Aus Paris über Rom nach Maria-Radna
Die Wegenstein-Orgel der Basilika zu Maria-Radna (erbaut 1905)
Von Dr. Franz Metz
- Entstehungsgeschichte
- Beschreibung
- Bilddokumentation
Ein hohes Alter für eine historisch wichtige Orgel ist es nicht, stehen doch in Banater Kirchen auch solche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts stammen. Doch ihre Geschichte ist äußerst spannend und interessant, verbindet sie doch Elemente des französischen Orgelbaus des 19. Jahrhunderts mit jenem des damaligen Ungarns. Welcher Wallfahrer, der die Basilika zu Maria-Radna betreten hat, wurde von dem in Weiß und Gold gefassten Gehäuse der Orgel nicht ins Staunen versetzt? Dabei handelt es sich um ein wahres Meisterwerk des Temeswarer Orgelbauers Carl Leopold Wegenstein (1858 Wien – 1937 Temeswar), das er vor mehr als 100 Jahren (1905) errichtet hat.
Wegenstein erlernte seinen Beruf als Orgelbauer in Wien. 1880 ließ er sich in Temeswar nieder, heiratete die Tochter des Orgelbauers Josef Hromadka und begann hier Orgeln zu bauen. In der Mehrzahl sind es Instrumente von guter Qualität, die späteren Fabriksorgeln seiner Nachfahren sind aber von geringerer Güte. Von seinen acht Kindern wurden Richard, Josef und Viktor seine Nachfolger im Orgelbau. Die erste Werkstatt hat er 1888 im Hause Hromadka eingerichtet, sie wurde aber bald zu klein für die Bewältigung der Aufträge, so dass er eine größere, modernere in der Elisabethstadt errichtete. Hier arbeitete er mit Dampfmaschinen und später auch mit elektrischen Maschinen. Wegenstein bezeichnete seine Firma auf dem Briefkopf seiner Korrespondenz als „Erste Orgelbauanstalt Südungarns mit Dampfmaschinen“. Seit 1921 hieß die Firma L. Wegenstein und Söhne, Leiter blieb er jedoch bis zum 10. März 1937.
Seine erste große Orgel ist die in der Temeswarer innerstädtischen Pfarrkirche, die 1896 bei der Weltausstellung in Budapest einen ersten Preis erhielt. Sie wurde danach von den Stadtvätern Temeswars angekauft und führt deshalb auch das Stadtwappen in der Stirnkartusche. Sie befindet sich heute in einem fast unspielbaren Zustand. Weitere große Wegenstein-Orgeln stehen in der Temeswarer Innerstädtischen Synagoge, Maria-Radna, St. Josephskathedrale (Bukarest), in der Millenniumskirche der Fabrikstadt (Temeswar), im Temeswarer Dom als Opus 100, in Ungarn und in Serbien. Auf dem Kostenvoranschlag für die Millenniumsorgel notierte der damalige Stadtpfarrer Brandt die Daten über Wegensteins Ausbildung: „Studienreise bei: Walker in Ludwigsburg, Jämlich Dresden, Dinze in Berlin, Weigle Stuttgart, Hickmann in Dachwig bei Erfurt, Goll in Luzern, Kaufmann in Dresden, Gissege in Göttingen, Laukuf Weikersdorf bei Koblenz.“
Obzwar die Wallfahrtskirche der Franziskaner in Maria-Radna nie ein eigenes Kirchenmusikensemble hatte, wurden gelegentlich höherer Besuche und zu wichtigeren Festtagen Kirchenmusiker, Instrumentalisten und Chöre aus Arad, Lippa und Temeswar eingeladen. Bei Wallfahrten wurden die Kirchenlieder auf der Orgel begleitet und wie die Zahl der Pilger nach 1900 immer mehr zunahm brauchte man auch ein größeres Instrument dafür. Aus der Historia Domus des Radnaer Franziskanerklosters erfahren wir, dass 1797-98 der Temeswarer Orgelbauer Franz Anton Wälter eine neue Orgel mit 20 Registern erbaut hat. In den nachfolgenden Jahren werden sich auch zwei Mitglieder des Franziskanerordens um die gute Funktionsfähigkeit dieser Orgel bemühen: Frater Simon Sangl und Fr. Ignatius Lehner. Sangl erbaute 1818 selbst eine kleine Orgel (Positiv) für die Wallfahrtskirche, später war er in den Klöstern von Arad und Wukowa tätig. Im Jahre 1854 wurde Orgelbauer Stephan Hechinger aus Wien beauftragt, die Orgel für 240 fl. CM zu reparieren und zu stimmen. 1893 wurde zum ersten Mal Wegenstein mit dieser Aufgabe betraut, der in den nächsten Jahren kleinere Reparaturen durchführen wird. Vermutlich war dies auch der Grund, weshalb man sich 1905 für einen Neubau entschieden hat.
Im 19. Jahrhundert setzte sich der französische Orgelbau fast im ganzen Europa als Richtungsweisender Typus durch. Der wichtigste Vertreter dieses Baustils war Aristide Cavaillé-Coll dessen Werkstatt sich in Paris befand. Viele der heutigen großen Kathedralorgeln Frankreichs stammen aus dieser Werkstatt. Aristide Cavaillé-Coll hatte im Sinn, für die St. Petersbasilika in Rom die bis dahin größte Orgel der Welt zu erbauen. Mit 77 Jahren sagte er: „Mit der Orgel von St. Peter werde ich meine Laufbahn beenden.“ Cavaillé-Coll wollte noch dieses monumentale, einmalige Orgelwerk für die römische St. Peterskirche verwirklichen, ein Werk das alle Rekorde im Orgelbau schlagen sollte: mit 155 Register, fünf 32-füßige, 23 16-füßige Register, 8.316 Pfeifen, Zinntrompeten als Aliquoten, die größte Zinnpfeife sollte eine Länge von 12 Meter und einen Umfang von 2 Meter haben, all dies verteilt auf 5 Manualen und Pedal. Im Jahre 1875 veröffentlichte er diesen Entwurf in einem Buch.
Noch im selben Jahr wurde der Orgelbauer von Papst Pius IX. Im Vatikan empfangen. Der Plan für den Bau dieser Monumentalorgel wurde gelobt, doch es blieb dabei. Nach einer Zeit ließ er im Zehntelmaßstab ein Modell mit versilberten Pfeifen und allen Einzelheiten anfertigen, das in der Jubiläumsausstellung 1888 zu sehen war. Hier wurde dieses Werk von vielen Besuchern bestaunt, zu den vielen Bewunderern zählten auch zwei Orgelbauer aus dem damaligen südungarischen Raum, der eine war Josef Angster aus Pécs / Fünfkirchen, der andere Carl Leopold Wegenstein aus Wien, der in Temeswar eine eigene Orgelbauwerkstätte eröffnet hat.
Einige Jahre später, 1905, gelang es Wegenstein diesen für Rom bestimmten Monumentalentwurf im Banat teilweise zu verwirklichen. Um 1980 konnte ich im Archiv des Temeswarer Bistums eine Zeichnung Wegensteins mit dem Prospekt einer Orgel entdecken und der Aufschrift:
Orgel Projekt von C. L. Wegenstein
1905
entnommen
von dem Monumental Orgel-Entwurf von
St. Peter in Rom von A. Cavaillé-Coll.
Dabei handelt es sich um den Plan der zukünftigen Orgel der Wallfahrtkirche zu Maria Radna. Diese Skizze wurde auch für den Bau der Temeswarer Domorgel im Jahre 1908 als Opus 100 verwendet, deshalb die mit Hand korriegierte Jahreszahl „1908“. Beide Orgeln haben fast das gleiche Gehäuse. Wegenstein entnahm dem Projektentwurf von Cavaille-Coll nur den Prospekt, der in verkleinertem Maßstab in Radna verwirklicht werden konnte. Dieses Instrument hat 26 Register, zwei Manuale und Pedal und ist mit einer pneumatischen Traktur (pneumatische Kegellade) ausgestattet. Im Werkverzeichnis Wegensteins anlässlich des 20-jährigen Firmenjubiläums im Jahre 1913 wird diese Orgel als 65. Werk angegeben.
Am 5. März 1905 traf sich, laut der Chronik des Franziskanerklosters zu Maria-Radna, die Kommission zum Bau der neuen Orgel: Ferch Ödön (Edmund), Arader Lehrer; Szantó Péter, Lippaer Lehrer; Szikova Béla, Radnaer Lehrer; Sonner Béla, Lippaer Kantor; Teofil Dosztál, Lippaer Lehrer. Es stellte sich die Frage ob Otto Rieger aus Budapest oder Leopold Wegenstein aus Temeswar dieser so wichtige Auftrag anvertraut werden soll. Beide Kostenvoranschläge waren mit 12.000 Kronen berechnet. Die alte Orgel der Wallfahrtskirche, erbaut von Franz Anton Wälter 1798, übernahm letztendlich Wegenstein für 1.000 Kronen der auch den Auftrag erhielt.
Noch im selben Jahr, am 25. November 1905, traf sich eine Gruppe von Experten, um die neue Orgel zu übernehmen: Ferch Ödön (Edmund), Szantó Péter, Teofil Dostál und Szikova Béla. Bei der Orgelweihe hielt Pater Quardian P. Domonkos die Messe, Ferch Ödön aus Arad spielte die Orgel, Szantó Péter leitete den Lippaer Chor. Die neue Orgel wurde in nur 14 Tagen in der Kirche aufgebaut. Laut dem Protokoll wurde diese Aufgabe ausgeführt durch Leopold Wegenstein als Beauftragter und dessen Sohn Richard Wegenstein, Franz Molzer als Monteur und Stimmer aus Wien, Josef Christ als Spezialist für den Spieltisch, Heinrich Kamenik, zuständig für das Gehäuse und die Windladen, Josef Erdödi als Monteur, Johann Ludwig als Pfeifenbauer wie auch die Tischler Julius Schlarp, Rudolf Rebl und Georg Kager. Das Protokoll der Abnahme zählt auch die Kosten für die verschiedenen Arbeiten auf, wie z.B. die Lieferung der Statuen und Ornamente für das Gehäuse für 2.200 Kronen, die Zinnpfeifen für 4.982 Kronen, 2 Waggon Holz 2.000 Kronen, Pedaltürme 280 Kronen, u.s.w. Die Gesamtsumme betrug 15.732 Kronen.
Die Zeitschrift für Instrumentenbauer (Wien) brachte im selben Jahr einen genauen Bericht über das neue Werk Wegensteins:
Die Wallfahrtskirche zu Maria-Radna hat ein am 26. November 1905 übernommenes neues pneumatisches Orgelwerk aus der Orgelbauanstalt von C. L. Wegenstein in Temesvar (Ungarn) mit 25 klingenden Registern erhalten. Die Disposition des Werkes ist folgende:
a) I. Manual C-g6, 56 Tasten.
1. Prinzipal 16´ (von A1 an im Prospekt)
2. Prinzipal 8´
3. Bourdon 8´
4. Viola di Gamba 8´
5. Trompete 8´
6. Dolce 8´
7. Oktave 4´
8. Rohrflöte 4´
9. Flauto 4´
10. Cornett 8´ 4-5 reihig
12. Mixtur 2 2/3´ 4fach
b) II. Manual C-g6, 56 Tasten.
12. Geigenprinzipal 8´
13. Quintadena 16´
14. Salizional 8´
15. Lieblich Gedeckt 8´
16. Vox coelestis 8´
17. Oboe 8´
18. Gemshorn 4´
19. Traversflöte 4´
20. Harmonia aetheria 2 2/3´ dreifach
c) Pedal C1-fo, 30 Tasten
21. Violon 16´
22. Kontrabass 16´ (von A1 an im Prospekt)
23. Subbass 16´
24. Oktavbass 8´
25. Cello 8´
Registerkanzelle für Posaune 16´ eingebaut und auch in der Spieltischanlage berücksichtigt. Stimme selbst wird später eingestellt.
d) Spielhilfen.
1. Pedalkopula zum I. Manual
2. Pedalkopula zum II. Manual
3. Manualkopula II zu I
4. Superoktavkopula im I. Manual
5. Suboktavkopula II zu I.
6. Piano
7. Mezzoforte
8. Forte
9. Tutti
[6-9 sind feste Kombinationen]
10. Auslöser
11. I. freie Kombination
12. II. freie Kombination
13. III. freie Kombination
14. Generalcrescendo-decrescendo
15. Jaloussieschweller zum II. Manual
16. Automatische Pedalumschaltung
Der Expertenbericht lobt die Orgel als ein Meisterstück ersten Ranges und hebt vor allem die mustergültige, künstlerische Intonation, zweckmäßige Anlage und bestes Material des Pfeifenwerkes hervor.
Die erschütternde Kraft des Pleno, die charakteristische Tonfarbe, sowie entsprechende Tonstärke der einzelnen Register wird in anerkennender Weise gewürdigt.
Die Pneumatik wird strengsten Anforderungen völlig entsprechend. Die Windladen sind Kegelladen mit pneumatischem Hub. Die Gebläseanlage besteht aus Magazinbalg und zwei Schöpfbälgen, zwei Regulatorbälgen und einem (?-)balg.
Der Prospekt ist nach beiliegender Zeichnung ausgeführt . Die Prospektpfeifen stehen auf eigenen Windladen.
Die Ausnützung des mustergültigen Tonmaterials wird durch die ausgezeichnete Pneumatik und durch die reichlich vorhandenen und zweckmäßig arrangierten Spielhülfen bestens ermöglicht.
Die automatische Pedalumschaltung wirkt nach eigener Konstruktion des Herrn Wegenstein derart, daß nach Berührung des II. Manuals die Pedalstärke sich nicht nur sofort diesem Manual anpasst , sondern daß diese Pedalstärke dem ungeachtet, ob Tasten des II. Manuals auch weiterhin niedergedrückt werden oder nicht, z. B. bei einem Pedalsolo mit derselben Pedalstärke, beständig stehen bleibt, bis nicht eine oder mehrere Tasten des I. Manuals niedergedrückt werden.
Die meisten Konstruktionen der Pedalumschaltung haben nämlich den oft sehr lästigen Fehler, daß die Pedalstärke zum Loslassen der II. Manualtasten sofort in ihre frühere, dem I. Manual entsprechende Tonstärke zurückspringt, und damit klingt dann manches Pedalsolo unbeabsichtigt stärker; Auch im Falle man im II. Manual stakkato und dazu ein (?-)legato spielt, ändert sich in diesem Falle die Pedalstärke sprungweise und sehr irregulär.
Auch z. B. bei dieser Stelle (Konzertpräludium von Riemenschneider) wäre die vorher geschilderte mit Pedalumschaltung unbrauchbar.
Falls nämlich das Pedal in die frühere (I. Manual) Stärke zurückspringt, würde diese Stelle bei gis und cis im Pedal höchst sonderbar und kurios klingen.
Die Konstruktionsweise des Herrn Wegenstein ist derart, daß jede Taste in ihrer Ruhelage eine der vielen, in einer Leiste befindlichen, kleinen Öffnungen als Ventil bedeckt. Beim Niederdrücken einer beliebigen Taste wird die betreffende Öffnung frei und bewirkt durch die Entweichung des Druckwindes die Umschaltung.
Eine auf Anregung des Experten Edmund Ferch (Arad) ausgeführte Neuerung ist auch der so genannte Registerabsteller (Registerabstellungskanzelle im Spieltisch) für sämtliche Register. Es ist diese Einrichtung wohl nichts anderes, als eine Erweiterung des Prinzips, welches für Zungenstimmen schon längst Anwendung fand. Es befand sich aber die Abstellungsstelle meistens in dem Orgelinnern. Bei Anwendung des Registerabstellers im Spieltisch ist die Abstellung an einem bequemeren Orte und auf Register und Spielhilfen ausgedehnt ausgeführt.
Die Firma C. L. Wegenstein hat durch das in ihrer Anlage mustergültige, durch bestes Material und künstlerische Intonation vollendete Werk viel Lob und Anerkennung geerntet und auch Anregung für Verbreitung ähnlich vollendeter, auch mit modernen Spielhilfen ausgestattete Orgelwerke hier zu Lande gegeben.
Arad in Ungarn, den 8. Dezember 1905
Edmund Ferch.
Mit dieser Orgel wurde der Name Wegensteins noch bekannter und die Aufträge mehrten sich von Jahr zu Jahr. Als Orgelbauer war er ein Kind seiner Zeit und ein unermüdlicher Befürworter der Pneumatik. Für viele seiner Werke tüftelte er neue eigene Patente im Bereich der pneumatischen Traktur aus, um das Spiel zu erleichtern. Die große und vielfältige Palette seiner 8-Fuß-Register ist fast unübertrefflich: von der säuselnden Aeoline über die weichen Streicher und runden Flöten bis hin zu den laut intonierten Prinzipalen finden wir fast alle Klangfarben eines Symphonieorchesters. Auch das hochwertige Material aus dem die Pfeifen der Radnaer Orgel erbaut wurden, zeugt von der guten Qualität dieses Baus, der bis heute fast in seinem originalen Zustand geblieben ist. Die zur Windversorgung nötigen zwei Calcanten (Orgeltreter) wurden vor einigen Jahrzehnten mit einem elektrischen Gebläse ersetzt.
Der langjährige Priester dieser Wallfahrtskirche, P. Ernst Harnisch, schätzte sehr „seine“ Orgel, die er gelegentlich auch selbst gespielt hat. Musiklehrer Peter Kleckner, der in unmittelbarer Nähe zur Wallfahrtskirche gewohnt hat, vertrat öfter den Kantor und begleitete bei Wallfahrten den Gesang der Pilger. Um 1982 gab der Autor dieser Zeilen das erste öffentliche von der Arader Philharmonie organisierte Konzert an dieser berühmten Orgel, das Orchester wurde von Nicolae Boboc dirigiert. Öffentliche Orgelkonzerte in Kirchen waren besonders im Banat in der Zeit des Kommunismus (1948-1989) verboten. Erst nach dem im Jahre 1981 zum ersten Mal in der Temeswarer Millenniumskirche die Philharmonie Banatul ein solches Konzert veranstaltet hat, wagte man auch in Arad und Radna Orgelkonzerte zu organisieren.
Der Klang dieser Orgel begleitet auch heute den frommen Gesang der zahlreichen Pilger, die zur diesem Wallfahrtsort kommen. Kaum einer dieser Besucher aber weiß, dass die Pläne dieser Orgel nach den Entwürfen Aristide Cavaille-Colls aus Paris für die Peterskirche in Rom von dem in Wien geborenen Temeswarer Orgelbauer Wegenstein angefertigt wurden. Also ein wahrlich europäisches Projekt.
Die "wahrhaft himmlische Musik" in der Franziskanerkirche zu Radna
Die verschiedenen Orden, die ihre Missionare in das von den Türken besetzte Banat im 16. und 17. Jahrhundert entsandten, spielten eine wichtige Rolle in der Erziehung des Volkes. Die Missio hungarica der Propaganda-Kongregation aus dem Jahre 1622 empfand es als eine wichtige Aufgabe, Ordensleute wie auch Weltpriester in den Südosten Ungarns zu entsenden. So kamen bosnische Franziskanermönche in diese Gegend und begannen mit der Rekatholisierung der von den Türken unterjochten Bevölkerung. Dabei trafen sie auf Ungarn, Rumänen, Bulgaren, Kraschowaner, Serben und Zigeuner. Die Franziskaner-Konventualen besaßen seit dem 14. Jahrhundert die Niederlassungen Aracs und Lippa, die Franziskaner-Observanten besaßen neun Klöster: Ermen (Armenis), Kövesd (Gavojdia), Haram, Jenö, Karan-Sebesch, Kövi, Orschowa, Tschanad und Cseri. Das Karaschtal, die Gegend um Lippa und auch die um Lugosch wurden Mitte des 17. Jahrhunderts von den Franziskanern betreut.
Die Marienverehrung spielte bei den Franziskanern immer eine große Rolle, und so wurde auch Maria-Radna ein wichtiger Wallfahrtsort. Pater Marian Jaic beschreibt den Ort 1857 wie folgt: (...) Radna in Ungarn in der Arader Gespannschaft, im Csanáder Bisthum am Fluße Marosch, auf einem waldigen Berge, unter Obhuth der WW. EE. PP. Franziskaner von der regularischen Observanz, vorhin Bosnischer, jetzt Kapistraner Provinz(...). Eines der vielen Wunder um Maria-Radna hat auch mit der Kirchenmusik zu tun. P. Marian Jaic berichtet über folgendes Ereignis: Solch außerordentlichen Lichtglanz beobachtete man oft an Festtägen des Herrn, der seligsten Jungfrau und Apostel, auch ungemein liebliche Stimme und wahrhaft himmlische Musik hörte man oft zu verschiedenen Zeiten nicht nur in der Nacht, sondern auch Früh und Abends, so daß Vorüberziehende meinten, es wäre der Chorgesang der Geistlichen, da sie aber hinzutraten, fanden sie die Thüren verschlossen. Das Büchlein enthält auch alte Marienlieder, welche schon Ende des 17. Jahrhunderts in Maria-Radna gesungen wurden.
Ein besonderes musikalisches Ereignis in Maria-Radna
Eine wichtige Dokumentation im Bereich der Kirchenmusik bietet die Historia Domus des Klosters und der Wallfahrtskirche zu Maria-Radna. Am 9. Juni 1767 wurde hier die neu erbaute Kirche eingeweiht und zu diesem Anlass bot man auch musikalisch etwas ganz Besonderes. Das Repertoire wird leider nicht angegeben, auf die Aufzählung der einzelnen Musiker wird aber großes Gewicht gelegt. Auch die Musizierpraxis und die Zusammenstellung des Chores und des Orchesters bieten uns die Einsicht in die Kirchenmusik des Banats, Mitte des 18. Jahrhunderts:
Chorus Musicorum choralium
Adm R. P. Joannes Bapt. de Calvatone Comiss. Visit. Bassista, et Capella magister
R. P. Hyacinthus Campien Differ et Tenorista
R. P. Josephus Tenorista
R. P. Franciscus Staeller Bassista
R. P. Emanuel Goldschiner Tenorista
R. P. Joachimus Letter Tenorista
R. P. Christophorus Bassista
R. P. Hyacinthus Kaiser Bassista
Chorus Musicorum Figuralium
R. P. Franciscus Aadler Bassista et in Basso (...)
R. P. Emanuel Goldschiner Sopranista
R. P. Marcelinus Plank Tympanorum pulsator
P. Joachimus Leitner Altista
P. Christophorus Kelerer
P. Hyacinthus Kaiser (beide) Cantores in fidibus
Fr. Antonius Volkl organista, et in fidibus cantor
Fr. Conradus Ross organista
D. Martinus Demel Bassista et Capella Magr.
D. Ignatius Schorter Tubicen
D. Georgius Papst Fidicen
D. Ant. Josephus Martinkoskty, flauto transversalista
(die letzten vier) Musicorum Temesvariensis turba cathedralis Ecclesiae
D. Antonius Finger vetero Arad, organista et fidicen
Simion Lynzenpoz ejus filius adopt. Sopranista
D. Leopoldus Senkeresty not. civ. Arad fidicen
D. Bonaventura Hajm practicans Temes. fidicen
D. Adanctus Ding Tubicen
Ex his singulariter se distinxerunt
Fr. Christophorus Kelerer in fidibus
D. Ant. Josephus Martinkowsky in flauto Transversa
Bilddokumentation
Das Franziskanerkloster mit der Wallfahrtskirche Maria-Radna an der Marosch (Gemälde, frühes 19. Jh.)
|
Wallfahrt zum 200-jährigen Jubiläum (Ende 19. Jh.)
|
Die Wallfahrtskirche Maria-Radna
|
Carl Leopold Wegenstein (um 1900)
|
Carl Leopold Wegenstein (1931)
|
Werbung des Orgelbauers Wegenstein (um 1900)
|
Aristide Cavaille-Coll: Monumentalentwurf für St. Peter in Rom
|
Der Autor mit dem Entwurf Wegensteins (um 1981 , Bischöfliches Ordinariat, Temeswar)
|
Entwurf von Wegenstein (1905)
|
Entwurf Wegensteins (Detail)
|
Entwurf Wegensteins (Detail)
|
Zweiter Entwurf Wegensteins für Maria-Radna
|
Wegenstein-Orgel zu Maria-Radna
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Orgelprospekt (Detail)
|
Platz der Calcanten
|
Console
|
Console: Namenschild Wegensteins
|
|
|
Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007
|