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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

70 Jahre Walcker-Orgel Opus 2654 im Bukarester Athenäum

Einige technische Aspekte

 

von Gerhard Walcker-Mayer

 

Am 22. April 1939 wurde die Konzertorgel im Bukarester Athenäum, dem Sitz der Enescu-Philharmonie und dem bedeutendsten historischen Konzertsaal Rumäniens (erbaut 1888), eingeweiht. Das Instrument, das unter der Leitung von Oscar Walcker in Ludwigsburg gebaut wurde, vereinigt auf mustergültige Weise die vielfachen Erfahrungen des großen Orgelbaumeisters, der so bedeutende Werke wie Rom (St. Peter, 1895), Dortmund (St. Reinoldikirche, 1909), Hamburg (Michaeliskirche, 1912), Stockholm (Stadthaus, 1924), Oslo (Dom, 1929), Barcelona (Weltausstellung, 1929) gebaut hatte.

Kaum ein Orgelbauer in Europa hatte so viele Gelegenheiten mit den bedeutendsten Komponisten und Organisten seiner Zeit Erfahrungen auszutauschen und diese im Bau von Orgeln wieder einfließen zu lassen. In München, Dortmund und Hamburg kam Oscar Walcker mit Max Reger zusammen, weitere intensive Kontakte hatte er mit Alfred Sittard und Karl Straube und vielen anderen Organisten.

Die Orgel in Bukarest weist daher einige Besonderheiten auf, die es kurz zu erläutern gilt. Es handelt sich um ein Werk, das hauptsächlich aus sogenannten Taschenladen besteht, die, was bei Konzertorgeln sehr wichtig ist, sehr geräuschlos arbeiten, und dort nur Ventile bewegt werden, wenn die entsprechenden Register und Töne aktiviert werden. Bei anderen Ladensystemen klappert immer die gesamte Mechanik mit, egal welche Register gerade eingeschaltet sind.

Um die Bauzeit der Orgel, wo man wieder mit Schleifladenbau begann und andere Windladensysteme Allgemeingut im Orgelbau waren, konnten viele Orgelbauer diese Dynamik nicht ohne weiteres in ihren Orgelwerken realisieren. Wir haben an dieser interessanten Technik noch hinzugefügt, dass sich nur Magnete bewegen, wenn Register auf der entsprechenden Lade eingeschaltet sind, so dass der Geräuschpegel weiter vermindert wurde.

An der Disposition erkennt man, dass nur 4 Transmissionen ins Pedal verfügt sind. Diese Transmissionen werden vom Schwellwerk entnommen. Auch hier hat sich die Erfahrung der Orgelbauer aus damaliger Zeit bezahlt gemacht. Denn diese Windladen wurden als Kegelladen gefertigt, weil man mit Rückschlagventilen in Taschenladen Probleme bei der Windführungen zu den Pfeifen bekommen hatte, während mit den Kegelladen gute Windverhältnisse mit Transmissionen realisiert werden können.

Die technische Anlage der Orgel war, wie damals üblich, elektropneumatisch ausgeführt, man hatte eigentlich für jeden der fast 700 Elektromagnete mindestens einen zugeordneten Kontakt, der über weitere Relaisschaltungen ein sehr großes Maß an Verkabelung und technischen Aufwand mit sich brachte. Beim Aufbau des Spieltisches auf der Bühne musste ein Steckerkonsortium von rund 700-poligen Elementen geschlossen werden, was im Laufe der Zeit immer wieder zu Problemen führte. Auch die elektromechanischen Relais im Spieltisch und in der Orgel mussten reguliert und sorgfältig gewartet werden.

Nach über vierzig Jahren mussten dann größere Teile immer wieder erneuert werden. Daher haben wir vorgeschlagen, diesen ganzen Bereich nach heutigem Standard auszuführen und diese Schaltungen mit mechanisch nicht mehr zu verschleißender Elektronik zu ersetzen. Das hat auch im Bereich der Wartung und Stimmung erheblich Vorteile, weil man mit einem einfachen Funkgerät alle Magnete innerhalb der Orgel steuern kann – also auf diese Weise auch die ganze Orgel stimmen kann.

Ein neuer Spieltisch, bedienbar nach heutigem Komfort, hat diesen technologischen Sprung abgeschlossen, und wir können davon ausgehen, dass dieser Bereich wartungsfrei für einen großen Zeitraum zur Verfügung stehen wird.

Die Konzeption dieser Orgel, mit Hauptwerk in der Mitte oben, darunter das Brustwerk im Schweller, links, oben und unten Schwellwerk, rechts das Pedal, wurde etwas in seiner Geradlinigkeit durch Arbeiten in den 60er Jahren gemildert, in dem man die Prospektpfeifen spielbar gemacht hat, mit einer weniger stabilen Konstruktion, und auch weitere Register eingebracht hat, die vom Gesamtklang nicht unbedingt den ursprünglichen, orgelbewegten Klangcharakter dieses Instrumentes begünstigt haben. Auch eine Veränderung in der Pedaldisposition und weiteren Aufhellung im Schwellwerk, die wir wieder rückgängig gemacht haben, haben für uns eine etwas schwierige Situation ergeben, bei der man sich sorgfältig überlegen musste, wie man „gewachsene“ Substanz und originale Klangsubstanz gegeneinander abwägen sollte.

Und hier war dieses Konzert von Dr. Franz Metz wertvoll, indem wir hören konnten, wie sich die rückgeführten Register (Nachthorn 8’ und Vox celeste 8’ im Schwellwerk) im Werk integrierten und wie sich vereinzelte Umintonationen dieser in der 60er Jahren hinzugefügten Register bewährt haben.

Ein großes Problem dieser Orgel stellen Zubauten dar, die wegen den verschiedenen Erdbeben 1940-43 und 1977, gemacht wurden. Es sind quer durch die Orgel ganz erhebliche großdimensionierte Stahlträger eingebaut worden, welche die Zugängigkeit erheblich beeinträchtigen und die auch der Grund waren, die ganzen Restaurierungsarbeiten vor Ort auszuführen, weil man dieses riesige Stahlträgergerüst nicht mehr entfernen und keine größeren Orgelteile ausbauen konnte. Es war möglich, die fünf Hauptbälge, die sich im unteren Drittel der Orgel befinden auszubauen, im Athenäum neu zu beledern, nicht aber die Windladen. Diese mussten in der Orgel verbleiben und dort wurden die Taschen respektive die Membranen der Kegelladen gegen neue ersetzt.

 

Diese Restaurierungsarbeit dauerte von Sommer 2007 bis Herbst 2008 und war, von den Sommerferien der Philharmonie abgesehen, eine Art Schichtarbeit. Teilweise mit Beginn in den frühen Morgenstunden oder nachmittags bis in die späte Nacht. Besonders bei der Intonation war das Abstimmen mit Proben und Aufführungen der musizierenden Künstler ein für die Orgelbauer sehr gewöhnungsbedürftiges Terrain, wo um einzelne Stunden gefeilscht werden musste. Aber es war mit dem sehr flexiblen Personal des Athenäums eine doch angenehme und freundliche Atmosphäre, an die wir uns immer wieder gerne zurückerinnern.

 

Disposition:

I. MANUAL – HAUPTWERK C-a´´´

22 Bourdon 16'

23 Prinzipal 8'

24 Spitzgamba 8'

25 Holzflöte 8'

26 Oktave 4'

27 Spitzflöte 4'  

28 Quinte 2 2/3'

29 Superoktav 2'

30 Mixtur 5-7 fach 1 1/3'

31 Zimbel 3 fach 1'   

32 Trompete 8'

33-41 Koppeln

 

 

 

 

 

 

 

 

II.  MANUAL – BRUSTWERK

42 Grobgedackt 8'

43 Quintatön 8' 

44 Ital. Prinzipal 4'

45 Nachthorn 4'

46 Deutsch Prinzipal 4'

47 Rohrflöte 2'

48 Kleinoktav 2'

49 Gemsquinte 1 1/3'

50 Sifflöte 1'

51 Mixtur 5-6fach 1 1/3'

52 Scharff 5fach 2/3'

53 Oboe 8'

54 Tremolo

55-59 Koppeln

 

 

 

 

 

 

III. MANUAL - SCHWELLWERK

60 Quintatön 16'

61 Prinzipal 8'

62 Nachthorn 8'

63 Gedackt 8'

64 Aeoline 8'

65 Vox celeste 8'

66 Hellprinzipal 4’

67 Rohrflöte 4'

68 Gemshorn 4'

69 Zartquinte 2 2/3'

70 Blockflöte 2'

71 Terz 1 3/5'

72 Mixtur 6 fach 2'

73 Basson 16'

74 Trompete 8'

75 Vox humana 8'

76 Clairon 4'

77 Tremolo

78 III 4'

79 III ab

 

PEDAL C-g'

1 Grand Bourdon 32'

2 Prinzipalbass 16'

3 Subbass 16'

4 Salicetbass 16'

5 Zartbass 16’ (Tr aus 60)

6 Oktavbass 8'

7 Bassflöte 8’ Tr aus 63

8 Choralbass 4' 

9 Russisch Horn 4' Tr aus 68

10 Nachthorn 2'

11 Pedalmixtur 5fach 2 2/3'

12 Posaune 16'

13 Pedaltrompete 8'

14 Bassoboe 8' (Tr aus 73)

15 Feldtrompete 4'

16 Singend Kornett 2'

17-21 Koppel

 

Franz Metz (geb. 1955) ist in der Banater Musikstadt Lugosch / Lugoj aufgewachsen und erhielt hier seinen ersten Musikunterricht bei seinem Vater, dem Kirchenmusiker Martin Metz, bei Dr. Josef Willer und Prof. Klara Peia. 1978 absolvierte er bei Prof. Lidia Sumnevici die Orgelklasse der Bukarester Musikhochschule, die 1954 von Prof. Helmut Plattner (heute Bayreuth) gegründet wurde. In dieser Zeit hatte er Gelegenheit, wichtige Anleitungen der beiden damals bekanntesten Organisten Rumäniens zu erhalten, Prof. Franz Xaver Dressler (Hermannstadt) und Msgr. Josef Gerstenengst (Bukarest). Bis 1985 wirkte Franz Metz als Organist, Chorleiter und Pädagoge in Temeswar, gab zahlreiche Orgelkonzerte an den bedeutendsten Orgeln des Landes und versuchte, im Rahmen der damaligen Möglichkeiten – bedingt durch die kommunistischen Strukturen dieses Landes – die Kunst des Orgelspiels an die jüngere Generation weiterzugeben.

Nach seiner Ausreise aus Rumänien wirkte Franz Metz ab 1985 als Stiftskantor in Hechingen und seit 2000 als Organist und Musikwissenschaftler in München. Er widmet sich besonders der Bekanntmachung Banater Orgelmusik wie auch der Werke bedeutender Komponisten aus Rumänien, wie Sigismund Toduta, Richard W. Oschanitzky, Walter Michael Klepper, Andreas Porfetye, Liviu Glodeanu, Gheorghe Firca, Valentin Timaru, die ihm einige ihrer Schöpfungen zur Uraufführung anvertrauten.

Nach der Wende von 1989 hat Franz Metz einige Jahre lang gemeinsam mit Dieter Hubov die ersten Meisterkurse für Organisten in Temeswar geleitet. Als Musikwissenschaftler hat er die ersten größeren Arbeiten zur Banater Orgelbaugeschichte veröffentlicht und sämtliche Orgeln dieses südosteuropäischen Kulturraums dokumentiert. Zu seinen Publikationen gehören auch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur Musikgeschichte Südosteuropas und zur Musikkultur der deutschen Minderheiten dieser Länder.

 

Programm:

- Alfred Mendelsohn (1910-1966): Toccata (1959)

- George Enescu (1881-1955): Andante religioso (1900)

- Richard W. Oschanitzky (1939-1979): Kaleidoskop. Variationen und Passacaglia nach einem eigenen Thema (op. 9, 1959/1963)

- Gheorghe Firca (geb. 1935): Drei kleine Präludien – nach rumänisch-orthodoxen Kirchengesängen aus dem Banat (1986) (Maestoso, Larghetto teneramente, Moderato)

- César Franck: (1822-1890): Grande piéce symphonique, op. 17

- Joh. Seb. Bach (1685-1750): Fantasia, G-Dur, BWV 572

- Louis Vierne (1870-1937): Carillon de Westminster

 

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2009

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