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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Kantorlehrer Hans Graf

(1900-1987)

von Dr. Franz Metz

 

Hans Graf kam am 6. August 1900 in Perjamosch zur Welt. Er kannte nicht nur den Dichter-Pfarrer Karl Grünn aus seinem Heimatdorf gut, den er mit Schirm auf dem Hotter herumspazieren sah, sondern auch den Perjamoscher Ozeanflieger Georg Endres und den im selben Jahr 1900 geborenen Maler Franz Ferch, mit dem er gemeinsam die Bürgerschule seines Heimatdorfes besuchen konnte. Eduard Schneider widmete Hans Graf einen umfangreichen Artikel in der Neuen Banater Zeitung vom 2. Oktober 1983. Auch in den späteren Jahren sind einige Berichte über ihn in Zeitungen und Zeitschriften erschienen.

Nach dem Besuch der Bürgerschule in Perjamosch und der Lehrerbildungsanstalt in Arad konnte er am 1. September 1920 seine erste Stelle in Schimonydorf (ungarisch Simonyfalva, rumänisch Satu Nou) antreten. Davor war er für nur kurze Zeit als Lehrer bei einem Baron in der Gegend von Deva tätig. In Schimonydorf, einem aus Ungarn und Deutschen bestehenden Ort, wurde erst 1901 ein Bethaus errichtet und 1914 die jetzige Kirche erbaut. Dies war eine schwere Zeit, da 1919 das Banat unter Rumänien, Jugoslawien und Ungarn zerstückelt wurde, und nun der größte Teil zu Rumänien gehörte. Ein Großteil der ehemals deutschen Dorfbewohner hat durch die übertriebene Magyarisierungspolitik Ungarns ihre Muttersprache vergessen und Johann Graf hatte nun die Aufgabe, die Schuljugend in deutscher Sprache zu unterrichten. Diesbezüglich schrieb Karl von Möller in seinem Buch Wie die schwäbischen Gemeinden entstanden sind: „Nicht wenig hat dann der deutschgesinnte und eifrige Lehrer Johann Graf zur Rückgewinnung der Schwabenjugend beigetragen.“

In Schimonydorf wirkte Graf sechs Jahre lang als Lehrer. Im Jahre 1925 legte Hans Graf in Großwardein die Kantorprüfung ab und wurde danach, wie es im Kantorendiplom zu lesen ist, „in den Kreis der Kantoren aufgenommen.“ Dieses Kantorendiplom hatte folgenden Wortlaut:

 

Kantorendiplom

Graf Johann. Geboren am 6. August 1900 in der Gemeinde Perjamosch, Komitat Torontal, römisch-katholischen Glaubens, der im Mai 1920 in der Großwardeiner römisch-katholischen Lehrerbildungsanstalt ausgebildet wurde für die Elementar- und Volksschule.

Unterfertigte Kommission bestätigt, dass laut Satzung, § 76 der Kandidat geprüft und mit der Bewertung der folgenden Lehrgegenstände in den Kreis der Kantoren aufgenommen wurde.

Liturgie: gut; Harmonielehre: genügend; Kirchengesang: ausgezeichnet; Orgelspiel: gut; Methode des Gesangsunterrichts: gut; Kantorfähigkeit für ungarische und deutsche Sprache.

Mit Unterschrift und Stempel bestätigt. Die Mitglieder der Prüfungskommission

Großwardein, 3. Juni 1925

Kálmán Molnár, Vorsitzender; Mihály Glasz, Oberlehrer; Heilinger József, Direktor; Resch Mihály, Musiklehrer

[Stempel: Scoala normala romano-catolica de Baieti, Oradea-Mare]

 

Am 1. September 1926 kam Hans Graf als Kantorlehrer nach Sarafol (Saravale) und bemühte sich intensiv um das kulturelle Leben dieser Gemeinde. Im Jahre 1927 heiratete er Anna Nies, die in seinem Chor als Sängerin mitgewirkt hat. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach drei Jahren hat er sich um die Kantorlehrerstelle in Sackelhausen beworben. Damit endete sein dreijähriges Wirken in Sarafol. Die katholische Kirchengemeinde stellte ihm ein Zeugnis aus, in dem es heißt, dass Hans Graf hier „… zur vollsten Zufriedenheit aller Gläubigen, mit Fleiß und Würde unermüdlich wirkte.“

 

Vom Sarafolaer röm.-kath. Pfarramte

No. 76/1929

Wirkungs Zeugnis

Unterfertigtes r. k. Pfarramt bestätigt dass Hans Graf in der Pfarre als Cantor vom Oktober 1926 bis Ende September 1929 (also 3 Jahre hindurch) zur vollsten Zufriedenheit aller Gläubigen, mit Fleiß und Würde unermüdlich wirkte.

Sarafol, den 22. Oktober 1929

Augustin Witalski [Pfarrer]

 

Die Gemeinde Sackelhausen, damals mit rund 4.000 Einwohner eine der größten schwäbischen Dörfer im Banat, sollte sich als sehr schulfreundlich und offen für gute Initiativen erweisen. Mit den größeren Klassen „botanisierte“ Hans Graf eifrig. Jeder Schüler ab der Fünften erhielt ein kleines Beet, wo er Bäume züchten, das heißt anpflanzen und veredeln konnte. Zu diesem Zweck sowie für die Anlegung eines kleinen Schulwäldchens und einer Baumschule hatte die Gemeinde vier Joch Hutweide zur Verfügung gestellt. Wenn die Obstbäume veredelt waren und das erste Mal getrieben hatten, wurden sie im Dorf an die Leute verkauft, was der Schule willkommene Einkünfte brachte, die in Schulmaterialien investiert wurden. Hans Graf verstand sich also auch auf gewinnbringendes Wirtschaften. Und es liegt ganz auf dieser Linie, dass er auch landwirtschaftliche Vorträge für die aufgeschlossenen Bauern im Dorf hielt, so über Bodenfruchtbarkeit und Mineraldünger, Gründüngung und Freifelderwirtschaft. Obendrein betreute er noch die so genannte Lehrbubenschule, wo junge Leute in der Fachausbildung sich mit Grundtatsachen der Kultur und der Wirtschaft vertraut machen konnten.

In den dreißiger Jahren hat Kantorlehrer Graf ein lebendiges laienkünstlerisch-musikalisches Wetteifern der Dorfjungen in Sackelhausen zur Entfaltung gebracht: da gab es einen Männer-, einen Schüler- und einen Kinderchor. Die Festmessen gestaltete er mit seinen Chören und der Blasmusik in beeindruckender Weise. Einmal war Bischof Dr. Augustin Pacha nach Sackelhausen gekommen. Und da war er von der musikalischen Gestaltung der Festmesse so angetan, dass er dem Organisten seine Taschenuhr zum Zeichen der Wertschätzung und der bleibenden Erinnerung schenkte. Dieses Geschenk, das er für sein kirchenmusikalisches Wirken in Sackelhausen vom Bischof persönlich erhalten hat, begleitete ihn all die folgenden Jahre auch im Krieg. Nach dem Ende des Krieges, bei der Gefangennahme, hatte er sie sogar im Schuh versteckt. Damit sie ihm nicht entwendet wird, hat er sie sicherheitshalber einer Lehrerswitwe in Bewahrung gegeben, mit der Bitte, sie ihm später an seine Adresse zu schicken. Und, wie ein Wunder, die Uhr ist wirklich nach vielen Jahren angekommen.

Noch im Jahre 1929 beschloss der Pfarrgemeinderat von Sackelhausen die Besoldung des Kantors durch die Kirchengemeinde. Dadurch wurde festgesetzt, welches monatliche Gehalt der Kantor für seine Leistungen bekommt, samt Wohnung, Feld und die Höhe der Stolagebühren. Dieser Gehalts-Brief, ein sorgfältig zusammengestelltes Dokument, ist uns erhalten geblieben und zeugt von der Wichtigkeit der Tätigkeit eines Kantorlehrers für die damalige schwäbische Dorfgemeinschaft.

 

Gehalts-Brief

des Kantorlehrers in der Pfarrgemeinde Sackelhausen.

Festgesetzt in der am 1. März 1929 abgehaltenen Kirchenrat-Sitzung.

1. Als Bargeld 800,- Lei monatlich; an Feldern 4 (vier) Joch Baufeld im sogenannten „Wald“ und 4 (vier) Joch Wiese.

2. Naturalwohnung von der politischen Gemeinde; u. zw. zwei (2) Gassenzimmer links vom Eingang des Hauses No. 146 in der III. Kreuzgasse, ein Vorzimmer, Küche, Speis, Keller und zur Wohnung gehöriger Hof und Hausgarten.

3. An Solagebühren, u. zw.:

Nach einem Kinderbegräbnis im Chorhemd: 40 Lei

Nach einem Kinderbegräbnis im Vespermantel: 120 Lei

Nach einem Kinderbegräbnis im Vespermantel mit Musik: 120 Lei

Nach einem Kinderbegräbnis im Vespermantel mit Musik und Engelamt: 170 Lei

Nach einem Kinderbegräbnis im Vespermantel mit Musik und musikalisches Engelamt: 200 Lei

Nach einem Begräbnis eines Erwachsenen im Chorhemd: 60 Lei

Nach einem Begräbnis eines Erwachsenen im Vespermantel: 150 Lei

Nach einem Begräbnis eines Erwachsenen im Vespermantel mit Requiem: 200 Lei

Nach einem Begräbnis eines Erwachsenen im Vespermantel mit Requiem und Musik: 250 Lei

Nach einem Hochamt oder Requiem: 35 Lei

Sackelhausen, 10. Oktober 1929

Josef Walter, Schriftführer

Schmidt Franz, Pfarrer

No. 183/1929 Zur Beglaubigung

[Stempel der römisch-katholischen Kirchengemeinde Sackelhausen / Sacalaz]

No. 4813/1929 [Beglaubigung durch das Bischöfliche Ordinariat]

Bestätigt

Temesvar, am 2. Oktober 1929

Stefan Fiedler, Generalvikar

[Siegel des Apostolischen Administrators Dr. Augustin Pacha, Temeswar]

 

In der katholischen Kirche stand Hans Graf als Organist die kleine Wegenstein-Orgel zur Verfügung, die er, so Heinrich Lauer, „… das Donnern und Brausen, das Zittern und Beben wie das leise und jubelnde Singen lehrte.“ Mit seinem Männerchor trat er bei allen festlichen Anlässen auf und widmete ihm sogar einige kleinere Kompositionen. Eines dieser Werke, komponiert für das Osterfest, ist uns erhalten geblieben. Dieser Chor wirkte aber nicht nur in Konzerten, sondern trat auch bei Theatervorführungen auf. So jedenfalls berichte die Zeitung nach einem solchen Theaterdebüt:

 

Sacalazer Männergesangverein im Dienste der Kultur.

Der Sacalazer Männergesangverein hat dieser Tage ein Volksstück „Wenn eine Mutter betet für ihr Kind“ zur Aufführung gebracht. Die Darsteller Nikolaus Lauer, Margarete Kühn, Nikolaus Meßmer, Susanne Katzenmayer, Sepp Egler, Margarete Pappert, Nikolaus Lauer 2, Matz Egler, Anton Kühn, Hans Egler, Anna Hummel und Anna Potje haben ihr Bestes hergegeben und unter der vortrefflichen Leitung des unermüdlichen Lehrers Graf eine Aufführung zustande gebracht, die sich sehen lassen konnte. Was aber besonders lobenswert an der Veranstaltung war, ist die Tatsache, dass das ganze Stück in unserer schwäbischen Mundart vorgetragen und gesprochen wurde und dass jeder der Darsteller und Darstellerinnen so sprechen konnte, wie ihm der Mund gewachsen war. Der Sacalazer Männergesangverein hat mit diesem Entschluss einen Weg betreten, den auch die übrigen Dorfvereine bei ihren Bühnenvorführungen unverzüglich einschlagen sollten. Abgesehen davon, dass hier eine Möglichkeit zur Pflege der Mundart liegt, gibt es unter unseren Dilettanten in den Gemeinden oft welche mit entschieden viel Talent, die sich aber meistens zufolge der Hemmungen, die ihnen durch den Zwang des „Hochdeutsch“ auferlegt wurden, nicht richtig entfalten können.

 

Diese anhaltende Kulturarbeit in der Schule, an der Orgel, im Garten, zu den natürlich auch das Laientheater gehörte, darunter auch Aufführungen in schwäbischer Mundart, all das ging mit dem Ausgang des Krieges bitter zu Ende. Am 16. September 1944 musste die gesamte Familie wegen der herannahenden Front in Richtung Westen ziehen, die dröhnenden rumänischen Kanonen vom Temeswarer Stadtrand im Rücken. In Hatzfeld angelangt, kam Hans Graf mit seiner Familie in einen Transport in Richtung Österreich. Zwischen Dezember 1945 und Mitte Juli 1946 konnte er sein Talent als Lehrer und Kantor sogar in einer österreichischen Pfarrei unter Beweis stellen. Über ein halbes Jahr unterrichtete er in Münzkirchen Flüchtlingskinder und spielte die Orgel in der katholischen Kirche des Ortes. Vor seiner Rückkehr in die Banater Heimat, überreichte ihm der Pfarrer für sein „eifriges und erfolgreiches Wirken“ in Münzkirchen aus Dank ein Zeugnis:

 

Vom gefertigten Pfarramte wird bestätigt, dass Herr Johann Graf in den Monaten Dezember 1945 – Mitte Juli 1946 in der hiesigen Schule für die Flüchtlingskinder als Lehrer tätig war. Ebenso hat Genannter auch in liebenswürdigster Weise den Organistendienst in der hiesigen Pfarrkirche besorgt nach dem Tode der Organistin S. M. Ascelina. Für sein eifriges und erfolgreiches Wirken kann Herrn Graf nur das allerbeste Zeugnis ausgestellt und recht innigen Dank ausgesprochen werden.

Pfarramt Münzkirchen (Oberösterreich)

12. Juli 1946

(Unterschrift des Pfarrers unleserlich)

 

Nach seiner Ankunft im Banat, fand er gänzlich veränderte Zustände vor. So musste er, um seine Familie erhalten zu können, zwischen 1946-1948 die Mühle in Ketfel bis zur Enteignung leiten. Danach wirkte er zwischen 1948-1953 als Direktor der Mehalaer Schule in Temeswar. Doch nach der Schulreform musste er diese Stelle abgeben und durfte nur mehr als Hilfslehrer an mehreren Temeswarer Schulen tätig sein. Durch seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse hat er die Versuchsstation der Jungen Naturfreunde ins Leben gerufen. Dadurch konnte er sein Wissen im Bereich der Pflanzenwelt später auch an die Studenten der Agronomiefakultät weitergeben. Im Jahre 1963 wurde er in den Ruhestand versetzt. Hans Graf starb am 28. September 1987 in Temeswar.

 

Bilddokumentation

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2010

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