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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Die handgeschriebenen Choralbücher des Organisten Anton Wilfling.

Zur kirchenmusikalischen Praxis an der Domkirche zu Fünfkirchen (Pécs) gegen Ende des 18. Jahrhunderts

  • Biographische Daten
  • Bilddokumentation

Am 1. Dezember 1777 wurde Anton Wilfling (auch Vilfling) aus Heiligenkreutz (Niederösterreich) als Organist der Domkirche zu Fünfkirchen / Pécs (Ungarn) eingestellt. Dies erfahren wir aus einem Bericht der Stadt aus dem Jahre 1781 als Wilfling als Bürger der Stadt vereidigt wurde. Am 4. Dezember 1779 erfahren wir auch die neue Liste der Dommusiker und deren Gehalt. Anton Wilfling wird darin als zweiter Organist genannt, sein Gehalt war 330 fl. Bálint Depisch bekam als erster Organist 355 fl jährlich.

Einige Jahre später finden wir Wilfling bereits als erster Organist mit einem Gehalt von 325 fl. Zu den Angestellten der Dommusik, laut dem Schema Salariorum vom 31. Dezember 1786, gehörten auch namhafte Musiker wie Josef Peck (Regenschori), Franz Novotni und Franz Krommer. Aus dem Jahre 1793 ist uns ein weiteres Dokument zur Besetzung der Dommusik in Fünfkirchen erhalten geblieben (Schema Salariorum). Darin wurde neben Anton Wilfling als erster Organist auch Wenzel Tlusety als zweiter Organist angegeben.

Im Jahre 1787 beendeten Celestin Zeisberger, Anton Wilfling und Franz Novotni auf Befehl von Bischof Esterházy die Auflistung sämtlicher Musikalien der Domkirche. Dieses neue Inventar wurde von allen unterschrieben, mit Siegel und Stempel legalisiert. Leider beinhaltet diese Liste nur die Namen der Komponisten und die Nummer des Werkes, es fehlt der Werktitel, wie auch in den vorigen Inventaren. Man kann diesen Katalog mit 335 Kompositionen von 87 Komponisten als das Gesamtrepertoire der Fünfkirchner Dommusik im 18. Jahrhundert betrachten.

Im Jahre 1802 bestand die Domkapelle aus 18 Musikern, zu denen Anton Wilfling mit einem Jahresgehalt von 325 fl als erster Organist gehörte. 1803 sterben zwei weitere Musiker: Josef Krausz und Georg Vrecsay. Es wurde Anton Wilfling jun. eingestellt. Somit handelt es sich bis dahin um Anton Wilfling sen., also dem Vater oder einem Verwandten des neu eingestellten Musikers. Und dieser ist der Autor vieler handgeschriebener Choralbücher des Dommusikarchivs in Fünfkirchen. Der erste Band enthält zahlreiche Erläuterungen zur kirchenmusikalischen Praxis dieser Bischofskirche und kann als ein Kantorenlehrbuch betrachtet werden: Cantus Ceremoniales. Josephi Tóth, Choralistae Chadedralis Ecclesiae V. Ecclesiensis. 1828. (1856. Scripsit Antonius Wilfling. Organista). Vermerk mit Bleistift auf der Titelseite: Carl Wachauer. Die Hauptrolle wird bei all den beschriebenen kirchlichen Handlungen der Choralschola und dem Chor zugeteilt. Der kirchliche Volksgesang kommt in den beschriebenen Zeremonien fast nicht vor:

 

In Festo Purificationis B.M.V. (S. 3):

Erklärung: Uiber bevorstehendes Fest, am 2ten Febr: Maria Lichtmess

Anfangs wird aus dem Römer-Graduale die vorgeschriebene Antiphon abgesungen und die hiebey vorkommenden Versiculn beantwortet. Wenn nun die Kerzen benediciret sind, und solche ausgetheilt werden, wird von dem Chor sogleich gesungen: das Lumen etc. ut folio 3. so lange die Kerzen-Austheilung fortdauert. Dann folegt sogleich hierauf das Exurge, fol 4. beyn gänzlichen Schlusse singt der Diacon: Procedamus in Pace, worauf der Chor respondiret: In nomine Christi, Amen. Alsdann geht die Procession innerhalb der Kirche mit dem gesegneten angezündeten Kerzen bis wieder zum Altar, wofon sie abgegangen ist, und wird unter währender Procession gesungen: Adorna, fl. 4. nebst der Antiphon: Amplectere und Responsum samt dem beigefügten Einladungs-Artikel: Obtulerunt, mit welchem für heutiges Fest die sämtlichen Ceremonien gänzlich beschlossen sind.

 

Dominica Palmarum (S. 8):

Eintragungen mit Bleistift: "Anno 1859. Die Choralisten singen nur zur Procession, welche um 9 Uhr stattfindet, die Passion wird von dem Clerus gesungen. Die Passionen vom Dienstag und Mittwoch werden von den Choralisten gesungen. Mittwoch um 3/4 4 Uhr beginnen die Lamentationen".

Erklärung. Uiber die Ceremonien am Palm-Sonntag

Sobald der Priester vor das Altar tritt, die Palmen zu weihen, fängt der Chor an zu singen: Hosanna Filio David. Nach der Epistel geschiehet der Stafel-Gesang: Collegerunt aus dem Römischen Graduale, worauf das Evangelium gelesen wird. Endlich geschieht die Palmenweihe unter abgesungener Praefation, sobald nun solche geendigt sungt der Chor: Sanctus. der Priester spricht noch 6 Gebete, dann wendet er sich gegen das Volk, und theilet die Palmen aus. Inzwischen wird von dem Chor gesungen: Pueri Haebreorum. Diese beyden Antiphonen werden solange fort repetirt bis die Austheilung beendigt endlich folget zum Beschluß noch ein Gebeth, nach welchem der Diaconus spricht: Procedamus in Pace und von dem Chor beantwortet wird: In nomine Christi, Amen. Nun geschiehet die Procession ausserhalb der Kirche, unter welcher von dem Chor gesungen wird: Cum appropinquaret. Es tretten sodann 2 oder 4 Sänger in die Kirche, verschließen die Thüre und singen: Gloria, laus et honor; die außerhalb stehende Cleritey beantwortet eben fälligen Vers, in der Melodie, wie eben auch zu sehen, die Sänger innerhalb singen die noch übrigen 5 Verse, nach jedem Vers aber wird immer von aussen durch das Gloria, laus et honor geantwortet; endlich da die Thüre nach geschehenen Anklopfen eröffent worden, und die aussen stehenden in die Kirche tretten; singt der vereinbarte Chor: Ingrediente, wobey am Ende aber kein Gloria Patri gesungen wird; die ganze Procession gehet in gehöriger Ordnung bis in den Hauptgang des Altars, allwo sich der Priester mit seinen Assistenten lostrennt, in die Sacristey sich begiebt, um das Amt der heiligen Mess zu lesen.

 

In Coena Domini (S. 17):

Anfang 9 Uhr. Kyrie (Choralisten), Gloria (Figural), Graduale, Credo, Offertorium, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei (choraliter). Dann folgt die Communion der Prister und nach dem Confiteor die Communion der Clerici, wozu von den Choralisten Lauda Sion gesungen wird. Danach folgt Communio (choraliter) und dann ist aus.

 

Erklärung. Uiber die Ceremonien am Grünen Donnerstag (S. 24):

Bei Uibertragung des Ciboriums in die Capelle, welches Processionaliter geschieht, wird von dem Chor das Pange lingua angestimmt, und von der gesammten Clerisey ganz bis zum Ende abgesungen wie fol. andeutet. Die Procession gehet stillschweigend zurück. Nach vollendeter Vesper geschiehet die Fußwaschung und wird von denen Choralisten gesungen die Antiphon: Mandatum novum, ut fol. 8. Die übrigen Antiphonen, welche einen Psalm oder Vers haben, können nach Belieben repetirt werden. Sollte die Fußwaschung aber ehender geendigt werden, als man das gesammte vorgeschriebene Gesang auszusingen im Stande wäre, so können ohne Bedenken einige Strophen ausgelassen werden und die Antiphon Ubi Charitas anstimmen. Wenn nun der Pontificant fertig und sich zu seinem bestimmten Orte verfüget, Pater noster samt einigen V. welche fol. 23 stehen, und wird das R. wie auf dem nemmlichen Blatte zu sehen, jederzeit beantwortet.

 

In Parasceve. In Adoratione SS. Crucis. (S. 25):

Erklärung. Uiber die Ceremonien an dem heiligen Char-Freitage

Nach abgesungener Passion und einiger hierauf folgenden abgelesenen Gebete, legt der Priester die Casul von sich, geht an der Epistel-Seite hinter den Altar, nimmt das zubereitete Kreuz und indeme solches ein wenig entblösst, singt er wie fol., nemmlich Ecce lignum crucis, worauf seine Diener weiter singen: In quo salus mundi pendit, auf welches der Chor respondiret Venite adoremus, unter während diesem Gesang fällt der Priester auf die Erde, solches wird noch zweymal, immer um einen Ton höher gesungen. Nachdeme der Priester das nunmehro ganz entblösste Kreuz mitten für das Altar geleget hat, gehet er beiseits, leget seine Schuh von sich, und geht sodann hin, unter dreifachen Kniefall, das Kreuz anzubeten und zu küssen, welchem ein gleiches zu thun, die ganze Clerisey folget. Unter dieser Anbethung werden von dem Chor die Impropria oder Verweisungen gesungen, nemmlich Popule meus, welches in gehöriger Ordnung zu singen das Römische Grdauale anzeigt. Wenn nun die Anbethung geendigt, wird sogleich das Gesang beschlossen. Nun gehet die Procession stillschweigend in die Capelle, im herausgehen mit dem Venerabile, wird von dem ganzen Chor gesungen der Hymnus Vexilla regis. Nachdeme vollendet der Priester den übrigen des Messopfers, nach geschehener Purification wird Vesper gebethet, alsdann das Venerabile ins heilige Grab getragen unter dieser letzten Procession wird von denen Choralisten das musicalische Ecce quomodo abgesungen, und mit diesen die heutige Andacht beschlossen.

 

Sabbato Sancto (S. 28):

Erklärung. Uiber die Ceremonien am heiligen Oster-Samstage

Früh nach vollendeten Horas geschieht die Holzweihe, nach dieser verfügt sich der Prister samz der ganzen Clerisey in die Kirche. Es werden nach der abgesungenen Prefacion die Prophezeyungen gelesen. Nach der 4-ten wird von denen Choralisten der Tractus Cantemus Domino in Graduali Romano, der Tractus Vinea facta est, nach der 11-ten der Tractus Attende coelum. Nach der 12-ten aber gehet der Priester und gesammte Geistlichkeit zu den Taufbrunnen, unter währendem Gesang wird durch die Choralisten gesungen der Tractus Sicut servus. Im Ruckgange singen die Clericis die Litaney von allen Heiligen. Endlich kömmt der Priester aus der Sacristey, und tritt cor den Altar, sogleich singt der Chor das solemne Kyrie, ohne Orgel. Unter der Glocken getöne wird mit Orgel und Musick das solemne Gloria abgesungen. Nach der Epistel singt der Priester das 3-mahlige Alleluja, welches immer von dem Chor in nemmlichen Tone beantwortet wid, auf das drittemahl aber folget sogleich mit Orgel der Versus Confitemini. Sanctus, Pleni, Benedictus, Osanna ist musicalisch. Nach der Communio singt der Chor das 3-fache Alleluja, worauf dann sogleich zur Vesper der Psalm Laudate Dominum doch ohne Gloria Patri musicalisch abgesungen, und das erwähnte Alleluja wiederholt wird. Endlich intonirt der Priester die Antiphon Vesper autem Sabatti, worauf der Chor weiter singet Quae lucescit, alsdann folget das intonirende Magnificat, sobald solches samt den Gloria Patri musicalisch beendiget, wiederholt der Chor die Antiphon ganz, nemmlich: Vespere autem Sabbati, quae lucescit in prima Sabbati, Venit Maria Magdalene, et altera Maria videre sepulchrum, Alleluja. Zum Beschluss der Mess wird gesungen das Ite Missa est, mit dem doppelten Alleluja, Alleluja, und wird solches con dem Chor ohne Orgel beantwortet in den nemmlichen Ton und Melodie, nemmlich Deo gratias, Alleluja, Alleluja.

 

Ceremonien. An dem heiligen Oster Sonnabende oder Auferstehung Christi (S. 39):

Nach vollendetem Chor verfügt sich der Priester mit seinen Assistenten von den hohen Altar, wenn nun die ganze Clerisey mit brennenden Lichtern versehen ist, geht man in gehöriger Ordnung zum heiligen Grabe, alles Volk fällt mit dem Priester auf die Knie, betet eine Weil in der Stille, endlich tritt der Priester auf den erhöhten Stafel, nimmt das ausgesetzte Venerabile und singt: Exurge, worauf der gesammte Chor antwortet: Quare abdormis Domine, dann wird durch den Cantor der Psalm Domine probasti angestimmt und durch den Chor ganz abgesungen, welches aber kniend geschehen muss. Der Priester wendet sich anitzt mit dem Venerabile gegen das Volk und singt: Resurrexit. Der Chor antwortet: Et adhuc tecum sum. Nach diesem Gesang gehet man processionaliter zum hohen Altar, der Priester singt zu drey wiederholtemahle: Pax vobis ego sum, Alleluja, allezeit erhöheter Stimme, worauf der Chor allezeit antwortet: Nolite timere, Alleluja. Endlich singt der Priester in beliebiger Sprache die Worte: Christus ist erstanden, die Procession singt weiter die dazu gehörigen Worte unter dem Getöne der Glocken. Nach vollendeter Procession wird mit dem Venerabile der Segen ertheilet, und das Regina coeli mit der Orgel abgesungen, welches die ganze Andacht schlüsst.

 

In Die Festo Sanctae Marci (S. 41):

Erklärung. Uiber den Gottesdienst an dem Heiligen Marcus-Tage

Nach vollendeter Terz und abgelesener Convent Mess geht er Priester aus der Sacristey vor den Altar, dann fangen die Choralisten in Ferialton zu singen an die Antiphon: Exaudi nos Domine, beim Schlusse folget der V: Propitius esto, R: Propter nomen tuum. Dann wird durch den Cleric.Chor die Allerheiligen Litaney bis Sancta Maria angefangen, und indeme sich die Procession erhebet, fort gesungen, bis man den bestimmten Fruchtacker betretten hat, und wenn nun die Litaney ganz ausgesungen wird, kniender ein Vater unser still gebettet, worauf folget der V: Et ne nos, R: Sed libera nos a malo, V: Domine exaude, R:Et clamor meus ad te veniat, V: Dominus vobiscum, R: Et cum spiritu tuo, V: Oremus: Pietatem tuam, R: Amen. Gleich hierauf werden die 4 Evangelien gegen Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht mit denen hiezu gehörigen Tracten abgelesen wie fol. 42 hinlänglich und klar vorgeschrieben stehet. Nach dem letzten Gebete und Einsegnung der Frucht singen 2 Cantores die Lauretanische Litaney welche sie bey den Worten: Sancta Maria anfangen, solches noch zweimal repetiren, auf jedesmal aber die Beantwortung: Ora pro nobis, abwarten, und sodann unter währenden Rückgang weiter singen, nemmlich Sancta Dei genitrix. Sobald die Procession sich der Kirche beyleifig einen guten Steinwurf nahe befindet, wird intoniret das Te Deum laudamus, unter welchem Gesang man in die Kirche eintritt, worauf zum Beschluss das Regina coeli folget; dan werden die Horas gebetet und der Gottesdienst ist beendigt.

 

Erklärung. Uiber den Gottesdienst an denen dreien heiligen Bitt-Tägen (S. 57):

An jedem dieser Tage fängt der Gottesdienst an wie an dem Marcustage, wie bey der Belehrung zu sehen ist. Die Procession begiebt sich aber nicht auf den Fruchtacker sondern nimmt ihren Weg am ersten Tage in die Mutter-Gottes-Kirche, allwo nach gehaltener Mess und Predigt die Suffragien abgelesen werden. Der Anfang geschieht bey V: De B.M. Virgine, Antiphon: Regina coeli (...) und gleich darauf durch 2 Knaben das Exaudi samt der Beantwortung des Chors Miserere gesungen wird. (...)

 

Bilddokumentation

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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