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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Das Musikarchiv der Domkirche zu Sathmar

Zu Besuch in der Diözese Sathmar im Jahre 1995

von Dr. Franz Metz

 

Wer an einem eiskalten Januarabend den Bahnhof der Bischofstadt Sathmar (Rumänien, rum. Satu Mare, ung. Satmárnémeti) in Richtung Stadtmitte verlässt kann von dem ehemaligen, nur noch in Bruchteilen vorhandenen Glanz einer Großstadt, nur wenig mitbekommen. Nach einem Besuch im Dom, in der Kalvarienkirche oder in einem der vielen anderen Gotteshäuser wird der Besucher sofort umgestimmt: die alte Stadtmitte mit den klassizistischen und vom Jugendstil beeinflussten Fassaden, verleihen dieser ehemaligen Festung ein besonderes Aussehen.

Diese Tatsache wurde mir noch bewusster nachdem ich das alte, verstaubte Musikarchiv des Domes zu Gesicht bekam. Es handelt sich dabei meist um Werke des Cäcilianismus dessen Einfluss in der Kirchenmusik der Sathmarer Diözese wie auch in den anderen ehemaligen deutschen Kulturinseln tiefe Spuren hinterließ. Außerdem sind auch Handschriften und frühe Drucke des 18. und 19. Jahrhunderts aufzufinden.

Einer der bedeutendsten Domkapellmeister Ende des 18. Jahrhunderts war Giuseppe a Coupertino Schispiel, er selbst unterschreibt sich mit „Giuseppe a Cupertino Schispiel, Regenschori Cath. Sathmarensis“. Einige seiner Werke sind noch erhalten geblieben, es handelt sich dabei meist um Offertorien oder um kleinere Kompositionen wie z. B. Aria in Es-Dur, für Bass-Solo und Orchester oder die Motette Ecce quomodo moritur, für Chor und Orchester. Selbst eine handschriftliche Sammlung wertvoller Kirchenmusik aus Tschanad beinhaltet auch einige Werke von „Schiespiel József“. Biographische Daten von Schiespiel sind bisher noch nicht gefunden worden.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war Josef Nitsch als Chorleiter des Sathmarer Domes tätig. Dieser leitete auch einen deutschen Männerchor, einzelne Chorstimmen konnten im Archiv entdeckt werden: jedes Heft trägt die Unterschrift von „J. Nitsch“ und auf der Titelseite befindet sich je eine Strophe eines deutschen Gedichtes. Aus jener Zeit sind einige Briefumschläge des Herder-Verlags in Wien erhalten geblieben, mit der Anschrift „Wohlgeboren Herrn Josef Nitsch, Regenschori a. d. Cathedrale in Szatmár. Ungarn.“ Viele Partituren sind dem Siegel des Domchores versehen: „Chori Ecclesiae Cathedralis Szathmáriensis“. Unter den Musikalien befindet sich auch eine wertvolle Veröffentlichung, erschienen 1855 in Regensburg, deren Herausgeber war kein anderer als Karl Proske der eine der wichtigsten Handschriftensammlungen bereits vor über 150 Jahren zusammengetragen hat (befindet sich in Regensburg).

Über die Bedeutung der damaligen Sathmarer Dommusik wird man erst durch einen alten Druck aufmerksam: es handelt sich um (vermutlich) den Erstdruck des „Requiems“ von Wolfgang Amadeus Mozart aus dem Jahre 1806. Das Archiv enthält auch zeitgenössische Abschriften von Haydn-Messen, dabei wurde fälschlicherweise die Nikolai-Messe Joseph Haydns seinem Bruder Michael zugeschrieben. Auch eine in Druck erschienene Komposition des Fünfkirchner Domkapellmeisters Peter Schmidt befindet sich in diesem wertvollen Bestand. Dies deutet auch auf die einheitliche kirchenmusikalische Landschaft im ganzen donauschwäbischen Siedlungsgebiet hin.

Was wäre schon eine Dommusik ohne eine Domorgel. Und gerade an dieser ist es Not. Nach dem ersten Weltkrieg erbaute Otto Rieger aus Budapest ein dreimanualiges Instrument für die Bischofskirche, heute ist diese Orgel nicht mehr spielbar: nicht nur der schlechten pneumatischen Traktur sondern auch der billigen Konstruktion wegen. Domkantor Enyedi Ferenc muss deshalb seinen Dienst an einem provisorischen „Elektronium“ ausüben.

In den oberen Seitenräumen des Sathmarer Domes könnte ein bedeutendes Diözesanmuseum eingerichtet werden, die Ausstellungsgegenstände befinden sich bereits vor Ort. Schon vor einigen Jahrzehnten hatte man vermutlich ein solches Vorhaben im Sinn gehabt, aus den Räumen wurden aber Rumpelkammern: Ölgemälde, sakrale Gegenstände, festliche Ornate ehemaliger Bischöfe, Glocken, Votivbilder, alte historische Fotos und noch viel mehr, alles verstaubt und durcheinander. Dem Besucher fällt zu aller erst ein größeres Ölgemälde auf, welches in einer Ecke, verdeckt von alten Bilderrahmen, liegt. Es handelt sich dabei um eine Schlacht in der das österreichische Heer gegen die Türken kämpft um die große Festung im Hintergrund des Gemäldes sichtbar, zu erobern. Von den unzähligen kleinen verstaubten Votivbildchen die an den Wänden hängen stecht eines besonders ab: in einem alten Rahmen, hinter Glaß, das Bildnis der Mutter Gottes mit dem Jesukind, ringsum ein getrockneter alter (geflochtener) Blumenkranz und darunter ein deutscher Text. Das Bildchen wurde um 1780 von den deutschen Kolonisten aus Landshut gebracht.

Deutsche Gottesdienste werden regelmäßig in der Kalvarienkirche zu Sathmar gehalten. Hier sollte ich die Gelegenheit haben den noch erhaltengebliebenen Teil von alten Schriften nach Musikdokumenten untersuchen zu können. Ich kam aber 24 Stunden zu spät: vor der Kirche fand ich im gefrorenen Schnee nur noch die Asche der verbrannten alten Papiere. Im Rahmen einer Säuberungsaktion (die Sakristei wird auch umgebaut) hat man „die alten Fetzen“ verbrannt. Übrig blieben einige vom Winde verwehte und vom Feuer nur teilweise verbrannte alte Blätter eines armenischen Gesangbuches. Forschung ade!

Trotz der hohen Auswanderungsquote in den vergangenen Jahren blieb die Bevölkerungsstruktur der Sathmarer Diözese relativ stabil (im Vergleich zu der Temeswarer Diözese). Seit fünf Jahren leitet Bischof Pál Reizer die Geschicke seines Bistums und die meisten Gemeinden haben einen Pfarrer. Die meisten Kirchen befinden sich in einem guten Zustand, sind renoviert und auch dem geistlichen Leben wird hohe Aufmerksamkeit geschenkt.

Beim Besuch in der Gemeinde Erdeed (ung. Erdöd, rum. Ardud) wurde am 22. Januar 1995 der Russlandverschleppung gedacht: nach einem Gottesdienst fand beim Sitz des Deutschen Demokratischen Forums ein geselliger Nachmittag statt, zwischendurch wurden ungarische und deutsche Volkslieder gesungen. Es war auch der Bürgermeister der Gemeinde und der stellvertretender Vorsitzende des Sathmarer Deutschen Forums, Stefan Kaiser, anwesend. In dem eigens dafür verbreiteten Blättchen „Erinnerung an den 50. Jahrestag der Verschleppung der Sathmarer Schwaben nach Russland“ wurden Texte von Bischof Pál Reizer, Pfarrer Wendelin Fuhrmann und dem Präfekten Vasile Suciu veröffentlicht. Der Bischof selbst zelebrierte an diesem Tag einen Gottesdienst in deutscher Sprache.

Im neuen Glanz erstrahlt auch die Kirche der Gemeinde Bildegg (ung. Krasznabélteg, rum. Peltiug): mit großem Aufwand wurde das Gotteshaus neu renoviert, der Pfarrer selbst hat die Arbeiten geleitet. Eine der historsch wichtigsten Stetten in der Nähe Sathmars ist Großkarol (ung. Nagykároly, rum. Carei) mit der 1779 eingeweihten Kirche und dem Schloss des Grafen nach dem der Ort auch benannt wurde. Dieses ist eines der am vollständigsten erhaltenen Schlösser Rumäniens, für einen Fremden ein wahrer Augenschmaus. Davor befindet sich eine in Stein gehauene Sankt Florian-Statue. Die letzte Ruhestätte der Grafen Károly befindet sich in der Gruft der Franziskanerkirche zu Kaplau (ung. Kaplony, rum. Capleni). Die Gruft selbst ist eine Miniatur der Kapuziner-Gruft in Wien: zahlreiche geschmückte und bemalte Sarkophage aus vier Jahrhunderten, auf den meisten befinden sich auch die Bildnisse der zur letzten Ruhe geleiteten Grafen und deren Nachkommen. Das Franziskanerkloster ist auch einen Besuch wert.

Zurück nach Sathmar. Der Maler Milltaler aus Arad restauriert die stark vom Zahn der Zeit befallenen Fresken an der Decke des Domes. Im alten bischöflichen Palais werden Renovierungsarbeiten unternommen. Vor einigen Monaten wurde über diese Bischofskirche eine Broschüre in vier Sprachen veröffentlicht (ungarisch, rumänisch, deutsch und englisch): Text von Bura László, Fotos Pfarrer Anton Josef Ilk aus Baia Mare. All dies sind Ansätze um auch dem kirchlichen Leben dieser Diözese neue Glaubensimpulse zu verleihen.

 

BILDDOKUMENTATION

Notensammlung des Sathmarer Doms

Notensammlung des Sathmarer Doms, nach 40 Jahren Sozialismus

Heilige Cäcilia (Seitenschiff des Doms)

Manuskript (18. Jh.), ORGANO CONCERTANDO

Manuskript, 18. Jh.

Pichl: Aria in D, de Nativitate Domini

Modetto [Motetto] von Sigre. Puadagni

Mozart: Offertorium / Alma Die creatoris (gehörig Johann Faulhaber, 1830)

(Mozart: Offertorium) / Gehörig Johann Faulhaber, Praeceptor zu Bodantz 1830

Mozart: Aria in F / Confirma hoc Deus

Mozart: Requiem (früher Druck)

Mozart: Requiem (Einband), frühes 19. Jh.

Jos. Behm: Missa a quatuor vocibus & Organo

Fusek: Missa in Es-Dur (1844)

Fusek: Missa in Es-Dur (1844)

Haydn: Aria in B De Resurrectione & De B.V. Mariae

Michael Haydn: Messe in G

Michael Haydn: Messe in G, Kyrie

Hayden [Haydn]: Missa Solemnis in B

Leopoldo Hoffmann: Missa Solemnis in C

Kuderna: Aria seria in A / Et lucis ante terminum / Laetare Pannonia (Abschrift von Schispiel)

Johann Lasser: Missa in G

Sammlung 28 Ariae Selectiss. Von Mozart, Martini, Salieri, Wranitzki, Pleyel, Sachini, Paisiello, Antossi, Vimarosa, etc. (18. Jh.)

Giuseppe a Coupertino Schispiel: Ecce quomodo moritur (30. März 1820)

Giuseppe Schispiel: Aria in Es / Adoro te devote, für Bass-Solo und Orchester

Unterschrift des Domkapellmeisters Giuseppe a Coupertino Schispiel

Anton Diabelli: Mariazeller Offertorium

Tobias Haslinger: Vocalmesse

Sammlung von Vor- und Nachspielen

Sammlung von Vor- und Nachspielen von J. Chr. H. Rinck (1860)

Franz Xaver Witt: Quinque Motetta, Regensburg 1868

Franz Xaver Witt: Kreuzweglied Manuskript von Domorganist Pfeiffer (1912)

Sendung an Josef Nitsch, Regenschori der Kathedrale zu Sathmar (Ungarn) vom Herder-Verlag, Wien

Männerchöre mit Begleitung des Piano-Forte (19. Jh.). Eintrag von Domkapellmeister Josef Nitsch: Die echten Weisen merken auf sanften Liederton und auch den kleinsten Werken der Muse bleibt ihr Lohn. (Jh. Georg Jakobi)

Josef Nitsch, Manuskript

Eintrag von Josef Nitsch: Nur nicht beten, immer singen / Und ein jedes Blatt ist dein. (Goethe)

Eintrag von Josef Nitsch: Der ist der ärmste auf der Welt, / dem nicht ein frohes Lied gefällt; und dess´ der Herr in Gnaden denkt, / dem er´s zum Eigenthume schenkt. (v. Kobell ?)

Carolus Proske: Musica Divina, Regensburg

Petrus Schmidt: Messe, gewidmet Cantor-Canonicus Joseph Král, Fünfkirchen

Wappen des Sathmarer Bischofs Gyula Meszlányi

Marmortafel auf der Orgelempore: Im memoriam Wizler Egyed / 1925-1972 / Domkapellmeister und Kantor (in ungarischer Sprache)

Noten aus dem Besitz von Domkantor Wiesler Eged (eigene Schreibweise)

Siegel des Sathmarer Domchores: CHORI ECCLESIAE CATHEDRALIS SZATHMARIENSIS

Der Männerchor des Sathmarer Doms in Klausenburg / Cluj vor dem Denkmal Matthias Corvinus (um 1935)

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

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