Die Wälter-Orgel von Gertjanosch / Carpinis
von Dr. Franz Metz
Die ersten Banater Orgeln nach den Befreiungskriegen gegen die Türken zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurden bereits um 1719 erbaut. Allerdings wurden diese von auswärtigen Orgelbauern errichtet. Der erste bedeutende Orgelbauer des Banats war Franz Anton Wälter. Zusammen mit seinem Sohn (oder Bruder) Thomas Wälter finden wir ihn auf einer Liste der Tischler- und Orgelmacherzunft der Stadt Temeswar aus dem Jahre 1815. Franz Jakob Johann Wälter (1779-1836) war der Sohn des Orgelbauers Franz Anton Wälter. Auch der Sohn von Franz Jakob Johann Wälter, Joseph Wälter (1810-1846) war als Orgelbauer tätig.
Wälter-Orgeln sind in mehreren Banater Ortschaften vorhanden: Fibisch 1795, Großsanktnikolaus 1802, Hatzfeld 1805, Orczydorf 1806, Marienfeld 1809, Lowrin 1811, Orawitza 1813, Gertjanosch 1815, Bogarosch 1816, Butin (stand vorher in Liebling), Maria-Tschiklowa (nur mehr das Gehäuse vorhanden), Altbeschenowa, Neusiedel, Tschawosch, Maria-Radna (1797 erbaut, heute nicht mehr vorhanden), Jahrmarkt, Warjasch, Lazarfeld (Orgel stammt aus Marienfeld und wurde 1886 nach Neuzina verkauft), Makó-Honvéd, u.a. Die Orgel in Weißkirchen (Bela Crkva, Serbien) hat Wälter im Jahre 1807 erbaut und hatte 20 Register. Die dafür notwendigen 2.800 Gulden wurden vom Kaiser aprobiert. Diese Instrumente sind nicht allein an der Orgeldisposition zu identifizieren, auch das Gehäuse (Prospekt) weist sie als solche aus. Es ist durchwegs künstlerisch ausgestaltet, die Schleierbretter zieren Akhantusornamente und das Flammenmotiv fehlt an den Pfeifenfüßen nie.
Für die Qualität dieser Orgeln sprechen auch die Preise. Die Orgel in Gertjanosch wurde unter Pfarrer Kolosvary vom Temeswarer Orgelbauer Franz Anton Wälter erbaut und kostete beispielsweise 9.000 Gulden. Ein Organist hatte zu jener Zeit ein Jahresgehalt von 126, ein Orgelzieher (Orgeltreter, Calcant) von 24 Gulden. Diese Orgel wurde in den Jahren 1828, 1889, 1910 und 1915 renoviert.
Die Gertjanoscher Orgel ist ein mechanisches Instrument mit zwei Manuale (Klaviaturen), Pedal und 12 Register. Der Chronist der Gemeinde nannte in seiner Schrift die Manuale „Griffbretter“. Am 22. März 1918 wurden aus ihr 80 Zinnpfeifen für Kriegszwecke enteignet. Aus allen Kirchen wurden damals Glocken und Orgelpfeifen für Kriegszwecke requiriert. Nur die Orgel der Temeswarer Domkirche wurde ihrer Bedeutung wegen verschont. Im Jahre 1921 wurden die beschlagnahmten Prospektpfeifen der Gertjanoscher Orgel ersetzt. Die Klaviaturen sind an das Vorderpositiv angebracht, das dem großen Gehäuse, in dem das Pedal und das Hauptwerk untergebracht sind, wie ein verkleinertes Spiegelbild ähnlich ist.
Obzwar in einem schlechten Zustand, zählt das Instrument zu den wertvollsten des Banats. Einer der letzten Priester dieser schwäbischen Gemeinde vor der Auswanderung war Pfarrer Wilhelm Prinzinger (*1. Juli 1918 Petrifeld / Sathmar, +1. Nov. 1992 Ebenweiler / Deutschland), der selbst einigen Jugendlichen das Orgelspiel beigebracht hat. In dieser Gemeinde wirkte in den Jahren 1894-1928 der Kantorlehrer Johann Ruß als Organist, der 1922 gemeinsam mit seinem Pfarrer Otto Dittrich den „Bund Banater Deutscher Sänger“ ins Leben gerufen hat.
Nach der Ansiedlung waren die ersten beiden Kantoren keine Lehrer, vielmehr waren es einfache Bauern aus der Gemeinde, die sich um den Kirchengesang bemühten. Die bei der Ansiedlung zugeteilten 4 Joch Lehrerfeld bezogen sich immer auf den Kantorlehrer. Erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts hatten Jugendliche aus den schwäbischen Dörfern die Gelegenheit in der Temeswarer Lehrerbildungsanstalt auch das Orgelspiel zu erlernen.
Die Gertjanoscher Orgel ist typisch für den Banater Orgelbau: sie besitzt nur ein kurzes Pedal, ihr Klang ist warm und doch strahlend und ihr Gehäuse fügt sich harmonisch in das Gesamtbild des Kirchenbaus. Trotz der etwas schwerfälligen mechanischen Traktur, konnten die alten Kantoren kunstvolle Vor- und Nachspiele darauf spielen oder zwischen den einzelnen Versen des Kirchenliedes kadenzieren.
Die 16 Register der Orgel sind wie folgt aufgeteilt:
Hauptwerk:
Principal 8´
Flöte 8´
Hohlflöte 8´
Oktave 4´
Flöte 4´
Nasat 2 2/3´
Waldflöte 2´
Superoktave 2´
Quinte 1 1/3´
Mixtur IV-III
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Positiv:
Gedeckt 8´
Gedeckt 4´
Principal 2´
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Pedal:
Subbass 16´
Bassflöte 8´
Oktavbass 8´
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Einige der originalen Registernamen von Orgelbauer Wälter waren: Portunal, Waldflöte, Copula major, Copula minor. Die meisten Änderungen stammen von der Renovierung durch den Orgelbauer Hromadka aus Temeswar im Jahre 1889. Die beiden Seitenemporen – ein Sonderfall im Banater Kirchenbau – wurden 1855 errichtet, da die Kirche für die stetig wachsende Gemeinde zu klein wurde. Auf dem Balg im Inneren der Orgel befindet sich die Aufschrift: "Anno 1872 / Parochus loco fecit / Antonius Niamesny / Cooperator / Andreas Foljakai / Thomas Dörner.“
Katholische Kirche Gertjanosch
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Innenansicht
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Blick zur Orgelempore
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Orgel von Wälter
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Vorderpositiv
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Heilige Cäcilia (Fahne des Männergesangvereins Gertjanosch)
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Positiv (Detail)
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Positiv (Pfeifenwerk)
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Das im Zopfstil erbaute Gertjanoscher Pfarrhaus
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Copyright © Dr. Franz Metz, München 2008
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