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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Ein Requiem für die Königin

Der Temeswarer Philharmonische Verein trauerte um die 1898 ermordete Königin Elisabeth.

Nur sechs Tage davor sang man Kaiser Franz Josef in Busiasch ein Ständchen

von Dr. Franz Metz

 

Die Nachricht über das Attentat auf die ungarische Königin Elisabeth schlug in den Abendstunden des 10. September 1998, wie ein Blitz in das alltägliche Treiben in der Banater Metropole Temeswar ein. Man wollte es anfangs gar nicht glauben, hielt die Nachricht als unglaubwürdig. Erst eine offizielle Depesche aus Wien an die Temesvarer Zeitung und an die Südungarische Reform bestätigte die traurige Nachricht.

In den frühen Morgenstunden des 11. September 1998, es war an einem Sonntag, erschien eine Sondernummer der Temeswarer Tageszeitung Südungarische Reform mit der Überschrift „Ihre Majestät Königin Elisabeth I.“ und einem Bildnis der in ganz Ungarn äußerst beliebten Herrscherin. Über die Reaktionen der Temeswarer Bürgerschaft schrieb diese Zeitung: „In Temeswar verbreitete sich gestern diese Nachricht von dem ruchlosen Attentate auf den Schutzengel Ungarns in den späten Abendstunden auf Grund telephonischer Verständigungen aus Wien und Budapest. Anfangs stießen die Gerüchte überall auf skeptischen Unglauben. Sie nahmen aber immer sicherere Formen, tiefe grenzlose Bestürzung und bange Ahnungen bemächtigten sich der Herzen Aller. Freude und Lust wichen im Augenblicke dem unendlichen Schmerz. In allen öffentlichen Lokalen verstummten Fiedel und Musik, alle öffentlichen Produktionen wurden spontan eingestellt. Die ganze Stadt legte Trauer an. In den frühesten Morgenstunden verkündeten schon allentwegen Trauerfahnen, dass die Bürgerschaft Temeswars blutenden Herzens die Tote der Nation betrauerte. Bis 7 Uhr Morgens hatten bereits sämmtliche öffentliche Gebäude, Stadt- und Komitatshaus, die Domkirche, das Dikasterialgebäude, sämmtliche Grundhäuser, Lehranstalten u.s.w. die Trauerfahnen gehisst.“

Die Vorstadt Fabrik feierte gerade ihr Kirchweihfest, und so mussten sämtliche Kaufleute und Händler die Buden und Verkaufsstände abbrechen. Um 9 Uhr verfügte die Oberstadthauptmannschaft über die „polizeiliche Einstellung sämmtlicher Lustbarkeiten und Unterhaltungen“ auf dem Gebiet der ganzen Stadt.

Der 1871 gegründete Temeswarer Philharmonische Verein befand sich in den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende in der besten Phase seiner Existenz. Am 15. August 1898 fand in Arad das Ungarische Landessängerfest statt, bei welchem fast 1.000 Sänger anwesend waren, darunter auch der Philharmonische Verein. Aber für ein noch wichtigeres Ereignis wurden mit aller Sorgfalt die nötigen Vorbereitungen getroffen: am 4. September 1898 soll der Chor vor Kaiser und König Franz Josef I. in Busiasch eine Serenade darbieten. Die Aufregung der gesamten Vorstandschaft des Philharmonischen Vereins war verständlich, galt doch die Serenade dem Souverän, der sich bereits im Jahre 1872 in das Goldene Buch des Vereins eingetragen hat. Niemand konnte ahnen, dass nur wenige Tage nach der Serenade die Frau des Monarchen ermordet wird.

Als die Nachricht vom Tode der Königin in Temeswar eintraf, waren noch sämtliche Mitglieder des Philharmonischen Vereins von dem freudigen Erlebnis in Busiasch mitgenommen, es gab kein anderes wichtigeres Gesprächsthema in der Stadt an der Bega. Franz Josef weilte Anfang September bei den Manövern die um diese Zeit in Busiasch stattfanden. Der Männerchor des Temeswarer Philharmonischen Vereins sang bei der Serenade folgende Chöre: Die Himmel rühmen von Beethoven, Nachtzauber von A. M. Storch und Vor der Schlacht von Franz Liszt. Am 6. September berichtete die Temesvarer Zeitung ausführlich über das Geschehen vom 4. September im Busiascher Kurpark:

 

„Auf ein Zeichen des Generaladjutanten, welches Obergespan Dr. Viktor v. Molnár Welter vermittelte, nahte sich der Lampionzug. In Dreieckform stellten sich erst drei Reihen mit rothen Lampions, hinter diesen drei Reihen mit weißen Lampions und nach diesen drei Reihen mit grünen Lampions auf. Die obengenannten Führer der einzelnen Abtheilungen bildeten die Flügelmänner. Hinter dem Dreieck zog sich dann tief in den Kurpark hinein eine unübersehbare Mauer von Lampions ebenfalls roth, weiß, grün abwechselnd, welche durch Reihen zu vier Personen gebildet war.

In die Mitte des Dreiecks kam der Halbkreis der Philharmoniker, in dessen Mitte wieder deren Chormeister Herr J. M. Novacsek. Das märchenhafte Bild, welches diese an zweitausend grenzende Masse von Illuminations-Objekten, im Vereine mit der unzähligen, gewiss über zehntausend betragenden festlich geputzten Menschenmenge ergab; der seltsame Kontrast, welchen dieses feenhaft beleuchtete Milieu, zu dem aus dunklen, hoch in den nächtlichen Himmel hinaufragenden Pappeln und Kiefern des Kurparks gebildeten Hintergrund bildete, wird jedem der Theilnehmer unvergesslich bleiben. Da begann es leise zu tröpfeln, ein neckischer Schreckschauer, der bald entschwand.

In diese poetische Stimmung hallten nun die ersten Akkorde des Beethoven´schen Liedes Die Ehre Gottes hinein. Das glänzend beleuchtete Balkonfenster öffnete sich und Sr. Majestät der König erschien auf dem Balkon, hinter ihm zeigte sich die hohe Gestalt des Erzherzogs Josef und des Erzherzogs Franz Salvator im Rahmen der Glasthüre.

Wie das immer mehr und mehr anschwellende Gebrause eines Orkans, durchzitterten die enthusiastischen Éljenrufe der begeisterten Menge die Luft. Seine Majestät verneigte sich dankend, die enthusiastischen Ovationen wurden immer stärker und stärker, die Begeisterung riss alles mit sich fort und die fremdländischen Attaches blickten voll Bewunderung auf das ihnen darbietende Schauspiel. Solch´ elementare Begeisterung mag ihnen bisher unbekannt gewesen sein.

Nach vielen Minuten erst konnten die Sänger das prächtige Beethoven´sche Lied und die auf dem Programm stehenden andern zwei Nummern A. M. Storchs Nachtzauber und Franz Liszts Vor der Schlacht zum Vortrag bringen. Die Leistungen unseres wackeren Sängerbundes, der ja den Erfolg von jeher gewohnt ist, haben den Sängern gestern nicht bloß Erfolge, sondern auch Ruhm gebracht. Das prächtige Stimmmaterial und die auf hohem künstlerischem Niveau stehende Schulung dieses Gesangs-Vereines bildeten noch lange nach der Serenade den Gesprächsstoff der Würdenträger und besonders der deutschen Militär-Attache, Oberstleutnant Graf Moltke, rühmte den herrlichen Gesang in begeisterten Worten.

Auf Se. Majestät machte der Gesang sichtbar den besten Eindruck. Nochmals und nochmals sich verneigend und für die nicht endenwollenden stürmischbegeisterten Éljenrufe immer und immer wieder dankend, zog der König sich in seine Appartements zurück. Der Zug aber löste sich in der gleichen musterhaften Ordnung auf. Für die Philharmoniker war im Parke ein Büffet errichtet, die übrigen Theilnehmer aber erfrischten sich im Kursalon, wo auch die Minister und Generäle zu zwanglosem Verkehr erschienen. Abends halb 11 Uhr beziehungsweise 11 Uhr fuhren die Ausflügler heim, mit dem erhebenden Gefühl von der huldreichen Gunst des konstitutionellsten Monarchen. Es war eine schöne Wirklichkeit!

Nach der zweiten Piéce erschien der diensthabende Flügel-Adjutant im Halbkreise der Manifestanten und lud den Bürgermeister kön. Rath Dr. Karl Telbisz und den Obmann des Arrangirungs-Komites, Heinrich Baader in die allerhöchsten Appartements ein, wo alsbald beide Herren an einem Fenster des Vorsaales sichtbar wurden. Nach Beendigung der Serenade wurden die Herren von Sr. Majestät empfangen, der in überaus huldvoller Weise, sichtbar gerührt und angeregt sein Dank ausdrückte:

- Ich danke Ihnen für die schöne Kundgebung, ich bin überrascht, dass Sie so zahlreich gekommen sind; es war entzückend!

- Wir sind glücklich, Ew. Majestät unsere Huldigung darzubringen - sagte der Bürgermeister.

- Wie entwickelt sich jetzt Temeswar?

- Es entwickelt sich recht schön, doch wirkt es hemmend, dass die Frage der Ablösung der Festungsgründe noch immer in Schwebe steht.

- Ist das noch nicht erledigt?

- Noch immer nicht, Majestät!

Zu Herrn Baader gewendet, sagte Se. Majestät:

- Wie viele Theilnehmer waren im Zuge?

- Nahezu 1.500, aber wir hätten leicht die doppelte Anzahl erreichen können, denn die Idee fand begeisterte Aufnahme.

- Das freut mich sehr, es ist ja prächtig gelungen. Auch der Gesang war ausgezeichnet.

- Die Philharmoniker hatten schon einmal das Glück, vor Ew. Majestät zu singen, bemerkte der Bürgermeister.

- Ich erinnere mich daran, es war im Jahre 1872 in Temeswar - sagte der König, ein neues Zeichen seines wunderbaren Gedächtnisses gebend. Mit den Worten „Nochmals besten Dank für die schöne Kundgebung!“ entließ der König die Herren huldvollst.“

 

So der Bericht der Temesvarer Zeitung über die Serenade des Temeswarer Philharmonischen Vereins vom 4. September 1898 in Busiasch. Zehn Tage später, am 11. September erschienen schon die ersten Extrablätter über den Tod der Kaiserin und Königin Elisabeth. In der katholischen bischöflichen Kathedrale, von deren Turm gleichfalls die Trauerfahne wehte, forderte Domprediger Paul Magyari nach dem Hochamt vom 11. September „mit von Thränen unterdrückter Stimme“ die Kirchenbesucher auf, für die Seelenruhe „der uns auf so schreckliche Weise entrissenen Mutter der Nation, für den so schmerzlich heimgesuchten geliebten König, für das Vaterland und Herrscherhaus“ zu beten. Am Dienstag, dem 13. September 1898 wurde um 9 Uhr bereits in der alten Fabrikstädter katholischen Pfarrkirche von Abtpfarrer Anton Vudy ein Requiem gelesen. Der Fabriker Gesangverein sang dabei mehrere Trauergesänge und ein lateinisches Requiem. In der Domkirche hat Diözesanbischof Alexander von Dessewffy am Mittwoch, Vormittags um 11 Uhr, ein Seelenamt gehalten, bei welchem sämtliche Persönlichkeiten der Stadt teilgenommen hatten.

Am 13. September 1898 veröffentlichte die Südungarische Reform einen Aufruf an die Bürger Temeswars:

 

„Bürger und Bürgerinnen Temeswars, legen wir nationale Trauer an! Nach unserem gekrönten König trifft das Geschick am stärksten uns Ungarn, die wir in unserer heißgeliebten Königin auch unseren Schutzengel, unsere gütige Patronin verloren haben. Und wenn die Nation ihren theuersten Schatz beweint, kann auch die patriotische Bürgerschaft Temeswars nicht zurückbleiben. (...) Bürger Temeswars! Legen wir Trauer an um Diejenige, die ewig in unserem Gedächtnisse fortleben wird, der die Geschichte, das Vaterland und die Menschheit einen Altar errichtet - um unsere Königin Elisabeth! (...) Bürgerinnen Temeswars! Ihr Frauen mit zartem Gemüthe, deren Herz von tiefem Mitgefühle für das tragische Geschick unserer Elisabeth erfüllt ist: zeiget, dass Ihr wahre wirkliche Trauer fühlet, fort mit der Freude und Lust! Leget Trauergewandung an, hüllet Euch in den Trauerschleier, nehmet ein Trauerband auf Eure Brüste, denn die Königin, Euer erhabenes Vorbild in Mutter-, Gatten- und Vaterlandsliebe ist nicht mehr! Unser Schutzengel liegt auf der Bahre! Wir Alle haben um ihn zu trauern!“

 

Fast zwei Woche hindurch berichten ganze Zeitungsnummern in Temeswar nur von der Königin, von den Trauerfeierlichkeiten in aller Welt, von der Trauer des Königs und Landes. Auch der Temeswarer Bischof Alexander von Dessewffy sendete am 12. September an seine Pfarreien einen Hirtenbrief zu diesem Thema. Darin heißt es u.a.:

 

„Tiefe Trauer hat sich unseres Vaterlandes bemächtigt. Elisabeth, die Kaiserin von Österreich und apostolische gekrönte Königin von Ungarn, der Schutzengel der ungarischen Nation ist einem mörderischen Dolche dort zum Opfer gefallen, wo sie ihrem kranken Körper Heilung und ihrem gramgebeugten Mutterherzen Erholung suchte. Die ganze gebildete Welt wird von diesem in der Geschichte der Menschheit unerhörten Falle von Schanden ergriffen und tiefer Schmerz ergreift die Herzen der Millionen der sie liebenden Völker. (…) Die schon im Leben von den Ungarn als Schutzengel bezeichnet wurde, möge auch jetzt der schützende Geist der ungarischen Nation sein, welche ihr Andenken treu bewahren und ewig segnen wird! (...) Zum äußeren Ausdruck der erschütternden Trauer ordne ich Folgendes an:

1. Bis zum Tage des Leichenbegängnisses sind in allen Kirchen sämmtliche Glocken dreimal täglich eine halbe Stunde lang zu läuten.

2. Am Tage des Leichenbegängnisses am 17. d. M. sind in allen Pfarrkirchen festlichen Trauergottesdienste zu halten, zu welchen die Behörden zu laden sind und die Schuljugend zu

rühren ist. (...)“

 

Einen ähnlichen Hirtenbrief schrieb auch der serbische Bischof Nikanor Popovits an seine Gemeinden im Banat. Diözesanbischof Dessewffy selbst begab sich am 15. September mit dem Schnellzug nach Wien um an der Leichenfeier teilzunehmen. Auch die Repräsentanz der königlichen ungarischen Freistadt Temeswar begab sich am 14. September um 11 Uhr zu einer außerordentlichen Generalversammlung um die Trauer der ganzen Bürgerschaft zu bekunden. Obergespan Dr. Viktor Molnár eröffnete die feierliche Sitzung und sagte u.a.: „Dem Schmerze über den unersetzlichen Verlust wünscht nach meiner Überzeugung auch das Munizipium der kön. Freistadt Temeswar Ausdruck zu verleihen. Zu diesem Zwecke habe ich die heutige außerordentliche Generalversammlung einberufen und indem ich dieselbe eröffne, ersuche ich den Herrn Obernotär, den Antrag des Senates zur Verlesung zu bringen.“ Danach verließ Obernotär Josef Geml, der spätere Bürgermeister der Stadt, den Antrag des Senates. Darin hieß es u.a., dass 30 Tage nach dem Leichenbegängnis die Trauerfahnen auf allen öffentlichen Gebäuden des Munizipiums gehisst werden sollen. Das Stadtmunizipium beschloss, dass zur Verewigung der Erinnerung an Königin Elisabeth eine wohltätige Stiftung zur Unterstützung hilfsbedürftiger Frauen ins Leben gerufen werden soll. Die Handels- und Gewerbekammer beschloss außerdem eine „Königin Elisabeth-Stiftung“ zu gründen, aus deren Fonds jedes Jahr am 10. September je 50 fl. an sechs verarmte und arbeitsunfähige Kaufleute und Gewerbetreibende ausbezahlt werden soll.

Zu einer imposanten Trauerfeier gestaltete sich das Requiem für die Königin im Temeswarer Dom. Vom Obergespan bis zum Schuldirektor, vom Bischof bis zum Militärkommandanten waren alle Honorationen der königlichen Freistadt Temeswar anwesend. In der Tagespresse hieß es: „Einige Minuten nach 9 Uhr fuhr Diözesanbischof Alexander von Dessewffy vor dem Portale der Domkirche vor, worauf er unter dem Geläute der Glocken die düster dekorirte Kirche betrat, in deren Mitte sich ein von militärischen Emblemen und flackernden Kerzen umgebener krongeschmückter Katafalk erhob, während sich auf der Wand des Hochaltares ein weißes Kreuz auf schwarzem Hintergrunde hervorhob. Unter Assistenz des Weihbischofs Josef Németh, des Domkapitels und des Zentralklerus verrichtete nun Diözesanbischof Dessewffy zu Thränen gerührt die Gebete für das Seelenheil der erlauchten Todten.“ Der Domchor unter der Leitung von Regenschori Martin Novacek, der zugleich auch der Dirigent des Temeswarer Philharmonischen Vereins war, sang das Requiem in d-Moll von Gruber.

Unter Präsident Salomon Stern hielt auch die israelitische Kultusgemeinde Temeswars am 14. September eine Festsitzung, bei welcher mehrere Beschlüsse gefasst wurden. So wird das Oberrabbinat von Temeswar die Zeit des solennen Trauergottesdienstes bestimmen, bei welchem auch die Direktoren und Schüler der israelitischen Lehranstalten teilnehmen werden. Als ein weiteres sichtbares Zeichen der schweren Trauer soll der Oberrabbiner das Seelenlicht im Tempel für 30 Tage anzünden. Für das zu errichtende Elisabeth-Denkmal soll ein Sammlung veranlasst werden und eine aus 2.000 Kronen bestehende „Königin Elisabeth-Stiftung“ soll jährlich am 10. September, am Sterbetag der Monarchin, an Arme ohne Unterschied der Konfession eine bestimmte Summe verteilen.

Am 15. September 1898 fand eine Ausschusssitzung des Temeswarer Philharmonischen Vereins statt, welche diesem traurigen Ereignis gewidmet war. Im Protokoll dieser Sitzung heißt es: „In der gestern abgehaltenen außerordentlichen Ausschusssitzung des Philharmonischen Vereins wurde der Beschluss gefasst, mit Rücksicht auf die tiefe Landestrauer die geplante öffentliche Produktion so auch die Proben zu verschieben. Demnach finden innerhalb der nächsten 30 Tagen keine öffentlichen Aufführungen statt. Die Proben werden erst nach erfolgter Beisetzung weiland Ihrer Majestät der Königin wieder aufgenommen.“

Die Stadt Temeswar entsandte eine dreiköpfige Deputation zu den Trauerfeierlichkeiten nach Wien: Josef Geml, damals Stellvertreter des Bürgermeisters der königlichen Freistadt Temeswar, Eduard Ritter v. Vest und Heinrich Baader, alle in „ungarischer Trauergala“. Das Stadtmunizipium spendete auch einen Kranz der im Atelier Mühle hergestellt wurde, zwei Meter Durchmesser hatte und aus Flamen-, Lorbeerblätter und weißen Tubarosen bestand. Das in den Farben der Stadt (rot-grün) gehaltene Seidenband trug die in Silberlettern verfasste Inschritt: „Die Stadt Temeswar der Königin Elisabeth“.

Am Tag der Bestattung befand sich, wie die Tageszeitungen berichteten, die ganze Stadt Temeswar im Trauerkleid: „In düsterem, beklemmendem Trauerschmucke prunkt unsere Stadt. Auf allen Häusern verkünden die schwarzen Flaggen das große, unermessliche Weh, welches die Bürgerschaft unserer Stadt mit dem erlauchten Könige und der Nation mitfühlt. Sämmtliche Schaufenster der Stadt zeigen von Trauerdraperien und Emblemen umrahmt das Bild unserer unvergesslichen Königin. Alle Körperschaften und Vereine dokumentiren in eigenen Trauerversammlungen den allgemeinen Schmerz.“

 

Am 21. September 1898 veröffentlichte die Zeitung Südungarische Reform das Manifest des Königs:

 

„An Meine Völker! Die schwerste, grausamste Prüfung hat Mich und Mein Haus heimgesucht. Meine Frau, die Zierde Meines Thrones, die treue Gefährtin, die Mir in den schwersten Stunden Meines Lebens Trost und Stütze war, an der Ich mehr verloren habe, als Ich auszusprechen vermag, ist nicht mehr. Ein entsetzliches Verhängnis hat Sie Mir und Meinen Völkern entrissen. (...) Die Gemeinsamkeit unseres Schmerzes schlingt ein neues, inniges Band um Thron und Vaterland. Aus der unwandelbaren Liebe Meiner Völker schöpfte ich nicht nur das verstärkte Gefühl der Pflicht, auszuharren in der Mir gewordenen Sendung, sondern auch die Hoffnung des Gelingens. (...) Ich bete, dass er Meine Völker segne und erleuchte, den Weg der Liebe und Eintracht zu finden, auf dem sie gedeihen und glücklich werden mögen.

Schönbrunn, am 16. September 1898. Franz Josef I.“

 

Eine der letzten Trauerfeierlichkeiten fand am 20. September 1898 im israelitischen Tempel der Temeswarer Innenstadt statt. Die Musik wurde von Oberkantor Eduard Löwenherz und dem Synagogenchor unter der Leitung von Regenschori Wilhelm Neubauer gestaltet. Löwenherz trat auch in vielen Konzerten des Philharmonischen Vereins als Solist auf.

Am selben Tag wurde auch in der innerstädtischen katholischen Kirche ein Trauergottesdienst von Pfarrer Josef Brand zelebriert, die Trauerrede hielt Schuldirektor Anton Gokler, ein namhafter Pädagoge und Chorleiter, der zahlreiche Banater Chordirigenten ausgebildet hat. Am 27. September sang der Chor des Temeswarer Philharmonischen Vereins unter der Leitung von Martin Novacek beim Trauergottesdienst in der innerstädtischen St. Georgskirche. Damit nahmen die Trauerfeierlichkeiten nach mehr als zwei Woche seit dem Attentat auf die Königin von Ungarn ein Ende.

Einige Erinnerungen an Königin Elisabeth sind auch heute noch im Banat mehr oder weniger bekannt auffindbar. In Rekasch erinnert eine größere eiserne Tafel die früher an einem Baum befestigt war, an die ungarische Königin. Darauf kann man die ungarische Krone erkennen und die Worte „Erzsébet Királyné Emlékfái“ (Königin Elisabeth Erinnerungspark). So nannte man bis 1918 den Park vor der katholischen Kirche dieses Banater Ortes. Auf einer Marmortafel, angebracht an der Wand eines Bades in Herkulesbad kann man auch heute noch, nach fast 150 Jahren in rumänischer und deutscher Sprache lesen: „Diese Kabine wurde von Elisabeth, Kaiserin von Österreich-Ungarn, zum Kurgebrauch benützt.“ Der Männerchor des Temeswarer Philharmonischen Vereins trat fast regelmäßig im Kursalon dieses Kurortes auf.

 

Erschienen in: Allgemeine Zeitung für Rumänien, 18.09.1998 / Der Donauschwabe, Aalen, 11.10.1998 / Banater Post, München, 1998

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2010

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