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EDITION MUSIK SÜDOST

DIE HYMNEN DER BANATER SCHWABEN

Zur Entstehungsgeschichte und Rezeption der Hymnen der Banater Schwaben

Von Dr. Franz Metz

 

Eine Hymne soll die Identität eines Volkes oder einer Volksgruppe in Text und Musik darstellen. Seit vielen Jahren beschäftigt mich die Problematik unserer heutigen so genannten „Schwäbischen Hymne“. Obzwar bisher zahlreiche Aufsätze darüber verfasst wurden, fehlten bisher darüber musikhistorische Belege und Quellen. Die meisten dieser Texte berufen sich auf mündliche Überlieferungen oder auf Berichten von Landsleuten. Nach 1990 konnte ich im Rahmen von mehreren Forschungsprojekten im Banat Teile aus dem Bestand des Archivs des Deutschen Banater Sängerbundes entdecken: Korrespondenzen, Manuskripte, Konzertprogramme, Einladungen und viele Protokolle von Sitzungen. Daraus ist deutlich erkennbar was, wann und wo die knapp 100 Chöre des Sängerbundes gesungen haben. In knapper verständlicher Form möchte ich über die Entstehung der beiden Chöre Heil dir, mein Heimatland und Mein Heimatland, Banaterland berichten. Dabei ist mir in erster Linie die hermeneutische und musikhistoriographische Sichtweise von größter Wichtigkeit.

 

„Gruß an Deutschland“

 

Die Melodie der heutigen Hymne der Banater Schwaben besteht aus der Melodie der ehemaligen Preußischen Hymne (Heil dir im Siegeskranz), heute jene der englischen Königshymne (God Save the Queen, vormals God Save the King), ehemals auch die der Schweiz. Sie soll um 1742 vom englischen Komponisten Henry Carey (1689-1743) gedichtet und komponiert worden sein, was bisher aber nicht belegt werden konnte. Als Hymne wurde sie erst in den 1790er Jahren während des Krieges der Engländer unter König George III. gegen Napoleon berühmt.

Sowohl die Melodie als auch der ursprüngliche Text der heutigen Hymne der Banater Schwaben haben mit der Identität und Geschichte dieser deutschen europäischen Volksgruppe und Minderheit wenig zu tun. Eigentlich durch einen Zufall und aus Unkenntnis der Banater Kulturgeschichte kam es zu dieser teils peinlichen Situation, die bis heute nicht korrigiert wurde. Zur Entstehung dieses Missgeschicks erschienen bisher mehrere Berichte, u.a. von Dr. Anton Peter Petri (Einige Bemerkungen zu unserer „Schwäbischen Hymne“, in: Banater General-Anzeiger vom 16. April 1993, Temeswar), der sich auf die ersten direkten Quellen von Gottfried Fittbogen (1878-1941) bezieht (Die Verbreitung der Schwäbischen Hymne im Banat, in: Südostdeutsche Forschungen, Bd. II, München 1937, S. 394-396) wie auch auf jene von Erwin Schiller (1887 Temeswar-1975 Linz) (Woher stammt die Schwäbische Hymne?, in: Banater Deutsche Zeitung, Jg. 18, Nr. 225, vom 4.10.1936). Außerdem sind noch viele andere mehr oder weniger glaubwürdige Aufsätze darüber erschienen, was besonders im Internet verfolgt werden kann.

Nach der Teilung des Banats durch den Zerfall der Österreich-Ungarischen Doppelmonarchie nach dem ersten Weltkrieg und infolge des Vertrags von Trianon vom 4. Juni 1920, suchten die nun getrennten und zerrissenen schwäbischen Volksgemeinschaften in Rumänien, Jugoslawien und Ungarn nach neuen Möglichkeiten, ihre eigene Identität zu definieren und ihren politischen Status in den neuen staatlichen Strukturen zu finden. Für die Banater Schwaben fand der erste große politische Akt am 8. und 9. September 1923 in Temeswar statt, als man das 200-jährige Jubiläum seit der Ansiedlung festlich begangen hat: in der Banater Metropole versammelten sich über 50.000 Deutsche aus 100 Banater Ortschaften, mit 40 Musikkapellen und 30 Gesangvereinen, den rot-goldenen schwäbischen Fahnen, zahlreichen Themenwagen die in einem großen Festzug zum Domplatz marschierten. Man verglich damals diesen Aufmarsch mit jenem des Münchner Oktoberfestes. Am Ende der feierlichen Festversammlung vom 8. September 1923 bei prächtigem Spätsommerwetter im städtischen Sommerkino, sangen alle die „Hymne des Deutschtums in Großrumänien“, Heil dir, mein Heimatland.

Der Text dieser Hymne stammt von Maximilian Leopold Moltke (1819 Küstrin - 1894 Leipzig), verfasst 1842-43 im siebenbürgischen Kronstadt. Von ihm stammt auch der Text der Hymne der Siebenbürger Sachsen: Siebenbürgen, Land des Segens. Der vollständige Text dieses „… langatmigen, stellenweise überspannten“ Gedichts (nach Dr. A. P. Petri) ist wie folgt:

 

Gruß an Deutschland

 

Heil dir, o Vaterland! / Heil dir, du deutsches Land, / Von Ort zu Ort! / Ewig aus deinem Schoß / Zeuge, was hehr und groß, / Rag´ auch im Kriegsgetos / Ein Friedenshort!

 

Heil dir, o Brüdervolk! / Heil dir, du deutsches Volk, / Von Herd zu Herd! / Nimmer um Weltgewinn / Gib deinen Biedersinn, / Gib du die Treue hin, / Die dich verklärt!

 

Du aller Völker Stern, / Des Weltteils Mark und Kern, / Sei Herzblut du! / Ströme in rascher Flut / All deinen Heldenmut, / All deine Freiheitsglut / Ringshin ihm zu!

 

Du leuchtend Volk der Welt! / Du Volk, so hochgestellt / In Gottes Gunst! / Frei von des Wahnes Haft, / Siegreich durch Armes Kraft / Mächtig durch Wissenschaft, / Blühend durch Kunst.

 

Mich reißt Begeist´rung hin, / Dass ich ein Deutscher bin / An Seel´ und Leib; / Dass, wenn auch schmerzensmatt / Auf armer Lagerstatt, / Einst mich geboren hat / Ein deutsches Weib.

 

Ha! Wie mich Stolz erfasst. / Ha! Wie vor Sangeshast / Das Wort mir fehlt. / Dass ich ein deutscher Mann / Deutschland gehören an, / Reden und singen kann / Urdeutsch beseelt!

 

Lasset uns Deutsche sein, / Ein großer Volksverein / Für Pflicht und Recht! / Hochhalten immerdar, / Was gut und schön und wahr, / Als freie Gottesschar / Niemandes Knecht!

 

Ja, einen heil´gen Eid / Schwört, die ihr Deutsche seid, / Deutsch hofft und glaubt! / Handschlag darauf und Kuss: / Ewigen Bundesschluss! / Ein Volk aus einem Guss! / Ein Herz! Ein Haupt!

 

Aus diesem Gedicht hat der aus Siebenbürgen stammende Senator Wilhelm Traugott Kopony (auch Copony, 1868 Rosenau - 1939 Temeswar) die Vorlage der späteren „Schwäbischen Hymne“ geschaffen. Wie dies geschehen ist, berichtet Gottfried Fittbogen so:

 

„Als nun nach dem Kriege die deutsche Bewegung bei den Schwaben zum Durchbruch kam, trat er kräftig in die Arbeit ein und wurde bei den ersten Parlamentswahlen in Großrumänien als Vertreter der Banater Schwaben in den Senat gewählt. Als Mitarbeiter in dieser Bewegung verhalf er auch den Schwaben zu einer Volkshymne.

Für die Versammlungen, die damals vielfältig im Banat abgehalten wurden, war ein Gemeinschaftslied erwünscht. Aber, woher es nehmen? Da griff Kopony auf dieses Lied zurück, das ihm von früher her, und zwar aus Siebenbürgen, bekannt war und machte es den Schwaben bekannt.

Woher aber kannte er es?

Er kannte es seit Jahren. Spätestens seit dem September 1915. Am 9. September 1915 nämlich wurde dieses Lied in der Siebenbürgisch-Deutschen Tagespost (Nr. 208) abgedruckt… Dieses Gedicht machte auf Kopony einen nachhaltigen Eindruck. Nach fünf Jahren stellt es sich zur passenden Stunde wieder bei ihm ein.

Es war um die Jahreswende 1919-20. Kopony war Weihnachten 1919 aus Bukarest zum Parlamentsurlaub nach Hause (nach Waldau) gekommen. Hier erhielt er eine Einladung für den Kulturabend in Moritzfeld, der am 24. Januar 1920 stattfinden sollte. Es fehlte jedoch ein Gemeinschaftslied, in dem alle Teilnehmer des Kulturabends sich als Deutsche zusammenfinden konnten.

Da fiel ihm Moltkes Lied ein. Zwar fehlte die Melodie dazu. Aber siehe, man konnte es auch nach der Melodie „Heil dir im Siegeskranz“ singen; diese Melodie war allgemein bekannt. Er ließ nun den Text – unter Verkürzung auf fünf Strophen – ungefähr zwanzigmal mit der Schreibmaschine abschreiben und hatte damit die Grundlage zur Einführung des Liedes geschaffen. In Moritzfeld wurde das Lied mit großer Begeisterung aufgenommen, in ein bis zwei Stunden konnten es alle anwesenden Teilnehmer mitsingen. Von hier aus verbreitete es sich im ganzen Banat – ein Zeichen, dass es dem Volk willkommen war. Moritzfeld ist also der Ausgangsort des Liedes, der 24. Januar 1920 sein Geburtstag als Volkshymne.

Beschleunigt wurde die Verbreitung durch Handzettel. Senator Kopony selbst sang an manchem Bankett die Strophen vor und half so, die Melodie bekannt zu machen.

Bei der Zweihundertjahrfeier im Jahre 1923 wurde das Lied schon als Volkshymne gesungen und hat sich seitdem eingebürgert.

Das Lied, das mit den Handzetteln verbreitet wurde, hieß „Bundeslied der Deutschen Großrumäniens“ und hatte fünf Strophen, die aus den 8 Strophen des „Gruß an Deutschland“ zusammengezogen sind…

Bei der weiteren Verbreitung sind dann noch zwei Strophen, die zweite und die vierte, ausgeschieden, so, dass das Lied heute nur drei Strophen umfasst…“

 

Von diesen fünf Strophen wurde die erste, dritte und fünfte zur späteren „Schwäbischen Hymne“:

 

Wohl dir, mein Heimatland!!

Wohl dir, du schönes Land,

Von Ort um Ort!

Ewig zu Gottes Ehr

Zeuge, was groß und hehr,

Rage von Fels zum Meer

Der Freiheit Hort!

 

Mich reißt Begeist´rung hin,

Dass ich ein Deutscher bin

An Seel´ und Leib;

Dass, wenn auch schmerzensmatt

Auf armer Lagerstatt,

Einst mich geboren hat

Ein deutsches Weib.

 

Lasset uns Deutsche sein,

Ein großer Volksverein

Für Pflicht und Recht!

Hochhalten immerdar,

Was gut und schön und wahr,

Als freie Gottesschar

Niemandes Knecht!

 

Die aktuelle Hymne der Banater Schwaben Heil dir, mein Heimatland musste 1997 obligatorisch in das Banater Chorbuch an erster Stelle aufgenommen werden, gefolgt von der „inoffiziellen“, aber viel beliebteren Hymne Mein Heimatland, Banaterland von Josef Linster und Peter Jung. Die Harmonisierung stammt vom Komponisten Walter Michael Klepper. Der aktuelle Text der ersten Strophe wurde wie folgt geändert:

 

Heil dir, mein Heimatland!

Heil dir, Banaterland!

Heil Ort um Ort!

Ewig zu Gottes Ehr´,

Zeuge was groß und hehr,

Rage von Fels zu Meer

Der Freiheit Hort.

 

Schon der Text der ersten Strophe hat keinerlei Bezug zum Banat: „… rage von Fels zum Meer…“ Aus Unkenntnis der Banater Musikkultur soll dieses Lied in der Zwischenkriegszeit in Banater Schulen viel gesungen worden sein. Mit den ersten Banater Landsleuten, die während des zweiten Weltkrieges in der deutschen Armee dienten und in Deutschland blieben und durch den Zuzug der ersten Aussiedler und Spätaussiedler aus dem Banat, sang man weiterhin dieses Lied bei allen offiziellen Veranstaltungen der Landsmannschaft der Banater Schwaben.

Untersucht man die uns erhaltenen Repertoirelisten der Banater Chöre zwischen 1920-1944 (diese konnten erst nach der Wende 1990 entdeckt werden), kann man beobachten, dass dieses Lied bei Festlichkeiten meist als Hymne der Deutschen Großrumäniens intoniert wurde, nachdem man die rumänische Königshymne abgesungen hat. In vielen Fällen sang man aber nicht diese „Schwäbische Hymne“, sondern einen Chor mit deutschnationalem Charakter. Dem gegenüber finden wir den Chor von Jung/Linster Mein Heimatland auf sehr vielen Programmen.

Die heutige Generation der Banater Deutschen – sowohl in Deutschland wie auch in Rumänien – kann sich mit der Hymne Heil dir, mein Heimatland nicht mehr identifizieren. Besonders in der Zeit des Nationalsozialismus wurde diese Hymne im Banat oft gesungen und selbst in den deutschen Schulen bis 1944 gelehrt – gefördert durch die Politik und deren Repräsentanten jener Zeit. Und wir wissen, wohin das geführt hat.

Es ist außerdem ein trauriges Zeugnis von kultureller Armut, wenn ein Volk keine Hymne vorzeigen kann, die von Dichtern und Komponisten aus den eigenen Reihen geschaffen wurde. So kommt es auch heute immer zu peinlichen Situationen, wenn deutsche Politiker zu Veranstaltungen eingeladen werden und auf einmal erkling die Musik der englischen Königshymne, getarnt als „Banater Hymne“. Es ist dies die peinlichste Hymne aller deutschen Minderheiten in Europa. Trotz mehrerer Interventionen war man bisher nicht gewollt und nicht imstande dies zu ändern. Dabei muss bemerkt werden, dass die meisten Hymne von Nationen oder Ethnien sich der jeweiligen Zeit angepasst haben – siehe dies am Beispiel der heutigen Hymne der Bundesrepublik Deutschland. Nur so kann eine Hymne auch die Identität der Menschen dieser Zeit darstellen.

Mehrere Berichte von Zeitzeugen, die dem Verfasser dieser Zeilen vorliegen, stellen auch die Darstellungen von Gottfried Fittbogen in Frage. So berichtet ein früher in Warjasch tätiger Lehrer wie folgt: „Zwar hat der Autor des Liedes Heil dir mein Heimatland nicht für einen Herrscher „geheilt“, jedoch geht der Text am Verständnis eines Banaters vorbei (von wegen Fels und Mehr, ein Volk aus einem Guss, usw.). Wohl kann man auch verstehen, dass der Autor von der quasi revolutionären deutschtümelnden Welle ergriffen war, aber schon die zweite Generation der „Erzschwaben“ hat in den 30er Jahren mit Blickt auf das Deutsche Reich bereits anderen Idealen gehuldigt. Mir, der ich zwischen 1935-44 in der Banatia erzogen wurde, ist nicht bekannt, dass wir dieses Lied von unseren bestimmt deutschgesinnten Professoren jemals erlernt haben… Wohl jedoch ist und Linsters „Mein Heimatland“ zumindest bekannt und mit dem Text Peter Jungs können wir uns echt identifizieren…“

 

Und trotzdem: in vielen Konzerten und bei vielen Chorfesten des Banater Deutschen Sängerbundes in den Jahren 1922-1940 hat man auch den Chor Mein Heimatland, Banaterland von Josef Linster und Peter Jung gesungen. Die Musik dieses Chores wie auch dessen Text war bei den Banater Schwaben nicht nur sehr beliebt, sondern wurde von vielen Musikern und Chorleitern bevorzugt. Darin fanden die meisten Landsleute mehr Authentizität, mehr Gefühl, mehr Wärme und viel mehr von ihrer eigenen Identität wieder.

 

Mein Heimatland, Banaterland

 

Das Lied Mein Heimatland, Banaterland (original: Mein Heimatland) stammt aus der Feder des Dichters Peter Jung (1887-1966 Hatzfeld) und wurde von Josef Linster (geb. 29. Januar 1889 Sackelhausen, gest. 19. Juli 1954 Grieskirchen / Österreich) vertont. Sowohl Text wie auch Melodie entstanden in Hatzfeld: Peter Jung wirkte hier als Zeitungsredakteur und Schriftsteller, Josef Linster war Dirigent des Hatzfelder Gewerbegesangvereins.

 

Das Land, wo meine Wiege stand,

Wo Wohl und Weh mein Herz empfand,

Der junge Tag mir zugelacht,

Als ich in Mutters Arm erwacht,

Der Wachtel Schlag, der Lerche Sang

Mir in die zarte Seele klang

Und all der Fluren holdes Grün

Als eine Zauberwelt erschien:

Das Land, das ist das schönste Land!

O Heimatland! Banaterland!

Gott segne dich, der segnen mag,

Zu jeder Stund, an jedem Tag!

 

Und ist die Welt voll heitrem Glück:

Mich zieht es stets zu dir zurück;

Ich mag in dir, mag ferne sein,

Mit Lieb` und Sehnsucht denk` ich dein;

Ich steh zu dir in Freud und Leid,

Mein ganzes Sein ist dir geweiht,

Und sterb ich einst nach diesem Los,

Sei du mein zweiter Mutterschoß!

O Land, du allerschönstes Land!

Mein Heimatland! Banaterland!

Auf Erden ist kein Land dir gleich,

Als wärst du selbst das Himmelreich!

 

Obzwar dieses Gedicht zum ersten Mal 1927 in einer deutschen Zeitung veröffentlicht wurde (Kultur und Leben, 1/1927, Verlag Karl Hofer, Schorndorf, Württemberg) entstand es viel früher. Es hatte drei Strophen, wobei die erste mit folgenden Versen endete:

 

Gott segne dich, der segnen kann,

Er segne Kind und Weib und Mann!

 

Diese beiden Zeilen wurden später mit jenen der im Chor Josef Linsters nicht mehr vorkommenden zweiten Strophe ersetzt:

 

Wo unsre Väter hart geschwitzt

Und mancher Dorn ihr Herz geritzt,

Bis in der Welt von Sumpf und Rohr

Die erste Ähre spross hervor;

Wo jeder Pflanze, jedem Strauch

Entstieg des Todes giftger Hauch,

Bis ihn besiegte im Gefecht

Der Schwaben knorriges Geschlecht:

Das Land, das ist das schönste Land!

O Heimatland! Banater Land!

Gott segne dich, der segnen mag

Zu jeder Stund, an jedem Tag!

 

Dieses Gedicht ist in vielen Varianten mit kleineren und größeren Änderungen veröffentlicht worden. Bereits vom Banater Musiker Wilhelm Ferch wurde 1922 dieses Gedicht Peter Jungs für Männerchor vertont. Es ist anzunehmen, dass sich Josef Linster von dieser Komposition inspiriert hat, als er an seiner Vertonung gearbeitet hat, da viele musikalische Motive und Elemente in beiden Werken gleich sind. Jedenfalls hat sich die Fassung von Josef Linster im Banat verbreitet. In der Zwischenkriegszeit wurde dieses Werk bei vielen Konzerten und Festen gesungen. Im Jahre 1923 hat Josef Linster diesen Chor im Selbstverlag zusammen mit Liebesfeier (nach Nikolaus Lenau) unter dem Titel Zwei Männerchöre (Im Volkston) veröffentlicht und dem langjährigen Präses des Hatzfelder Gewerbe Gesangvereins, Anton Reichrath (1880-1943) gewidmet.

Der 1969 gegründete Temeswarer Schubert-Chor sang dieses Lied fast bei all seinen Auftritten und hat somit zwei Generationen geprägt. Im Jahre 1971 hat Andreas Porfetye dieses Werk in seine Chorsammlung Deutsches Liedgut aus dem Banat, Siebenbürgen und dem Sathmarer Land aufgenommen. Auch in Deutschland wird dieses Werk heute noch von den meisten Banater Chören gesungen und erklang schon öfter beim großen Heimattreffen in Ulm.

Sowohl textlich als auch musikalisch ist dieses Chorwerk nicht nur ein Heimatlied sondern trägt auch den Charakter einer Hymne: Musik und Text erleben vom Beginn bis zum Ende jeder Strophe eine Steigerung, der Schluss ist nicht nur aufbauend sondern auch zu Herzen gehend. Text und Musik sprechen jeden Deutschen des Banats an. Es gibt kein anderes Chorwerk Banater Komponisten, das besser für eine Hymne der Banater Deutschen geeignet wäre. Sowohl Dichter und Komponist kommen aus den Reihen dieser Minderheit.

Diese Komposition wurde ursprünglich für Männerchor geschrieben, später für gemischten Chor (a capella) und für großes Orchester umgearbeitet. Es besteht auch die Möglichkeit, dieses Werk für Streichquartett oder für Blasorchester zu bearbeiten.

Verblüffend waren schon die Aussagen des großen Musikwissenschaftlers, Päpstlichen Prälaten, Domkapellmeisters und Organisten Desiderius Járosy im Jahre 1922 über den Chor Mein Heimatland, Banaterland von Wilhelm Ferch…

 

Zur Rezeption des Gedichtes und Liedes „Mein Heimatland“

Falsche Vorurteile gegen das Werk von Peter Jung und Josef Linster

Von Nikolaus Horn

 

Der folgende Text erschien in der Banater Post (Jg. 51a, Nr. 12 v. 20.06.2006, S. 4-5) anlässlich des 40. Todestages von Peter Jung und enthält interessante Daten zur Verbreitung dieses Liedes in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg, die bisher unbekannt waren. Wir erfahren aber auch einige wichtige Informationen zur Entstehung dieses Gedichtes – diesmal aus primären Quellen. Nikolaus Horn hat uns diesen Text zur Verfügung gestellt, wofür wir ihm zu Dank verpflichtet sind.

 

Viele Banater Schwaben verbinden mit dem Namen Peter Jung den Schöpfer des Gedichtes Mein Heimatland, das ihnen als Liedtext wenigsten bruchstückhaft bekannt ist. Beherzte Schwaben und unerschrockene Siebenbürger Sachsen haben in einer schwierigen Zeit dazu beigetragen, dass diese Schöpfung nicht im Dunkel des Totschweigens versinke.

Einen Tag nach seinem 75. Geburtstag erreichte den Heidedichter in seinem Heimatstädtchen ein Schreiben, das dem Lyriker, der sich zu Unrecht in Vergessenheit geraten glaubte, das Herz höher schlagen ließ, aber auch den Vielgeprüften zu Vorsicht mahnte.

 

Stalinstadt, am 2. April 1957

Lieber Genosse Jung!

Auf Grund einer Empfehlung seitens des Genossen Johann Szekler, Dir. des Deutschen Staatstheaters in Temesvar, wenden wir uns hiermit mit der Bitte an Sie, uns das von Ihnen verfasste und von Josef Linster vertonte Heimatlied „Das Land wo meine Wiege stand“ zur Verfügung zu stellen. -

Das oben angeführte Lied benötigen wir für unsere festliche Eröffnungsvorstellung, welche voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Monats Mai l. J. zur Aufführung gelangt.

Wir danken Ihnen im voraus herzlichst für Ihre Bemühung und grüßen Sie auf das freundschaftlichste. -

Deutsches Ensemble für Lieder und Tänze,

Org. Leiter Kurt Nussbächer

 

Damit dieses Schreiben nicht nach einem flüchtigen Lesen einfach abgetan wird, sei es erlaubt, auf die Besonderheit der Situation aufmerksam zu machen. Nur vier Jahre nach Stalins Tod wollen in „Stalinstadt“ (Kronstadt, Braşov), der Stadt, die zur Huldigung des Diktators ihren althergebrachten Namen ändern musste, Siebenbürger Sachsen, die das Deutsche Ensemble für Lieder und Tänze gegründet haben, in ihrer ‚festlichen Eröffnungsvorstellung’ ein Schwabenlied darbieten. Heute würden wir sagen: Na und? – Damals war es ein Wagnis. Doch die geänderte politische Einstellung von höchster Warte aus erlaubte das, ja es wurde quasi gefordert. 1957 wurde Adolf Meschendörfer (Kronstadt) der Arbeitsorden I. Klasse und Stefan Jäger (Hatzfeld) der Arbeitsorden II. Klasse zu deren 80. Geburtstag verliehen. Ein Zufall, der die beiden Kulturzentren verband?

Peter Jung schätzt die Zeichen der Zeit wohl richtig ein, ist aber als gebranntes Kind vorsichtig genug, um sich nicht erneut zu exponieren und antwortet:

 

Lieber Genosse Nussbächer!

Ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens vom 2. d. M. und teile Ihnen zu Ihrer Orientierung folgendes mit:

Das „Heimatland“ wurde im Herbst 1921 geschrieben und schon vierundzwanzig Stunden nach seinem Erscheinen in der damaligen „Hatzfelder Zeitung“(34. Jg., 11.09.1921 – Anm. Verf.) von Josef Linster vertont. Es wurde mit Vorliebe sowohl im südslawischen als auch im rumänischen Banat gesungen. Da wir keine schwäbische Hymne hatten, die bei festlichen Veranstaltungen hätte vorgetragen werden können, griff man immer wieder auf das „Heimatland“ zurück, das so im Laufe der Jahre selber zur Hymne der Schwaben hüben und drüben (Rumänien und Jugoslawien) wurde und diesen Platz bis zum Tode Linsters eingenommen hatte. Seither aber ist das Lied im Banat verstummt und zwar aus folgenden Gründen:

Gelegentlich des Ablebens Linsters – er hatte seit seiner Flucht aus der Heimat im Herbst 1944 in Oberösterreich gelebt, wo er 1954 verschied – († 19.07.1954 Grieskirchen – Anm. Verf.), wurde nämlich auch in der hiesigen Pfarrkirche ein Trauergottesdienst abgehalten, an dessen Schluss die damals noch am Leben gewesenen Mitglieder des ehemaligen Hatzfelder Gewerbegesangsvereins, dessen Chordirigent Linster jahrelang gewesen, das „Heimatland“ vortrugen. Es geschah mit behördlicher Einwilligung und war gewissermaßen ein letzter Gruß an den Verstorbenen von seinen ehemaligen Getreuen.

Nun aber geschah folgendes:

Ein uns Schwaben grade nicht freundlich gesinnter Zeitgenosse, der auch an der Totenmesse teilgenommen hatte, erstattete gegen den hiesigen Pfarrer Michael Sauer die Anzeige, und zwar beschuldigte er ihn, in seiner Kirche das Absingen „hitleristischer Lieder“, worunter das „Heimatland“ gemeint war, zu dulden. Hierauf wurde das amtliche Verfahren eingeleitet und sowohl Pfarrer Sauer als auch ich, als Verfasser des Liedes, konnten uns nur so aus der Affäre herausziehen, indem ich Pfarrer Sauer eine Kopie der Linsterschen Originalkomposition mit dem Urtext aus dem Jahre 1921, als noch kein Mensch bei uns etwas von einem Hitler wusste, zu dem Zweck zur Verfügung stellte, das Tonwerk dem zuständigen Kulturministerium einzusenden, wozu ihn übrigens auch schon die zuständige Behörde aufgefordert hatte. In Bukarest war man dann freilich nicht so voreingenommen, wie jener Hatzfelder „Freund“ unseres Volkes und man fand selbstverständlich auch im Text nichts von den „hitleristischen Tendenzen“, die dieser darin entdeckt zu haben glaubte. Da es sich aber im Laufe der Untersuchung herausstellte, dass Linster auch ein Parteigänger Hitlers war, wurde das Lied seither nicht mehr gesungen, da sich in gewissen Kreisen Widerstände dagegen bemerkbar machten – eben wegen seines Komponisten.

Vielleicht wäre es Ihnen möglich, da Linster nun schon seit Jahren nicht mehr am Leben ist, wenigstens die Melodie des Liedes, wenn auch nicht seinen Tondichter in Bukarest rehabilitieren zu lassen, damit es wieder wie früher gesungen werden könne. Ich glaube, dass Sie sich dieser Aufgabe auf Grund beigeschlossenen Texte im Kulturministerium und auch bei der Partei mit Erfolg unterziehen könnten.

Für den Fall aber, dass man die Melodie des „Heimatlandes“ auch weiterhin ablehnen sollte, stelle ich Ihnen in der Beilage eine Vertonung des Liedes von dem gleichfalls schon vor Jahren verstorbenen schwäbischen Tondichter Wilhelm Ferch zur Verfügung. Desgleichen auch ein Verzeichnis der Textkorrekturen. Ferner übermittle ich Ihnen den heutigen Text des Liedes, dessen zweite Strophe seit jeher niemals gesungen wurde. Und schließlich lege ich Ihnen auch noch den Erstdruck des Liedes aus dem Jahre 1923 bei, der seinerzeit in Hatzfeld im Selbstverlag Linsters erschien.

Die beiden Druckbogen bitte ich umgehend wieder zurück.

Zum gelingen Ihres Vorhabens wünsche ich Ihnen den besten Erfolg.

Mit herzlichen Grüßen aus dem Banat!

Hatzfeld, den 8. April 195, Peter Jung.

 

Nach einem Monat des Wartens und der Ungewissheit erreicht Peter Jung eine knappe Nachricht.

 

Stalinstadt, 8 mai 1957

Lieber Genosse Jung!

Wir bestätigen den Erhalt Ihres Schreibens vom 8.v.M. und danken Ihnen herzlichst für Ihre wertvolle Unterstützung. –

Ihre Lieder haben wir in unsere Programmfolge aufgenommen und werden sie bei unserer festlichen Eröffnung vortragen.

In der Beilage retournieren wir Ihnen wunschgemäß die uns übersandten Drucksorten. –

Wir hoffen – gelegentlich unseres Auftretens im Banat, Sie auch persönlich kennen zu lernen.

Herzl. Grüße,

Kurt Nussbächer, Org. Leiter

 

Die positive Antwort auf die Frage (Brief 07.05.1957) „Gelang es Ihnen, die … Hindernisse zu überwinden?“ muss Peter Jung zwischen den Zeilen heraus lesen.

Dem Gedicht war damit noch lange nicht zum Durchbruch – zu einer Neuauflage – verholfen. In Bukarester Verlag für Literatur und Kunst (ESPLA) wird ab 1957 fieberhaft an einem Auswahlband der Gedichte des Heimatdichters gearbeitet. Nachdem das Manuskript ein zweites Mal der Pressedirektion (Zensur) vorgelegt wurde, um das nötige Visum (die Druckerlaubnis) zu erhalten, stand auf der Liste der zu streichenden Gedichte auch Mein Heimatland. Es ist in der Heidesymphonie (1961) trotz Proteste nicht wieder aufgenommen. Für uns – heute – sind dies Widersprüche, die untersucht werden sollten.

 

BILDDOKUMENTATION

 

Josef Linster

Peter Jung

Letzte Ruhestätte von Peter Jung

Josef Linster: Zwei neue Männerchöre. “Die Drei” und “Schilflied”, nach Nikolaus Lenau

Josef Linster: Des Sohnes Heimkehr

Josef Linster: Mein Heimatland

Josef Linster: Mein Heimatland (aus dem Archiv des Hatzfelder Gewerbe-Gesangvereins

CD-Produktion: Mein Heimatland, Banaterland (Konzert des Franz Schubert-Chores, Temeswar 1983)

 

Copyright © EDITION MUSIK SÜDOST, München, Dr. Franz Metz

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