DER GROSSE TAG TEMESWARS
Die Befreiung Temeswars wurde vor 290 Jahren in Wien und Hamburg musikalisch gefeiert
von Dr. Franz Metz
Die Festung Temeswar (heute Timisoara, Banat, Rumänien) wirkte im 17. Jahrhundert wie en Bollwerk gegen jeden Eindringling. Selbst der Kriegsrat des Sultans stellte bereits 1695 schriftlich fest, dass „…die Festung Belgrad ohne Temeswar und Temeswar ohne Belgrad“ nicht einzunehmen wäre. In mehreren Heldenliedern haben die Türken ihre Siege von Ofen, Belgrad und Temeswar bereits im 16. Jahrhundert besungen. So gab es auch ein Lied über die Festung Temeswar (Temesvar Túrkúsú). Sämtliche Lieder stammten vom Derwisch Gazi Hasan, der bei türkischen Festlichkeiten diese auf Wunsch der Anwesenden anstimmen musste. Selbst der türkische Kaiser (Sultan) belohnte ihn für seine schöne Musik, worauf er diesen mit Naturalien und Geld beschenkt hat.
Von der der Bedeutung beider Festungen Temeswar und Belgrad wusste auch Prinz Eugen: beide Festungen müssten nacheinander belagert, angegriffen und erobert werden, um die osmanische Gefahr endgültig zu bändigen. Aus diesem Grunde wurden beide Festungen in den Jahren 1716 und 1717 nacheinander vom kaiserlichen Heer angegriffen und siegreich erobert.
Aus Anlass des Sieges des österreichischen Heeres gegen die Türken und der Einnahme der Festung Temeswar, veranlasste Kaiser Karl VI. (1711-1740) in der Wiener Hofburgkapelle am 16. Oktober 1716 die Feier eines Messopfers, bei dem ein doppelchöriges Te Deum von der Hofmusik gesungen wurde.
Uns ist auch der Text eines Lobliedes auf den Sieg des kaiserlichen Heeres gegen die Türken vom 12. Oktober 1716 in Temeswar erhalten geblieben, der von einem anonymen Dichter stammt. Gesungen wurde das Lied nach der Melodie des TE DEUM LAUDAMUS.
Erfreut euch, ihr Christen, frohlocket mit mir,
Unlängst ist ankommen ein Zeitung allhier,
Daß Gott hat erhöret der Christen ihr Flehn
Und selbe mit gnädigen Augen angsehn.
Wie nehmlich der Türkische Monden verlohren
Temeswar, die Vestung, hingegen erkohren
Deß Kaysers sein Adler, derselben zum Schutz,
Der soll sie besitzen dem Türcken zum Trutz.
Dann als Prinz Eugeni, der tapfere Held,
Die letztere Schlacht hat gewonnen im Feld,
Ertheilt er die Ordre auff Themeswar fort,
Herzhafft zu belägern den mächtigen Orth.(...)
Nun laßt uns Gott dancken vor diese Genad,
Die er abermahlen verliehen uns hat,
Und bitten vor diese, so für uns thun fechten
Daß er stets verleyhe Sieg, Stärcke und Kräfften.
Den König deß Himmels demüthig verehren,
Er woll unserem Kayser langs Leben bescheren,
Daß er lang regiere mit Stärck und Bestand,
Und endlich einnehme das Türckische Land.
Gott! hilf Printz Eugenij tapfferer Hand,
Den Türck zu besiegen zu Wasser und Land,
Biß wir in Jerusalem kommen zusammen,
Wer dieses recht wünschet, sing Alleluja.
Der Siegeszug Prinz Eugens gegen das osmanische Heer in Temeswar und Belgrad blieb selbst in dem norddeutschen Hamburg nicht unerwähnt. An der Hamburger Oper am Gänsemarkt wird nur ein Monat nach dem Sieg gegen die Türken Reinhard Keisers (1674-1739) neuestes Werk aufgeführt: Das zerstörte Troja, / Oder: / Der durch den Tod Helenen versöhnte Achilles, / Wurde an dem Theuren Carols-Tage / Wegen des neulichen von Ihro Röm. Kays. und Cathol. Maj. Unsern / Allergnädigsten Kayser und Herrn, über die Türcken befochtenen Sieges / und der darauf höchst glücklich erfolgten Eroberung der sehr wichtigen / Vestung Temeswar, / Zu allerunterthänigster Bezeugung der hierob geschöpfften Freude / In einem Musicalischen Sing-Spiel / Auf dem Hamburgischen Schau-Platz / vorgestellt im November, 1716.
Im Vorbericht vergleicht der Verfasser das Schicksal der „ehemals so sehr berühmten und mächtigen Stadt Troja“ mit jenem der durch Kaiser Karl VI. „eroberten starcken Vestung“ Temeswar: „(...) Da nun mit ihrem Brandt und Flammen alles schiene gleichsam verlodert zu seyn / haben doch die Ruinen derselben Gelegenheit gegeben / ein Schau-Spiel / angehend einige nach der Zerstörung sich ereignende Begebenheit auf hiesigem Theatro, und zwar an dem theuren Carols-Tage aufzuführen / an welchem noch alle Welt wegen des neulichen unvergleichlichen über die von den Trojanern / nach einiger Meinung / abstammende Türcken / befochtenen Sieges noch in tieffer Verwunderung stehet / und sich eifrigst bemühet / unsern Unüberwindlichsten Kayser Carl aus den ruinirten Wercken und Mauern der eroberten starcken Vestung Temeswar Triumph- und Ehren-Mahle aufzurichten / welche gerechte Bemühung um so viel desto mehr statt findet, weilen dieser so höchst importante und von den Türcken selbst schier für unüberwindlich geschätzte Ort (welcher über anderthalb Secula aus des Türckischen Blut-Hundes Klauen nicht hat können gerissen werden) gleichsam nur durch den tapffern Carol VI. / wie Troja nach Calchas Spruch durch Achilles allein hat wieder können erobert und bezwungen werden. (...) Es stärcket uns hierinnen die allgemeine Furcht und das ungemeine Schrecken in welches gantze Türckische Reich durch die erhaltenen grossen Siege unsers unüberwindlichsten Carols diesmahl gesetzt worden. (...) Der Kayser aller Kayser und König aller Könige (...) gebe, daß ein Sieg auf den anderen folgen / Belgrad ehisten in die Arme seines rechtmäßigen Herrn und Kaysers Carols zurück kehren (...) ja der gewünschte Friede und die Ruhe des gantzen Reiches ehisten wieder hergestellt werden möge. (...)“
Ein Jahr später, 1717, wurde in der Hamburger Oper am Gänsemarkt ein anderes Werk von Reinhard Keiser aufgeführt, wodurch an den Sieg Kaiser Karls VI. gegen das osmanische Heer in Belgrad und Temeswar erinnert werden sollte: Der die Vestung Siebenbürgisch-Weissenburg erobernde und / über die Dacier triumphirende Kayser / Trajanus, / wurde, / An dem theuren Carols- und Nahmens-Tage Ihro Röm. Kayserl. Und / Cathol. Majestät etc. etc. / Wegen des andern, unter Helden-müthiger Anführung Ihro Durchl. / des Printzen Eugenius über die Türcken befochtenen Sieges, / und darauf höchst glücklich erfolgten Eroberung / der Vestung Griechisch-Weissenburg / oder Belgrad. / Zu Bezeugung der allerunterthänigsten hierob geschöpfften Freude / in einem dazu verfertigten Sing-Spiele und desswegen errichteter Ehren-Pforte / Auf dem Hamburgischen Schau-Platz fürgestellet, / Im Monath November, 1717.
Die Handlung spielt sich in der Zeit der römischen Kriege gegen die Daker, zur Zeit Kaiser Trajans und des dakischen Königs Decebals ab. Ort der Handlung ist das südliche Banater Bergland an der Donau wie auch die Hauptstadt der Daker, Sarmisegetuza. Keiser widmet das Werk „dem Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten und Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn Herrn Carol dem Sechsten, Erwählter Römischer Kayser zu allen Zeiten Mehrern des Reiches in Germanien, Hispanien, zu Hungarn und Böheim, Dalmatien, Croatien und Sclavonien (...)“ Der Sieg des römischen Kaisers gegen die Daker bei Alba Julia (Siebenbürgisch-Weissenburg) wird mit dem Sieg von Karl VI. gegen die Türken in der Schlacht bei Belgrad (Griechisch-Weissenburg) verglichen. Der Widmungstext wie auch der Vorbericht des Textheftes dieser Oper sind kleine historisch-geographische Abhandlungen über Dazien und die römischen Eroberungskriege: „(...) Es wird also Ew. Majest. als ein wahrer Abdruck der Vollkommenheiten dieser Regenten allergnädigst erlauben, daß, da wir Dero Sieg-reiche Waffen auf dem ehmaligen Kampff- und Sieges-Platz des triumphirenden Augustus und Trajanus, nemlich in Dacien und Mysien (nunmehro einen Thei in Oberungarn, der Wallachey und Servien) die treflichste Siege erhalten, die Christlichen Fahnen auf Türckischen Grund und Boden wehen, die unrechtmäßigen bisherigen Besitzer von den bergichten Dacien nach ihrer erschrecklichen Niederlage fliehen, und die wichtige Vestung Griechisch-Weissenburg erobern sehen, gegenwärtiges Schau-Spiel (...) zu Eu. Kayserl. Maj., meines allergnädigsten Herrens, geweihten Füssen allerunterthänigst niederlege. (...)“
Der Autor beschreibt in seinem Vorbericht des Librettos zu seiner Oper den genauen Verlauf der damaligen Grenzen des dakischen Königreiches wie auch die Gliederung des Landes. Das Gebiet des heutigen Banates gehörte demnach zu Dacia Ripiensis, gelegen „zwischen der Donau, Theiß und Kreisch, in dem Ober-Theile von Ungarn, wo Jula, Temeswar und Wardein liegen, und wovon sich die Siebenbürgische Hertzoge noch Dominos Partium Regni Hungariae nennen (...)“ Über die Daker schreibt der Autor: „Die Dacier aber waren die führnemsten und ersten darunter, so des Römischen Jochs ungewohnt, durch Tapfferkeit die Freyheit wieder zu erhalten suchten.“ Es werden die siebenbürgischen Orte Deva, Ulpia-Trajana Sarmisegetuza und Alba Julia beschrieben, außerdem wird über den Bau der Brücke über die Donau berichtet, ein Werk, dass in der Römerzeit zu den Weltwundern gezählt wurde. Johann Joachim Hoë, der Autor des Vorberichtes, versäumt es nicht den Vergleich zwischen den beiden Kaisern Trajanus und Karl VI. ständig in Erinnerung zu rufen: „Sein Kriegesheer ist ja unter Anführung des tapfferen Helden Eugenius die Donau zwey mal, wie Trajanus seines, passiret; beyde haben zwey mal ihren stolzen Feind geschlagen: und wie die siegende Waffen des Trajamus Siebenbürgisch-Weissenburg, so haben die Römisch-Teutschen nur zum Siegen bereitete Waffen des Großmächtigsten Kaysers Carols VI. Griechisch-Weissenburg erobert. Kurtz, Trajamus eroberte eben das Dacien, darüber nun unser anderer Trajanus, der VI. Carol, triumphiret. Daciam Ripensem hat er durch die denckwürdige Schlacht bey Peterwardein, und die Eroberung der unvergleichlichen Vestung Temeswar, als wo es zu Zeiten der Römer lag, eingenommen. (...)“ Darin wird die Verbindung zur Opernvorstellung vom November des Jahres 1716 hervorgehoben, ebenfalls eine Kriegs-Historie, angepasst an die aktuellen politischen Geschehnisse an der Unteren Donau. Die Musik dieser beiden Opern Reinhard Keisers blieb bisher verschollen.
Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007
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