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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Wilhelm Ferch (1881-1922)

als Komponist der Hymne der Banater Schwaben

Auf den Spuren des Autographs der ersten Banater schwäbischen Hymne,

die Josef Linster als Vorlage benützt hat

von Dr. Franz Metz

Wilhelm Ferch

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„Aus Budapest kommt uns die traurige Nachricht, daß dort am 25. Juni unser Stammesbruder Wilhelm Ferch, im schönsten Mannesalter, infolge eines Herzschlages plötzlich gestorben ist. Der grausame Tod entriss uns in ihm einen verheißungsvollen Spross unser zu keimen beginnenden schwäbisch-völkischen Schönkunst, wir verloren in ihm einen treuen, heimatsliebenden Schwaben, seine greise Mutter und Hinterbliebenen beweinen in ihm den Stolz und die Hoffnung ihrer Familie.“ Mit diesen Worten begann Desiderius Járosy den Nachruf auf den verstorbenen Musiker, erschienen in einer der ersten Nummern der Banater Musik-Zeitung, herausgegeben vom damaligen Temeswarer Domkapellmeister, Musikwissenschaftler, Priester und Hochschulprofessor Járosy, der zu den bedeutendsten Musikerpersönlichkeiten des damaligen Banats, Ungarns und Rumäniens zählte.

Wilhelm Ferch kam im Banater Heidedorf Bogarosch am 3. Mai 1881 zur Welt. Járosy nannte sein Elternhaus die „klassisch-musikalische Familie Ferch-Eisenkolb“, die dem Banat innerhalb des 19. Jahrhunderts über 80 Volksbildner gab. Wilhelm Ferch zeigte schon im Kindesalter ein großes Interesse für die Musik. In seinen Schülerjahren leitete er in Szegedin und Temeswar im schwäbischen Konvikt und an der Präparandie die Gesangs- und Musikvereine seiner Mitschüler. Danach wirkte er über fünf Jahre an der Herrschaftsschule des Grafen Csekonics in Julienhof bei Hatzfeld. In dieser Zeit begann er auf der Pusztaschule mit der Komposition und schrieb mehrere Klavierwerke: Etude impromptu, Feulliet d´Album. Der Vortrag dieser Klavierstücke erfordert vom Interpreten eine virtuose Technik. Aus dieser Zeit stammte auch sein Meisterwerk nach Versen Petöfis Egy gondolat bánt engemet“ (Nur ein Gedanke quält mich fort). Dieser Chor, den Worten Járosy nach ein wahres Meisterwerk, sollte vom Lugoscher Gesangverein im Jahre 1914 beim Klausenburger Sängerfest und Chorwettbewerb vorgetragen werden. Doch der Erste Weltkrieg ließ den Gesang verstummen. Járosy schreibt: „Die Wenigen, welche Gelegenheit hatten den Chor in tadelloser Aufführung  in Lugosch bei der Hauptprobe zu hören, stehen noch heute unter dem ergreifenden und erschütternden Eindruck desselben.“. Josef Linster hat den Text dieses Chores ins Deutsche übersetzt, die Musik angepasst und 1922 sollte dieses Werk vom Hatzfelder Gewerbegesangverein bei einem Sängerfest in Werbaß aufgeführt werden. Die ungarische Fassung wurde noch im selben Jahr in Budapest anlässlich der Petöfi-Feier aufgeführt.

Wilhelm Ferch war nach dem Krieg bis 1920 in Werschetz als Leiter des Männergesangvereins und als Lehrer tätig. Hier entstanden ebenfalls mehrere seiner Kompositionen, so das Marienlied Stella maris für gemischten Chor, Soli und Orchester. Im Jahre 1920 siedelte Ferch nach Budapest um, wo er die Professorenprüfung ablegen wollte. Ihm wurde auch eine Stelle als Korrepetitor an der Budapester Oper angeboten. Plötzlich erlitt er aber während des Spiels an der Orgel der Budapester Matthiaskirche den Tod durch einen Herzschlag.

Noch in den letzten Tagen vor seinem Tod sandte er seinem Bruder nach Hatzfeld seine letzte Komposition, es ist die Vertonung des Gedichts Peter Jungs Mein Heimatland, Banaterland. Járosy schrieb 1922 darüber: „… Dieser Chor ist in Druck, erscheint demnächst und verspricht die schwäbische Hymne zu werden“. Im letzten Brief an seinen Bruder schrieb er von zehn Liedern nach Heinrich Heine, die schon druckreif wären und „…dass dieser Cyklus großes Aufsehen erregen wird“.

Das Manuskript des Chors Mein Heimatland, Banaterland ist datiert: Budapest, am 2. Mai 1922. Es ist wirklich ein Meisterwerk dieses Banater Komponisten, der damals, vielleicht aus Sehnsucht nach seiner Banater Heide, diese geniale Idee zu Papier gebracht hat. Schon beim ersten Blick auf die Partitur muss man aber eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem uns bekannten Lied Josef Linsters mit dem gleichen Titel feststellen: Melodie, Rhythmus und Aufbau dieser Komposition stammen fast aus der gleichen Feder. Hat Linster für seine Banater Hymne die musikalischen Ideen von Wilhelm Ferch kopiert? Oder nur aus Freundschaft übernommen? Zufällig stammen auch noch beide Banater Hymnen aus der gleichen Zeit. Es ist anzunehmen, dass Josef Linster dieses Lied nach dem Tode Wilhelm Ferchs umgearbeitet hat und daraus entstand jener Chor, der die Hymne der Banater Schwaben werden sollte. Linster hat diese Umarbeitung aber mit größtem Geschick unternommen, so dass wirklich eine Banater Hymne daraus geworden ist. Und noch dazu eine Hymne der Banater Schwaben, deren Komponist, Dichter und Bearbeiter alle Söhne der Banater Heide waren.

Es gibt wenige weltliche Kompositionen der Banater Chorliteratur, die eine solche Einheit zwischen Text und Musik aufweisen, wie Mein Heimatland, Banaterland. Wenn selbst Desiderius Járosy schon 1922 diesen Chor ehrfurchtsvoll als eine zukünftige Hymne der Banater Schwaben gewürdigt hat, so hätte wenigstens die nächstfolgende Generation dieses Musikwerk als eine solche anerkennen müssen: „Das Land wo meine Wiege stand, …O Heimatland! Banaterland! Gott segne dich, der segnen mag, zu jeder Stund, an jedem Tag!“… und der erste Schöpfer dieser schönen Musik ist Wilhelm Ferch.

 

Bilddokumentation

 

Wilhelm Ferch: Mein Heimatland (Autograph, Budapest 1922)

Anfangstakte

Wilhelm Ferch: Nur ein Gedanke quält mich fort, Männerchor (Text: Petöfi-Neugebauer)

 

Familie Ferch

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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