfahrtsbüchern liest man, Lucas Cranach d. Ä. habe das Mariahilfbild im Jahre 1514 in Wittenberg im Beisein Martin Luthers gemalt. Der spätere Reformator Luther hätte die allzu verklärende Darstellung Mariens und der Heiligen kritisiert, weil sich die Christen nicht darin erkennen könnten und so eine Nachahmung erschwerte. Deshalb malte Cranach eine einfache junge Frau mit Kind. Daraus entstand das Gnadenbild „Mariahilf“ mit einem „ökumenischen Geist“ (Lothar Lies SJ).

Es spricht auch das Jahr 1517 dafür, da man sicher weiß, dass der 45jährige Cranach im März des Jahres nach einer schweren Krankheit genesen war und im Auftrag des Sachsenherzogs Georg des Bärtigen (1471-1539) für einen Haushalt seiner Gattin Barbara, der Tochter des Polenkönigs Kasimir IV., an deren Fürstenhof in Dresden eine Madonna malte. Ein Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten von Wittenberg und Herzog Georg von Dresden bestätigt, dass 1517 eine Madonna von Lucas Cranach bei Herzogin Barbara große Freude auslöste.

 

Morgen- und abendländische Marienverehrung in der Wallfahrtskirche Maria Gern (Berchtesgaden): links die ikonenartige „Mutter von der immerwährenden Hilfe“ (Kopie von Seb. Forster, 1874), rechts die Kopie des Mariahilfbildes Cranachs

 

Ohne goldenen Heiligenschein

 

Vom griechischen Typus her ist die Cranach-Madonna eine sitzende „Maria Eleusa = Mariahilf“. So kann man sagen: Das Mariahilfbild ist die bildliche Umsetzung eines alten christlichen Anrufes. Cranach hat vielleicht die alte Ikone als Kopie in seiner Wiener Zeit kennengelernt, denn es können viele gemeinsame Merkmale entdeckt werden. (Johanna Felmayer)

Das Marienbild Cranachs zählt zu den bedeutendsten Kunstwerken der Renaissance im deutschen Sprachraum und wird als „die schönste griechisch-katholische Ikone Mitteleuropas“ bezeichnet, als ein versöhnendes und verbindendes Symbol der Ökumene. Dies kann man anschaulich anhand der beiden prunkvoll gerahmten Marienbilder erkennen, die sich in der Wallfahrtskirche Maria Gern (Berchtesgaden) neben dem Hauptaltar befinden: links die ikonenartige „Mutter von der immerwährenden Hilfe“ (Kopie von Seb. Forster, 1874), rechts die Kopie des Mariahilfbildes Cranachs.

Der Kunsthistoriker und Probst Josef Weingartner schreibt: „Es ist kein Wunder, dass sich gerade dieses ebenso deutsch empfundene als auch tiefreligiöse Marienbild unserem Volk so tief ins Herz gegraben hat, und dass sich in den deutschen Alpenländern kein anderes mit ihm an Verbreitung messen kann“. Marias Blick spricht den Besucher an, sie will als Mutter Gottes für alle Gläubige Mutter, Fürbitterin und Zuflucht sein. Selbst im Bild des hilfesuchenden Jesuskindes kann sich der Betrachter selbst wiederfinden und seine Hoffnung auf den mütterlichen Beistand Mariens setzen. Das Bild birgt, trotz seines schlichten Stils, der ohne Attribut und goldene Heiligenscheine auskommt, eine innere Explosivkraft, die jeden Betrachter – ob gläubig oder nichtgläubig – in den Bann zieht. (Dr. Norbert Möller)

 

Von Dresden nach Passau

 

Nachdem das Bild zuerst in der Privatkapelle der Herzogin Barbara in Dresden seine Verehrung gefunden hat, kam es 1520 in die Heiligkreuzkirche, nach Ausbruch der Glaubenskriege und durch die bilderstürmerische Reformation wurde es in der kurfürstlich-sächsischen Kunstkammer der Stadt untergebracht.

Im Jahre 1611 besuchte der österreichische Erzherzog und Bruder Kaiser Ferdinand II., Leopold V., in diplomatischer Mission den protestantischen Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen (1585-1656). Er durfte sich als Gast in der Dresdner Kunstkammer ein Erinnerungsstück aussuchen. Seine Wahl fiel auf Cranachs Mariahilfbild. Leopold übte damals das staatliche Kirchenverwaltungsamt als nichtgeweihter Fürstbischof von Passau und Straßburg aus. Dieses Bild wurde ab dann sein ständiger Begleiter.

Durch die Präsentation des Bildes in der Schlosskapelle seines Bischofsitzes zu Passau, wurde diese Stadt zur „Urzelle der Mariahilfverehrung im Abendland“. Im Jahre 1611 ließ Domdekan Marquard, Freiherr von Schwendi, eine erste vergrößerte Kopie durch den Passauer Hofmaler Pius anfertigen. Als 1618 der befürchtete 30 Jahre anhaltender Religionskrieg ausbrach, stellte der Domdekan auf Grund von Visionen in einer hölzernen Kapelle auf dem Schulerberg, dem späteren Mariahilf-Berg, aus. 1627 wurde die doppeltürmige Mariahilfkirche mit einer Wallfahrtsstiege von 312 Stufen errichtet und es entstand eine Mariahilfbruderschaft. Man rief Maria unter dem Titel „Die Passauer Mutter Gottes“ an und das Mariahilfbild selbst bekam den Namen „Das deutsche Gnadenbild“. Zwischen 1627-1745 kamen etwa sieben Millionen Pilger zu diesem Bild und über 2000 außerordentliche Gebetserhöhungen wurden in mehreren gedruckten Büchern dargestellt. Diese Verehrungswelle überschritt die deutsche Grenze und reichte in ihrer Ausstrahlung nach Österreich, in die slawischen Ländern, Ungarn, Polen, Böhmen, usw. In München entstand eine Erzbruderschaft.

 

Passau: Wallfahrtskirche mit Mariahilfbild

Brixen: Mariahilfbild an einem Haus

St. Andrä, Südtirol: Gnadenbild in der Mariahilf-Kapelle

 

Zusammenhaltendes Symbol in den Türkenkriegen

 

Wie während der Seeschlacht bei Lepanto (1571) wurde im Jahre 1683, als die Türken mit 200.000 Mann vor den Toren Wiens standen und das Abendland bedroht wurde, durch einen päpstlichen Aufruf Maria unter der Parole „Maria hilf!“ um ihre Unterstützung gebeten. Kaiser Leopold I. (1658-1705) war mit seiner Frau samt dem Hofstaat aus Wien geflüchtet und pilgerten täglich auf den Mariahilfberg in Passau, wodurch der „Gnadenort Mariahilf zum Gebetsort um den Sieg der christlichen Armee wurde“. Mit dem Schlachtruf „Maria hilf!“ gelang am 12. September 1683 die Sprengung des Belagerungsringes um Wien am Kahlenberg. Durch diesen Sieg der Christen über die Türken hat Papst Innozenz XI. diesen Tag zum Fest „Mariä Namen“ erklärt und das Bild „Mariahilf“ erhielt als „habsburgisches Staats-Gnadenbild“ eine besondere Verehrung. Damit kann man auch den Bezug dieses Bildes zu den späteren Siegen der kaiserlichen Heere unter Prinz Eugen von Savoyen gegen die Türken in Belgrad (1716) und Temeswar (1718) besser verstehen. Kein zweites Bild der Kunstgeschichte und der Marienfrömmigkeit konnte eine solche Verbreitung vorweisen. Aus dem in Wittenberg nach ostkirchlichem Vorbild entstandenen „habsburgischen Staats-Gnadenbild“ entstand so ein Bild mit einem symbolischen Charakter für einen konfessionsübergreifenden Zusammenhalt in Zeiten größter Gefahr. Schon das grenzt an ein kleines Wunder.

 

Die Mariahilfkirche in Wien

 

Als Dank ließ der Kaiser und Fürst Paul Esterházy 1687 in Wiens 6. Bezirk die barocke Wallfahrtskirche „Mariahilf“ durch den Architekten Franz Jänckl errichten. Doch bereits davor stand auf diesem Platz eine aus Holz gefertigte Friedhofskapelle, in die der Mönch (Barnabit) Don Cölestin Joanelli im Jahre 1660 ein Mariahilfbild aufgestellt hat, wodurch die Mariahilfverehrung an diesem Ort ihren Anfang gefunden hat. Die Befreiung Wiens wurde der Fürbitte Mariens zugeschrieben. Im Jahre 1763 stellte der Wiener Orgelbauer Johann Hencke sein großes Orgelwerk auf. Dies geschah in der gleichen Zeit, in der Hencke auch für die Temeswarer Domkirche eine kleiner und eine größere Orgel erbaut hat.

Das Wiener Mariahilfbild ist eine freie Kopie des Passauer Gnadenbildes. Zu beiden Seiten unterhalb des Gnadenbildes ist die Sippe Mariens zu sehen: ihre Mutter Anna, der hl. Joachim, hl. Josef, die hl. Elisabeth als Mutter des hl. Johannes. Kaiserin Maria Theresia holte sich vor diesem Gnadenbild Kraft und Stärke im Kampf gegen Friedrich von Preußen. Deshalb kann dieser Hochaltar auch als Denkmal des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) bezeichnet werden.

Über der Sakristei der Mariahilfkirche befindet sich die Mater-Salvatoris-Kapelle mit einer weiteren historischen Kopie des Mariahilfbildes. Dieses Mariahilfbild soll nach der Türkenbelagerung fast unversehrt im Brandschutt der alten Friedhofskapelle aufgefunden worden sein. Auf diesem alten Mariahilfbild sehen wir zwei schwebende Engel, die die Krone über das Haupt Mariens halten. (P. Waldemar Posch SDS) Auch hier finden wir viele Parallelen zu unserem Gnadenbild von Maria Radna im Banat.

 

Wien: Mariahilfkirche mit dem Gnadenbild

 

Von Passau nach Innsbruck

 

Im Jahre 1619 nahm Erzherzog Leopold V., der nun zum Statthalter Tirols ernannt wurde, das Cranach-Bild nach Innsbruck. Paul Honegger hielt die bisherige Geschichte dieses Mariahilfbildes im Jahre 1630 in einem großen Gemälde fest, das heute in der Domsakristei St. Jakob in Innsbruck zu sehen ist. Mit seinem Mariahilfbild reiste Leopold V. 1625 nach Rom, Assisi und Florenz. Hier besuchte er seine Braut Claudia von Medici, die er 1626 in der Innsbrucker Hofkirche heiratete. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Mariahilfbild bei Bittprozessionen durch die Stadt getragen. Der Bekanntheitsgrad des Bildes nahm immer mehr zu und 1630 erhielt es einen kostbaren Rahmen mit Elfenbein- und Ebenholzeinlagen. Nachdem Leopold V. am 13. September 1632 in Schwaz verstarb, fand er seine letzte Ruhestätte in der Hofkapelle bei „seinem geliebten Bilde“ – wie der Chronist berichtet.

Im Jahre 1646 stiftete der Hofmaler Paul Honegger eine Kopie des Bildes für den Hochaltar in St. Jakob. Da Tirol während des Dreißigjährigen Krieges verschont wurde, stifteten die Landesstände eine Mariahilfkirche am linken Innufer der Stadt Innsbruck. 1654 stiftete Michael Waldmann d. Ä. eine getreue Abbildung des Mariahilfbildes dieser neuen Kirche und dieser Stadtteil heißt seither Mariahilf.

Im Jahre 1650 entschloss sich Erzherzog Ferdinand Carl doch, dem Wunsch der Innsbrucker Bürgerschaft nachzugeben und stiftete das originale Mariahilfbild der St. Jakobskirche. Am 3. Juli 1650 fand im Rahmen einer großartigen, barocken und feierlichen Prozession die Übertragung des Bildes von der Hofburg in die St. Jakobskirche statt. Die Häuser der Stadt waren festlich geschmückt und die Straßen mit Blumen bestreut. Das Marienbild prangte auf einem Triumphwagen, der unter Trompetenklängen und Paukenwirbel von sechs Schimmeln gezogen wurde. In den folgenden Jahren bis 1750 kamen aus verschiedenen Ländern über 4400 handgeschriebene Berichte von Gebetserhöhungen, die in 44 Bänden aufgezeichnet wurden. 2600 sind noch im Archiv von St. Jakob erhalten.

Im Jahre 1639 entstand so in Innsbruck das altehrwürdige Marienlied Maria breit den Mantel aus, das 1640 zum ersten Mal gedruckt wurde und dessen Melodie seit 1993 täglich vom Glockenspiel im Nordturm des Domes zu hören ist. Die öffentliche und auf immerwährende Zeiten verpflichtende Darbietung des Mariahilf-Gnadenbildes gab der Verehrung nicht nur in dieser Kirche einen enormen Aufschwung: es wurde auf Fahnen gemalt, man findet es an Häuserfronten, in vielen Kirchen und Kapellen weit über die Grenzen Tirols hinaus. Wer heute durch die Innenstadt Innsbrucks geht, findet auf Schritt und Tritt Kopien verschiedenster Art des berühmten Mariahilfbildes an vielen Häuserfronten.

Auch in Südtirol finden wir die Kopien dieses Bildes an vielen Häusern, in Kirchen und Kapellen. So z.B. befindet sich ein schönes Mosaik mit dem Mariahilfbild an der Fassade eines alten Hauses in der Innenstadt von Brixen mit dem Spruch: „Wo Maria Hilff zu Haus, selbst all guttes folget Draus“. Unweit von Brixen befindet sich der Ort St. Andrä, wo neben der Pfarrkirche eine alte Mariahilfkapelle aus dem Jahre 1696 steht. Ober dem Tabernakel befindet sich eine Kopie des Mariahilfbildes mit mehreren Votivgabe und Kronen.

 

Tirol/Königsgnad: Katholische Pfarrkirche

Das Mariahilfbild in der Königsgnader Kirche

Pfarrer Johann Matheus Stuefer

 

Von Tirol ins Banat

 

Im Jahre 1805 überrollten die Truppen Napoleons Europa. Österreich musste nach der verlorenen Schlacht gegen die französisch-bayerische Armee bei Austerlitz Tirol an Frankreich und an Bayern abtreten. Nach mehreren verlorenen und gewonnenen Kriegen schlossen am 14. Oktober 1809 Kaiser Franz I. und Napoleon den Frieden von Schönbrunn, wodurch Tirol an das Königreich Bayern abgetreten wurde. Andreas Hofer, der meistgesuchte Anführer der Freiheitskämpfer Tirols, musste fliehen, wurde aber 1810 durch einen Verrat gefangen genommen und in Mantua am 20. Februar 1810 hingerichtet. Auch die an seiner Seite kämpfenden Gefährten suchten Schutz und kamen so auf abenteuerliche Weise bis Wien. Die Zahl dieser Flüchtlinge wurde immer größer und Kaiser Franz I. entschied, diesen aus Tirol geflüchteten Familien in seinem Reich ein neues Zuhause zu ermöglichen.

Die ersten dieser Ansiedler kamen 1810 mit Josef Speckbacher, der an der Seite Andreas Hofers kämpfte, ins Banat. Nach einer zweiten Einwanderergruppe im September 1810 folgte im Frühjahr 1811 eine dritte Gruppe, geführt von Pfarrer Johann Matheus Stuefer. Schon während des langen und schwierigen Weges fielen manche der Kolonisten verschiedenen Krankheiten zum Opfer, andere ließen sich in Werschetz, Moritzfeld oder in anderen bereits bestehenden Orten nieder. So entstand auch das Dorf Tirol im Banat – auch Königsgnad genannt, da der Ort durch „des Königs Gnaden“ entstanden ist. (Günther Friedmann)

Auf Anordnung von Kaiser Franz I. erhielten die Ansiedler eine kleine Kirche mit Pfarrhaus, die im Frühjahr 1814 eingeweiht wurde. Ein vergoldetes Holzkreuz, das Pfarrer Stuefer in Wien übergeben wurde, erhielt seinen Platz auf dem Tabernakel. Für diese erste Kirche spendete 1813 Frau Barbara Zophmann eine Kopie des Tiroler Mariahilfbildes, das auch in der zweiten Kirche (geweiht 1850) als Altarbild verwendet wurde. Nachdem ein Dorfbrand auch diese Kirche in Schutt und Asche gelegt hat, konnte man das gerettete Mariahilfbild in die heutige Kirche übertragen, wo es auch heute noch vorhanden ist.

Unterhalb des Mariahilfbildes befinden sich auf einem roten Samttuch 11 Münzmedaillen, die älteste ist eine 30-Kreuzer-Münze aus dem Jahre 1749, alles von den Tiroler Ansiedlern mitgebrachte wertvolle Schmuckstücke. Wann und von wem dieses Mariahilfbild gemalt wurde, konnte bisher nicht geklärt werden. Es ist aber sicher, dass es aus Tirol mitgebracht wurde, um in der neuen Heimat Trost und Hilfe zu erlangen. Dieses Marienbild sollte den Tiroler Kolonisten ein wenig heimatliche Gefühle spenden, und in ihnen die gemeinsame Herkunft wachhalten. Das Bild wurde in späteren Jahren auch mit silbernen Kronen gekrönt. Aus künstlerischer Sicht scheint es eines der wertvolleren Kopien des Mariahilfbildes zu sein, trotz einiger dem Zeitgeist angepassten Veränderungen. Wie durch kein anderes Banater Mariahilfbild wurde dadurch die Geschichte der Tiroler Kolonisten über 200 Jahren verankert. Sie kamen aus den verschiedensten Gegenden Tirols, wie z.B. aus Innsbruck, Hall, Schwaz, Sterzing im Eisacktal, aus dem Zillertal, aus Alpbach oder Berwang Bichlbach in das Banat und brachten in ihrem ärmlichen Gepäck ihr wertvollstes Gut: ihr Mariahilfbild.

 

Die katholische Kirche der Josefstadt wurde 1772 erbaut

Josefstadt: Mariahilfbild

Josefstadt: Blick in den Altarraum mit dem Mariahilfbild

 

Das Königsgnader Mariahilfbild in der Josefstadt

 

Nachdem Pfarrer Johann Matheus Steufer im Jahre 1818 aus dem neugegründeten Kolonistendorf Tirol/Königsgnad nach Temeswar versetzt wurde, brachte er in seine neue Kirche eine Kopie des Tiroler Mariahilfbildes mit. Und mit ihm kamen auch viele seiner aus Tirol im Banat angesiedelten Landsleute mit. Sie ließen sich in Temeswar nieder und gründeten so die Tirolergasse (heute Porumbescu-Straße) in der Elisabethstadt. Er wird hier bis 1860, also über 42 Jahre, segensreich wirken.

Die katholische Pfarrkirche der Temeswarer Josefstadt wurde 1772 errichtet und 1775 wurde sie eine selbständige Pfarrei. Bereits 1795 wurde eine der neuen Glocken (etwa 500 kg) zu Ehren von Mariahilf geweiht. Der Name dieses Stadtteils stammt von Kaiser Josef II., der bereits 1768 Temeswar besucht hat und feststellen musste, dass „die um Temeswar herum liegenden Dörfer viel gesunder sind, als die Stadt“. Die von Pest, Türkenkriegen und dem Sumpffieber geplagte Stadt war damals erst im Aufbau begriffen. Der in der Temeswarer Festung weilende Baron Inigo Born schrieb am 17. Juni 1770 über die hier angetroffenen Verhältnisse: „Dies ist ja das Land des Todes, wo statt Menschen lebende Skelette einherschreiten“. Außerhalb der Festung sollte also ein neuer Stadtteil entstehen, in dem damals nur deutsche Einwohner lebten und der als „neuer deutscher Meierhof“ bekannt war. Als Kaiser Josef II. vom 10. bis 13. Mai 1773 die Stadt wieder besuchte, erteilte er die Genehmigung, dass dieser neue Stadtteil nach ihm benannt werden darf. Auch heute noch, nach 200 Jahre, schmückt das alte inzwischen gekrönte Mariahilfbild die Josefstädter Kirche und erstrahlt in ihrem erhabenen Glanze – in Erinnerung an jene, die es aus Tirol nach Temeswar gebracht haben.

 

Die Mariahilfbilder im Kathrein-Stadl

 

Die katholische Pfarrkirche der Temeswarer Elisabethstadt wurde früher von den Franziskanern betreut. Sie brachten aus ihrer ehemaligen Kirche, die geschliffen wurde, viele Erinnerungsstücke in die Katharinenkirche mit, in das damalige Zentrum des Kathrein-Stadls. Béla Schiff berichtet in seinem Buch Unser Alt-Temesvar darüber: „An die Franziskaner im Kathrein-Stadl, die sich besonders zur Zeit der großen Pest für die Bewohner dieser Stadt aufopferten, erinnert übrigens sicherlich auch die Schwarze Maria, ein Holzbildwerk mit schwarzen Köpfen der Jungfrau Maria und des Jesuskindes, das schier auch in der Franziskanerkirche in der Festung große Verehrung genossen haben muss. (…) Dieses Andenken althergebrachter Frömmigkeit befindet sich ebenfalls in der Sakristei der Stadtpfarrkirche. Ebenso andere Votivgegenstände, so z.B. ein Madonnabild in einem Glasgehäuse, mit lichtblauen Bändern und mit Kronen und Herz, aus Erz, geschmückt.“ Dieses alte Mariahilfbild befand sich bis etwa 1995 in der Sakristei der innenstädtischen Kirche und wurde danach im Temeswarer Diözesanmuseum ausgestellt.

In der Kirche selbst blieb aber ein zweites Mariahilfbild erhalten, das neben dem linken Seitenaltar angebracht ist. Es scheint eines der ältesten Mariahilfbilder im Banat zu sein, stammt aus dem 18. Jahrhundert, wurde gekrönt und mit Votivgaben geschmückt.

Es gehört seit vielen Jahrhunderten zur Tradition der Kirche, besonders verehrte Gnadenbilder der Muttergottes zu krönen. Sie sollten jedoch mindestens 100 Jahre alt sein. Um 1900 gab es über 400 gekrönte Marienbilder in aller Welt. Zu den bekanntesten gekrönten Marienbildern zählen: „La Bruna“ in Neapel, die Muttergottes von Tschenstochau in Polen, die Schutzmantelmadonna in Nancy in Frankreich, die Muttergottes von Maria Plain bei Salzburg, die der Fürstprimas Nikolaus Graf Csáky 1779 krönte und Mozart dazu seine berühmte Krönungsmesse komponiert hat und nicht zuletzt das Gnadenbild von Maria Radna, das im Jahre 1820 durch Erzbischof Alexander von Rudnay gekrönt wurde. (Tibor Lichtfuss)

 

Altarraum der Katharinenkirche in Temeswar

Das gekrönte Mariahilfbild in der Temeswarer Katharinenkirche

Mariahilfbild aus der Katharinenkirche mit Votivgaben (18. Jh.)

 

Das Mariahilfbild und die Gnadenmutter von Maria Radna

 

Die Zeit der zweiten Türkenbelagerung Wiens (1683) entspricht ungefähr der Zeit, in der das Gnadenbild von Maria Radna in Erscheinung tritt und öffentlich verehrt wird (1695). Prof. Tibor Lichtfuss schreibt, dass zu jener Zeit in ganz Europa dieser Bildtypus verehrt und davor um Hilfe angerufen wurde. Als Vorlage diente der Druckerei Remondini in Bassano die ostkirchliche Ikone der Mutter des Erbarmens – Eleusa – die auch in der Entstehung des Mariahilfbildes von Lucas Cranach eine Rolle gespielt hat. Dieser Typus war in Italien durch die Beziehungen zu Jerusalem, Griechenland und Russland sehr verbreitet. In Deutschland entstand gleichzeitig – wie bereits beschrieben – der Typus des Mariahilfbildes. Diese beiden Einflusssphären überschneiden sich mit der Zeit und bestärken den flehenden Ruf fast ganz Europas um die Hilfe der Gottesmutter in Pest- und Kriegsnot. Prof. Lichtfuss meint, dass, obzwar das Gnadenbild von Radna viele Ähnlichkeiten mit dem Mariahilfbild aufweist, keine Verwandtschaft zwischen diesen beiden Kunstwerken bestehe.

 

Belgrad: Das Mariahilfbild in der ehemaligen Jesuitenkirche

Belgrad: Das Mariahilfbild in der ehemaligen Jesuitenkirche

Belgrad: Das Mariahilfbild aus Peterwardein

 

Das Mariahilfbild aus Peterwardein und Belgrad

 

Mit Peterwardein/Petrovaradin, am anderen Ufer der Donau bei Neusatz/Novi Sad gelegen, und dem Deutschtum Südslawiens eng verbunden ist auch das Gnadenbild der Jesuitenkirche von Belgrad, das 1934 wieder nach Belgrad zurückkehrte. Im Jahre 1718 waren die Jesuiten nach dem Sieg der Kaiserlichen in Belgrad eingezogen, das bis 1740 österreichisch bleiben sollte. Sie gründeten eine Pfarrei und bauten eine Kirche, für die sie aus Passau eine Kopie des Gnadenbildes vom Mariahilfberg brachten. Als die Österreicher und mit ihnen die Jesuiten Belgrad räumten, gelangte das Gnadenbild nach Peterwardein. Bis1868 wurde es in der Wohnung des Pfarrers aufbewahrt, dann in der Pfarrkirche und seit 1881 auf dem gleichen Altar mit dem Gnadenbild von Maria Schnee in der neuen Kirche. Seitdem hieß es, im Unterschied zu „Unserer Lieben Frau vom Schnee“ meist „Unsere Liebe Frau von Belgrad“. Ein weiteres Mariahilfbild befindet sich in der Wallfahrtskirche von Brezje bei Laibach/Ljubljana in Slowenien. (Rudolf Grulich)

 

Das Gnadenbild von Maria Radna

Der Kelch der katholischen Pfarrkirche Sackelhausen mit dem Mariahilfbild

Der Kelch der katholischen Pfarrkirche Sackelhausen mit dem Mariahilfbild

 

Der Mariahilfkelch aus Sackelhausen

 

Fast 230 Jahre lang befand sich einer der wertvollsten Kelche des Banats im Besitz der katholischen Pfarrgemeinde von Sackelhausen. Kein zweites Schwabendorf konnte eine solche Kostbarkeit vorweisen. An der Kuppa des Kelchs prangt an vornehmster Stelle das Gnadenbild Mariahilf, vor dessen Passauer Vorbild Kaiser Leopold I. um die Rettung Wiens vor den Türken gebetet hatte und dessen Kopien nach 1683 ganz Europa überfluteten. Flankiert wird das Bild der Gottesmutter mit dem Jesuskind von den beiden Ordensheiligen Franz von Assisi und Antonius von Padua. Die drei Medaillons auf dem Fuß des Kelchs stellen Szenen aus dem Leben des hl. Johannes von Capestrano dar, dessen aktiver Einsatz vor allem der Sieg über die Türken bei Belgrad 1456 zu verdanken ist. So beschreibt es Bischof Martin Roos in seinem Buch zur Geschichte der Wallfahrtskirche Maria Radna. Wann und wie dieser wertvolle Kelch nach Sackelhausen gekommen ist, bleibt aber ein Rätsel. Der Pfarrchronik nach, soll der Franziskanerpater Joachim Grantner aus dem Katharinenkloster zu Temeswar ihn 1766 während der Besiedlung nach Sackelhausen gebracht haben. Doch konnte dieser wertvolle Silberkelch frühestens 1778 durch den Ex-Jesuiten Joachim Hödl, einem Steyrer aus Graz, nach Sackelhausen gekommen sein.

Das Mariahilfbild in Form eines Emailmedaillons will genau das Original Cranachs widerspiegeln: unübersehbar ist der dünne Schleier, der den Kopf der Gottesmutter und des Jesuskindes überdeckt. Bis 1990 befand sich dieser Mariahilfkelch in Sackelhausen, nach der Auswanderung der letzten deutschen Bewohner des Ortes kam er in die Schatzkammer des Temeswarer Domes und im Herbst 1995 in das Diözesanmuseum, wo er auch heute noch zu sehen ist.

 

Jahrmarkt: eine wertvolle Kopie des Mariahilfbildes Cranachs

Jahrmarkt: ein altes Mariahilfbild (18. Jh.)

Sathmar: Devotionalienkopie des Gnadenbildes aus Landshut

 

Die Jahrmarkter Mariahilfbilder

 

Was man über viele Jahre als ein originales Lucas-Cranach-Bild gehalten hat, ist eigentlich eine wertvolle Kopie des Mariahilfbildes aus dem 19. Jahrhundert. In der katholischen Kirche von Jahrmarkt hatte es seinen Platz am Marienaltar. Dieses Marienbild ist viel größer als das Original, mit einem ganz anderen, vergoldeten Hintergrund, auf Holz gemalt, gegen Sprünge auf der Rückseite mit einem Holzgitter gut abgesichert. Bischof Martin Roos stellte fest, dass weder in den Pfarrakten, noch im Diözesanarchiv über die Herkunft dieses Bildes berichtet wird.

In einem Inventar aus dem Jahre 1768 wird aber festgehalten, dass in der alten Holzkirche sich u.a. auch ein „Maria Hülft Bild unterglasbefindet. In einem weiteren Verzeichnis wird dasselbe Maria Hülft Bild“ bereits mit einem „schwartz gebaitzten Ramen unter glaß genannt. In einem weiteren Inventar aus dem Jahre 1777 werden gleich drei Mariahilfbilder aufgelistet: „1 Maria Hülft Bild in schwartz gebaitzer Ramen unter glaß, mit einer Cron vergoldet, sambt angehäng, welches bestehet in vier Species Thaler, oder 2 Gulden Stuck, zwey 20ger, Ein Silbernes Capsel mit verschiedenen anderen 5 Silbernen Creutzlein, Ein Herzl Deto 1 Maria Hilf Bild in blau glasirten Ramen, Ein Bild Maria Lands Hut (!) genant, in Eichener Ram, ober dem Sacristey Kasten.Ein solches Landshuter Marienbild befindet sich heute im Dom zu Sathmar, das vermutlich im 18. Jahrhundert von den deutschen Kolonisten (Sathmarer Schwaben) mitgebracht wurde. Es handelt sich dabei um eine Devotionalienkopie des so genannten Marienbildes „Unsere liebe Frau mit dem geneigten Haupte“ aus der Landshuter Ursulinenkirche.

Um 1995 konnte ein altes Mariahilfbild auf dem Kasten des Blasebalgs auf der Orgelempore entdeckt werden, das eine Kopie des Mariahilfbildes darstellt. Leider ist es durch die schlechte Lagerung sehr beschädigt und die Ölfarben waren teilweise schon abgeblättert. Ob es sich dabei um ein Mariahilfbild aus dem alten Inventar aus dem Jahre 1777 handelt, ist nicht sicher. Es stellt aber einen weiteren Beweis dar für die Verehrung und die Verbreitung dieses Marienbildes im Banat.

 

Lugosch: Katholische Pfarrkirche (Minoritenkirche)

Großscham: Mariahilfbild

Nero: Mariahilfbild

Kleinbetschkerek: gekröntes Mariahilfbild mit Votivbeigaben

Deutschsanktpeter: Mariahilfbild (um 1850)

Glogowatz: Mariahilfbild (19. Jh.)

 

Mariahilfbilder in anderen Banater Kirchen

 

Von den vielen Mariahilfbildern im Banat sollen hier nur einige als Beispiel dargestellt werden. So befindet sich im Chorraum der Lugoscher Minoritenkirche ein weiteres Mariahilfbild aus dem 18. Jahrhundert, das vermutlich vom lokalen Künstler Ferdinand Schiessl stammt. Es ist das größte Mariahilfbild im Banat und wurde mit zwei silbernen Kronen geschmückt. Das blaue Kleid und der rote Mantel, der hauchdünne Schleier und das wallende Haar der Gottesmutter bilden stets bei allen Mariahilfbildern eine unverkennbare Konstante. Und trotzdem handelt es sich bei vielen kunstvoll erarbeitete Kopien um kleine Meisterwerke, bei denen nicht selten der Maler auch eigene Ideen verwirklicht hat. (Rodica Vârtaciu-Medelet)

Das Mariahilfbild in der katholischen Kirche von Großscham ist zwar gekrönt, doch weist es eine schlichte Naivität auf. Der Maler konzentrierte sich in erster Linie auf die wichtigen Merkmale der Kopie: Kleid, Mantel, Schleier, usw. Ähnlich naiv ist auch das Mariahilfbild in der katholischen Kirche von Nero, das vermutlich von einem Freizeitmaler stammt: der Schleier ist etwas grob ausgefallen und das Bild ist seitenverkehrt. Im unteren Teil des Bildes vermerkte der Maler sogar den Titel des Bildes: „Maria hilff“.

Ähnlich wie das Mariahilfbild in der Sakristei der Temeswarer Katharinenkirche ist auch jenes in der katholischen Kirche von Kleinbetschkerek in einer Glaskassette aufbewahrt, reich geschmückt mit Blumengirlanden, Bändern und gekrönt. Vermutlich stammt dieses Bild aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts.

Das Mariahilfbild in Deutschsanktpeter wurde leider seiner beiden Kronen beraubt, die auf den Häuptern der Gottesmutter und des Jesuskindes angebracht waren. Es stammt etwa aus dem Jahre 1850. Eine ähnliche Größe hat auch das Mariahilfbild aus Aradsanktmartin, das im Jahre 1859 von Georg Engelhardt gestiftet wurde. Die eigenwilligen Veränderungen des Malers (Heiligenschein, Sternenkranz, u.a.) sind unverkennbar.

Die beiden Mariahilfbilder in Glogowatz und Wiseschdia weisen einige Gemeinsamkeiten auf: der Maler hat der Gottesmutter und dem Jesuskinde jeweils eine Krone auf das Haupt gemalt und dem Stil nach müssen sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert entstanden sein. Hier merkt man nicht nur die künstlerische Distanz zum originalen Mariahilfbild, sondern auch eine veränderte theologische Einstellung in der Marienverehrung.

 

Temeswar, Domkirche: Mariahilfbild (18. Jh.)

Temeswar, Domkirche: Mariahilfbild (18. Jh.)

Temeswarer Domkirche

 

Mariahilflieder

 

Eines der ältesten Mariahilflieder ist Jungfrau, wir dich grüßen, das bei allen Wallfahrten der Banater Schwaben und Donauschwaben einen ersten Platz eingenommen hat. Ein Vorsänger konnte die einzelnen Verse vorsingen und die Wallfahrer antwortete mit dem Ruf „o Maria, hilf!“. Meist wurde es bei der Ankunft in Maria Radna gesungen, beim Einzug in die Kirche: „Jungfrau, wir dich grüßen, o Maria, hilf! / Fallen dir zu Füßen, o Maria, hilf! / O Maria, hilf uns all, / hier in diesem Jammertal.Dieses Lied haben die deutschen Kolonisten bereits im 18. Jahrhundert ins Banat mitgebracht. Es erschien im Jahre 1770 im Mainzer Gesangbuch und kann seitdem in vielen Gebet- und Gesangbücher wie auch in Kantorenheften der Donauschwaben gefunden werden. U.a. erscheint es 1880 im Kantorenbuch der Gemeinde Traunau und 1924 hat es Jakob Leh in sein Gesangbuch Laudate Dominum aufgenommen, das in Neusatz/Novi Sad erschienen ist, aufgenommen.

Im selben Buch finden wir auch das Lied Maria, immer hilf!, dessen Text einen besonderen Bezug zum Mariahilfbild hat:

 

Ein Bild ist mir ins Herz gegraben,

ein Bild, so schön, so wundermild,

ein Sinnbild aller guten Gaben,

es ist der Muttergottes Bild. (…)

So oft ich auf das Bild nur schaue,

der Mutter sanftes Angesicht,

sagt mir mein Herz: o Christ vertraue,

denn dich verlässt Maria nicht.

 

Ein weiteres Wallfahrtslied stellt das Mariahilfbild in den Blickpunkt:

Geleite durch die Wellen

das Schifflein treu und mild,

zur heiligen Kapelle,

zu deinem  Gnadenbild!

Und hilf ihm in den Stürmen,

wenn sich die Wogen türmen.

Maria, Maria, o Maria, hilf!

 

Die donauschwäbischen Wallfahrer sangen dazu jene Melodie, die von Caspar Aiblinger stammt und bereits 1882 in Elek verzeichnet ist.

Franz Limmer (1808-1857), der aus Wien stammte und viele Jahre an der Temeswarer Domkirche als Kapellmeister wirkte, komponierte zum bekannten Text des Marienliedes Lenke unserer Seelen Sehnsucht eine Melodie, die in einem Autograph mit dem 6. Mai 1855 datiert ist. Es könnte sein, dass er dieses Lied in Verbindung mit dem Mariahilfbild, das sich in der Temeswarer Domkirche befindet, komponiert hat. Dieses Mariahilfbild befindet sich auf einem linken Seitenaltar, ist mit vergoldeten Strahlen versehen und dem Marien-Monogramm, zwei Engeln halten darüber eine Krone. In einer der vielen Strophen wird auch für das Kaiserhaus gebetet:

 

Maria, deiner Milde

befehlen wir das Reich,

O, sei´s ihm zum Schilde,

dem Friedenswaffenreich.

Den ahnenfrommen Kaiser,

lass herrschen mild und tapfer,

Maria, o Maria hilf!

 

Das bekannteste Mariahilflied ist aber Meerstern, ich dich grüße, dessen Text bereits im 17. Jahrhundert in Köln bekannt war und dessen älteste Banater Abschrift in Pantschowa/Pancevo mit dem Jahre 1860 datiert ist. Auch dieses Lied wurde oft bei Wallfahrten gesungen, da der Vorsänger die einzelnen Strophen anstimmte und die Pilger mit dem Kehrvers O Maria, hilf!“ antworteten.

Der Banater Kantorlehrer Josef Schweininger (1885-1976) komponierte im Jahre 1930 seine Wallfahrtsmesse für die römisch-katholische Glaubensgemeinschaft Schag… ehrfurchtsvoll gewidmet der Gnadenmutter zu Maria Radna“. Diese enthält auch das Mariahilflied Erhöre, Mutter, meine Grüße mit dem Refrain „Maria hilf! Maria, Mutter Gottes, hilf!“.

Das letzte uns bekannte Mariahilflied das im Banat entstanden ist, stammt aus der Zeit der Russlanddeportation und wurde u.a. in der Kirche von Blumenthal 1947 oft gesungen. Dies war die schrecklichste Zeit für die deutsche Bevölkerung Rumäniens:

 

1. Maria, hör uns klagen, o Maria, hilf,

und immer wieder sagen, o Maria, hilf.

(Refr.) So fleh´n wir allzumal

in diesem Tränental,

gedrückt von Not und Qual,

Maria hilf, o hilf!

2. Blick mild auf deine Kinder, o Maria, hilf,

du Zuflucht aller Sünder, o Maria, hilf! (Refr.)

 

Zum Schluss nochmals einen Blick auf den Text des zum Beginn dieser Zeilen genannten Marienliedes, das in seinen Strophen vielleicht die schönste Beschreibung des Mariahilfbildes enthält:

 

1. Kennt ihr das Bild, dort am Altar,

so mild, so freundlich, wunderbar.

Maria ist´s, die Himmelsbraut,

die huldvoll auf uns niederschaut.

O schaue nieder, liebes Bild,

von dem Altare himmlisch mild,

bis dich, o holde Himmelsbraut,

einst unser Auge oben schaut. (…)

2. Dies Bild so himmlisch, mild und gut,

entflammt das Herz zur Andachtsglut. (…)

3. Ich trag im Herzen fromm ein Bild,

das ist so süß, so hold, so mild,

dass ich es immer gern beseh´,

und oft vor ihm betrachtend steh. (…)

 

Mariahilfbild in der Katharinenkirche, Temeswar

Mariahilfbild in der Josefstadt, Temeswar

Wiseschdia: Mariahilfbild, 19. Jh

 

Literatur

Marin Roos: Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas, Schnell & Steiner, Regensburg 1998

Martin Roos: Erbe und Auftrag. Die alte Diözese Csanád, Band I, 2b, Temeswar 2012

Béla Schiff: Unser Alt-Temesvar, Temeswar 1937

Béla Schiff: Die 150jährige Temesvar-Josefstädter Pfarre, Temeswar 1925

Norbert Möller: Das Mariahilf-Bild im Dom zu St. Jakob in Innsbruck, Innsbruck 2000

P. Waldemar Posch SDS: Wallfahrtskirche Mariahilf in Wien, Salzburg 1965

Tibor Lichtfuss: Das Gnadenbild von Maria-Radna, (Typoskript) Innsbruck 1973

Reingard Weidl: Wallfahrtskirche Maria Gern, Salzburg 2003

Günther Friedmann: Tirol in Rumänien. Gründung und Entwicklung, Sindelfingen 2012

Erwin Josef Tigla (Hrsg.): Heimat war ihm alles. Tibor Lichtfuss und das Banat, Reschitza 2008

Franz Metz: Das Kirchenlied der Donauschwaben. Eine Dokumentation des Kirchenliedes der deutschen Katholiken Südosteuropas, München 2008

Rodica Vârtaciu-Medelet: Barock im Banat. Eine europäische Kulturlandschaft, Regensburg 2012

Einige der Fotos stammen von Architekt Mihai Botescu, Temeswar.

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2014

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