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EDITION MUSIK SÜDOST

Die Dommusik zu Belgrad im Jahre 1734

von Dr. Franz Metz

Die Kirchenmusik Südosteuropas befand sich zum Beginn des 18. Jahrhunderts vor neuen Herausforderungen: nach fast zweihundert Jahren Unterdrückung durch die osmanischen Besatzer, konnte sie sich nun wieder frei entfalten und ihre Strukturen wurden neu geordnet. Diese nun einkehrende Wende geschah nicht isoliert, sondern parallel zu jener in den benachbarten Regionen. Sowohl die Musik der serbisch-orthodoxen als auch jene der römisch-katholischen Kirche Belgrads konnte sich nach nur kurzer Zeit von den Kriegen und Belagerungen rund um die alte Festung erholen. Es machten sich aber auch neue Strömungen bemerkbar, die aus anderen mittel- und südosteuropäischen Regionen übernommen wurden. Für eine kurze Zeitspanne wurde aus der strategisch wichtigen Festung Belgrad nicht nur eine Garnisonstadt für die kaiserlichen Truppen sondern auch ein wichtiges Musikzentrum, dessen Ruhm weit über die Grenzen reichte. Dies belegt vor allem das Dokument Regulae musices Eccl. Cath. Belgradiensis, das im Mittelpunkt dieser Arbeit steht.

Franz Anton Graf Engl von Wagrain (siehe Foto: Gemälde aus dem Besitz des Temeswarer Bistums) war der zweite Bischof des neuerrichteten Bistums Belgrad nach dem Sieg über die Türken. Kaiser Karl VI. hat im Jahre 1727 dieses Bistum errichtet und den Grafen Thurn della Torre aus Wien zum ersten Bischof von Belgrad ernannt. Hier wirkten seit längerer Zeit bereits die Jesuiten, die noch vor der Befreiung Wiens (1683) und Ofens (1686) durch ihre „Türkenmissionen“ („Missio Turcica“) nach Serbien kamen. Die kaiserlichen Truppen begleiteten die Patres bis Nis und Widding, wo diese die Seelsorge der dortigen Katholiken übernahmen. Ihr Provinzial Oett (1671-1674) errichtete in jener Zeit in Belgrad ein Jesuitenkolleg, man gründete Schulen und kümmerte sich um die Kranken. Somit fand Bischof Graf Thurn della Torre hier außer der mehrheitlich serbisch-orthodoxen Bevölkerung und Armeniern auch Katholiken vor, die größtenteils Mitglieder der Festungsgarnison waren. Es gelang ihm die Umgestaltung der alten Kirche in eine „kaiserliche Domkirche“. In Zeiten der türkischen Besetzung wurde dieser Bau als Moschee benützt. Als die Domkirche fertiggestellt wurde, bat er beim Heiligen Stuhl und beim kaiserlichen Hof um die Errichtung eines Domkapitels, errichtete ein Priesterseminar, stattete die Domkirche aus und gründete einen Gesangs- und Musikchor (Domkapelle). Von Karl Martin Haerting, dem damaligen Belgrader Stadtpfarrer und Domkapitular, erfahren wir, dass diese Kirche auch über einen Chor, eine Orgel und zwei Glocken verfügt hat. In der Diözese wirkten neben den Jesuiten auch Kapuziner, Franziskaner, Minoriten, Trinitarianer und Tertiarier.

Bischof Engl bestieg seinen Belgrader Bischofstuhl 1734. Der Wiener apostolische Nuntius versah ihn mit Jurisdiktion nicht nur über die Belgrader, sondern auch über die Katholiken des ganzen Landes Serbien. Graf Engl entstammte einem alten österreichischen Adelsgeschlecht und war vermutlich ein Vetter des ersten und letzten Bischofs von Leoben, Alexander Franz Graf Engl von Wagrain. Er kam 1702 in Milbach zur Welt, dessen Kirche zum Stift Göttweig gehörte. Die Studien begann er in Passau und bei den Benediktinern in der Ritterschule Ettal. 1723 trat Franz Anton in das Collegium Germanicum in Rom ein. Im Jahre 1727 wurde er in der Vatikanischen Basilika von Papst Benedict XIII. zum Priester geweiht, erhielt ein Kanonikat in Passau und wurde Vikar des Passauer Bischofs Graf Franz Lamberg. 1732 wurde Franz Anton zum Bischof von Belgrad ernannt.

Die in Belgrad vorgefundenen Verhältnisse waren noch relativ einfach. Der aus vier Knaben und einigen Männern bestehende Chor der Domkirche bekam ab nun ein festes Gehalt. Der Regenschori Anton Baumann wurde verpflichtet, den Knaben Unterricht zu erteilen, sie mit Verpflegung und Kleidung zu versehen. Sein Gehalt betrug 150 Gulden, außerdem erhielt er 300 Gulden für den Unterricht der Sänger. Der Kantor Venzel Parzischek erhielt ein Gehalt von 150 Gulden, der Altist Adam Fraschek, der Tenor Karl Puchner und der Bassist Johann Bencsehoffszky jeweils 96 Gulden. Der Chor bestand meist aus dem Personal des Bischofs. Zu den Musikern gehörten auch Georg Pürschka mit einem jährlichen Gehalt von 72 Gulden und der Organist Matthias Stroh mit 20 Gulden jährlich. Sie waren verpflichtet täglich die heilige Messe mit Musik zu begleiten, an welchen der Bischof und das Domkapitel teilnahm. An Sonn- und Feiertagen mussten sie mittags für die Tafelmusik sorgen, wofür pro Musiker 3 Gulden, eine Schnitte Brot und eine „Halbe Wein ohne Wiederredt“ bezahlt wurde.

Die kirchlichen Angelegenheiten wurden aber bereits 1736 mit dem Tod Prinz Eugens von Savoyen erschüttert. Ein Jahr danach (1737) brach der türkisch-russische Krieg aus, der auch für Kaiser Karl VI. mit einer Niederlage endetet. Bischof Engl musste 1739 wegen der Rückeroberung dieses Gebietes durch die Türken seine bischöfliche Residenz in Belgrad verlassen. Von der Ausstattung der Domkirche ließ er ein Inventar aufnehmen, alle Gegenstände wurden verpackt und zu seinem Verwandten, dem Bischof von Waizen, befördert. Später wurden diese Gegenstände über Pest und Pressburg nach Wien gebracht, wo sich Graf Engl bereits niedergelassen hat. Neben seinem Bischofstitel von Belgrad-Semendrien gab man ihm den Titel eines Hofbischofs. Nach dem Tod des Tschanader Bischofs Nikolaus Stanislavich, dessen Banater Diözese in unmittelbarer Nachbarschaft zur Belgrader Diözese lag, ernannte ihn Kaiserin Maria Theresia am 15. Juni 1750 zum Bischof von Tschanad, also der Banater Diözese, deren bischöfliche Residenz kurze Zeit nach der Befreiung durch das kaiserliche Heer in die Festung Temeswar verlegt wurde.

Im Jahre 2003 konnte im Archiv der Temeswarer Diözese das originale Dokument zur Bestellung der Belgrader Dommusik unter Bischof Engl wiederentdeckt werden: Regulae musices Eccl. Cath. Belgradiensis. Vor mehreren Jahrzehnten hat bereits, wie erwähnt, schon Pfarrer Koloman Juhasz dieses wichtige Dokument gesichtet. Dieses hat große Gemeinsamkeiten mit ähnlichen bischöflichen Akten des 18. Jahrhunderts aus Pécs/Fünfkirchen, Großwardein/Oradea, Kalocsa oder Temeswar. Es handelt sich um solche Gebiete zum Beginn des 18. Jahrhunderts, in welchen nur kurze Zeit nach der Befreiung von der osmanischen Besatzung das kirchliche Leben wieder hergestellt wurde. Für die Dombauten, die Innenausstattung der Kirchen und die Dommusik brachte man oft Meister ersten Ranges aus Wien, die Arbeiten selbst wurden von der kaiserlichen Hofkammer bezahlt. Darüber gibt es viele schriftliche Urkunden, Briefe und Quittungen, die diesen kirchlichen Aufbruch belegen. In nur kurzer Zeit entstand in den neuen Diözesen entlang der mittleren und unteren Donau ein blühendes religiöses und kulturelles Leben, das sämtliche Konfessionen betraf. Dabei musste auch auf das Nebeneinander der orthodoxen, katholischen und evangelischen Christen geachtet werden wie auch auf die Vielfalt der Ethnien. Parallel mit dem Aufbau der neuen kirchlichen Strukturen kamen auch Kolonisten in diese Gebiete: Deutsche, Böhmen, Slowaken, Franzosen, Italiener. Dies beweisen die Namen der Sänger und Instrumentalisten in den Listen der Domkapellen dieser Diözesen. Die meisten Musiker hatten deutsche oder böhmische Namen.

Die Dommusik der katholischen Kathedralkirche zu Belgrad hat sich in der Zeit Bischof Engls beispielhaft für die Nachbardiözesen entwickelt. So wollte Bischof Falkenstein in Temeswar seine Domkapelle 1737 so führen, wie sie in Belgrad „ad normam“ gepflegt wurde. Der hohe Stand der Dommusik zu Belgrad war also in dieser Region nicht unbekannt geblieben. Am 5. September 1737 schrieb der damalige Bischof von Temeswar, Adalbert Freiherr von Falkenstein, an die Hofkammer und den Hofkriegsrat in Wien, um die Fortführung der begonnenen Bauarbeiten am Dom zu befehlen, und die Wohnungen des Bischofs und der Domherren in Temeswar und Szegedin erbauen zu lassen. Im selben Schreiben wies er auch auf den Stand der Dommusikkapelle hin und verweist auf jene in Belgrad: „(...) 6-to. Damit die Kirchen Music zu Temesvar ad normam des Belgrader Bistumbs unter meine Direction angewiesen werde, dan ohnerachtet vor sothane Music aus der Caal Cassa jährl. über 2000 fl. ausgezahlet werden, ist doch die Kirche keineswegs also wie es erforderlich wäre bedienet, welche Kirchen Music ich mit viel geringen salario zu bestellen erbiettig wäre(...).“

Laut den Angaben im vorliegenden Dokument zur Belgrader Dommusik hatte der Kapellmeister für die Schulung der vier Sängerknaben zu sorgen. Dazu gehörte nicht nur die Musik sondern auch der Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen. Für ihre Bekleidung, Verpflegung und ärztliche Versorgung bekam Kapellmeister Baumann eine zusätzliche finanzielle Unterstützung. Sämtliche Instrumentalisten mussten außer dem Spiel auf mehreren Instrumenten, wenn nötig, auch im Chor mitsingen. Anscheinend bestand der Sängerchor zusätzlich auch aus unbezahlten Sängern aus der Stadt.

Das üppige Instrumentarium selbst befand sich in der Obhut des Domkapellmeisters, der für die Benützung der Musikinstrumente zu sorgen hatte. Diese durften ab sofort nicht mehr in Gasthäuser oder sonstwo mitgenommen werden. Falls dies trotzdem vorkommen soll, muss der Kapellmeister die Saiteninstrumente neu besaiten lassen. Diese Instrumente waren vermutlich, ähnlich wie es in Großwardein der Fall war, an einem Brett auf der Orgelempore gehangen. Leider gibt es bisher keine näheren Hinweise auf die Größe und Disposition der vorhandenen Orgel. Es ist nur bekannt, dass Organist Matthias Stroh diese bedient hat und dass es für die Windversorgung des Instruments einen bezahlten Calcanten gab, der pünktlich bei allen Messen zu erscheinen hatte.

Die Entstehung dieser uns glücklicherweise erhaltenen Dommusikverordnung des Bischofs aus dem Jahre 1734 ist eigentlich vorherigen Missständen zu verdanken. Da die Musiker unpünktlich bei den Gottesdiensten erschienen und öfter betrunken waren, musste endlich Disziplin einkehren und die Besoldung des Personals neu geregelt werden. Selbst Kapellmeister Baumann wurde angemahnt, falls er die Disziplin nicht aufrecht erhalten kann, müssen neue strengere Verordnungen folgen.

Über das Repertoire der Dommusik zu Belgrad wird in diesem Dokument nichts erwähnt. Wir wissen nur, dass Kapellmeister Baumann für sachgemäße Aufbewahrung der Musikalien, also auch des Aufführungsmaterials von Messen und Konzerten, zu sorgen hatte. Interessant sind auch die Bemerkungen hinsichtlich der Proben und des Übens. So wird erwünscht, dass jährlich zu Pfingsten vor dem Bischof und sämtlichen Vertretern des kaiserlichen Hofs ein Konzert gegeben werden soll. Auch sollten die Musiker nicht zu weit voneinander wohnen, damit man die Gelegenheit hat, öfter miteinander musizieren zu können.

Laut dieser Verordnung war die Dommusik zu Belgrad am 18. Juli 1734 wie folgt:

Antonius Baumann, Regenschori    150 fl

4 Sängerknaben (Diskant)   300 fl

Joannes Wenceslaus Parzisekh, Sänger, Dirigent 150 fl

Adamus Fraschart, Alto, Violine, Passetl, Clarin 96 fl

Carolus Pachner, Tenor, Violine, Passetl 96 fl

Joannes Bencsehoffsky, Bass, Violine, Passetl, Viola 96 fl

Johann Georg Furschka, I. Violino Principale 72 fl

Johannes Schmidt, I. Violine, Canto  20 fl

Johannes Lenhardt, I. Violine, Oboe  60 fl

Matthias [...?], II. Violine, Clarino Principale 48 fl

Wenceslaus Schnurska, II. Violine, Oboe, Viola 48 fl

Alexander Albrecht, Violoncello, Violine 20 fl

Matthias Stroh, Orgel    20 fl

Johannes Fuhrwerk, Clarino Primo   60 fl

Christian Büller, Clarino Secundo  30 fl

Melchior Jung, Tympani     18 fl

Calcant (Orgeltreter)    30 fl

 

Von großem Interesse für die Geschichte der Belgrader Dommusik ist die Person des Kapellmeisters Antonius Baumann. Seinen Namen finden wir nicht nur in diesem besprochenen Dokument, sondern auch auf der Liste der Musiker der Domkapelle in Pécs/Fünfkirchen unter der Form „Franz Anton Paumon“ (auch Paumonn). In Fünfkirchen war er zwischen 1742-1750 als Kapellmeister tätig. Und dies hat auch eine interessante Vorgeschichte.

Am 29. September 1732 stirbt Bischof Nesselrode in Fünfkirchen, sein Nachfolger wurde Graf Anton v. Thurn, bis dahin Bischof zu Belgrad. Hier hatte dieser auch für die Gründung der Domkapelle gesorgt und Anton Baumann (Paumon, Paumonn), der 1742 zum Domkapellmeister in Fünfkirchen ernannt wird, war Mitglied dieses Orchesters. Bischof Thurn stirbt aber schon am 24. Dezember 1734 in Wien und wird im Stephansdom beigesetzt. Beim feierlichen Requiem am 31. Dezember in Fünfkirchen wirkte auch die Dommusik mit.

Bischof Berényi in Fünfkirchen, der am 9. April 1741 feierlich in sein neues Amt eingeführt wurde, nahm sich u.a. auch vor, die Dommusik neu zu organisieren. Er beauftragte dazu Canonicus Fonyó, der sich sofort an den Wiener Musiker und Pfarrer an St. Stephan, Paul Geritsch, gewendet hat. Aus der Zeit Februar-Mai 1742 sind uns 18 Briefe erhalten geblieben die davon berichten. Geritsch gelingt es den ehemaligen Chorsänger von St. Stephan, Franz Anton Baumann (Paumon) zu überzeugen, um neue Musiker für die Dommusik in Pécs zu werben. In einem Brief an Canonicus Fonyó gibt Baumann einige Angaben zu seiner Biographie: 10 Jahre war er als Domkapellmeister in Belgrad tätig und hatte von Bischof Thurn große Anerkennung und Lob erhalten. Er hatte ein Jahresgehalt von 300 fl, beherrscht außer der Orgel auch andere Instrumente wie Violine, Violoncello und Fagott, kann mehrere eigene Werke aufweisen, ist in der Gregorianik und der Figuralmusik ein Meister dieser Fächer und zeigt Interesse nach Fünfkirchen zu kommen: "(...) da mir doch intenzioniert noch einmal in Ungarn zu gehen". Baumann (Paumon) endet sein Schreiben mit der Bemerkung, dass er davor "Rector chori v. Belgrad" war und jetzt als "Musicus bey St. Stephan" tätig ist. Geritsch berichtet in dem beigelegten Schreiben, dass er selbst gerne nach Fünfkirchen kommen würde, wenn er ein entsprechendes Gehalt bekommen könnte.

Am 28. Mai 1750 stirbt in Fünfkirchen der ehemalige Belgrader und danach Fünfkirchner Domkapellmeister Franz Anton Baumann im Alter von 46 Jahren. Kornel Bardos behauptet, dass durch den Tod von Baumann das Ensemble seinen Wiener Charakter verloren hat. Von „Paumon“ kennen wir folgende Kompositionen: Requiem in G für Chor, 2 Violinen, Hörner und Orgel; Offertorium Eja sanati fidibus, in C für Chor, 2 Violinen, Viola, Posaunen und Orgel; Offertorium Corporis Christi, in Es für Sopran-Solo, 2 Violinen, Oboe-Solo und Orgel. Auch eine Messe von „Baumann“ aus jener Zeit ist uns bekannt: Missa in C für Chor, 2 Violinen, Violone, 2 Clarini, Pauken und Orgel. Ob nun diese Werke Baumanns bereits in Belgrad, Wien oder erst in Fünfkirchen entstanden sind, konnte bisher nicht festgestellt werden.

Das Dokument über die Dommusik zu Belgrad enthält nicht nur wertvolle Hinweise zur musikalischen Aufführungspraxis der damaligen Zeit, sondern stellt die Musikwissenschaft vor eine neue Herausforderung: die Erforschung und Aufarbeitung der katholischen Kirchenmusik Belgrads. Diese Sparte stellt gleichzeitig auch eine wichtige Brücke zur Kultur Mitteleuropas dar wie auch zu den kirchenmusikalischen Traditionen dieses südosteuropäischen Raums. Die damals in weiten Kreisen gerühmte Dommusik zu Belgrad muss aus dem vergessenen Bereich unserer gemeinsamen europäischen Kultur – wenigstens für die Musikgeschichte und Musikpraxis – ans Tageslicht gebracht werden.

 

Der vollständige Wortlaut des Dokuments

 

Vorschriften für die Kathedralmusik zu Belgrad

Da die an der kaiserlichen Kathedralkirche angestellten Musiker ihren Dienst nicht immer vorschriftsmäßig erfüllt haben, werden folgende Verhaltensregeln aufgestellt, an die sich jedes Mitglied zu halten hat:

  • Von jedem wird verlangt, neben der Gottesfurcht auch einen anständigen Lebenswandel zu führen. Dem Chordirektor gegenüber ist entsprechende Ehrerbietung und Gehorsamkeit zu leisten. Wenn jemand sich der Trunkenheit ergiebt oder sich untadelig verhaltet, wird er entlassen.
  • Als Hauptregel gilt, dass jeder pünktlich bei den Gottesdiensten zu erscheinen hat. Wenn einer zu spät kommt oder abwesend ist, wird ihm der Regenschori als Strafe 17 Kreuzer von seinem Gehalt abziehen.

Aufstellung der Pflichten und Rechte eines jeden angestellten Musikers:

Antonius Baumann wird zum Regenschori ernannt. Ihm wird das ganze Inventar der Musikalien und Instrumente anvertraut und schriftlich übergeben. An allen Fest-, Sonn- und Werktagen hat er die Figural- oder Choralmusik beim Gottesdienst zu leiten. Er soll vor allen anderen Mitgliedern anwesend sein um die Aufstellung zu disponieren. Wenn eine Orchestermesse aufgeführt wird, ist sein Platz am Violone. Den Mitgliedern gegenüber muss er sich bescheiden verhalten. Wenn sich ein Mitglied falsch verhaltet, muss er dies anzeigen. Die Instrumente dürfen von den Mitgliedern nicht mehr wie bisher ohne die Erlaubnis des Bischofs oder des Herrn Kameralrepräsentanten in die Wirtshäuser oder Privathäuser mitgenommen werden. Geschieht dies trotzdem, muss der Regenschori die Instrumente auf eigene Rechnung mit neuen Saiten bespannen lassen. Für sein Amt erhält der Regenschori ein Gehalt von 150 Rheinischen Gulden jährlich und einen Arbeitsvertrag. Außerdem muss er vier Sängerknaben unterhalten und unterrichten, zwei sind schon aufgenommen, die beiden anderen müssen noch aufgenommen werden. Sie erhalten von ihm Unterricht in Gesang und im Violinspiel. Der Tagesablauf der Sängerknaben ist wie folgt:

    • halb 7 Aufstehen
    • bis 7 Uhr Ankleiden
    • 9-10 Uhr in die Kirche gehen
    • 10-11 Uhr Singen
    • 11-12 Uhr Essen
    • 12-13 Uhr Ruhezeit
    • 13-15 Uhr Lesen und Schreiben
    • 15-16 Uhr Singen
    • 16-17 Uhr Ruhezeit
    • 17-18 Uhr Prüfung der Musikaufgaben und Proben
    • 18-19 Uhr Abendessen und Nachtruhe

Der Regenschori muss die Sängerknaben gottesfürchtig und ehrbar erziehen, sie erhalten eine ordentliche Kost, das Gewand muss immer sauber gehalten werden. Jährlich bekommt der Regenschori dafür 300 Rheinische Gulden. Dafür hat er für Kleider, Wäsche, Medikamente, Kost, Unterbringung und Unterricht zu sorgen. Falls Baumann diese Instruktionen nicht einhält, den Knaben zu viel Freiheit zum Spazierengehen lässt oder manche Dienste versäumt, werden sogleich Änderungen erfolgen.

 

Vorschriften für die Vokalmusik

  • Johannes Wenzeslaus Parzisekh wird zum Vorsteher des Chores ernannt. Er muss wie bisher mit den Sängerknaben singen und bei der Figuralmusik den Takt schlagen. An allen Fest-, Sonn- und Werktagen muss er pünktlich bei der Choral- und Figuralmusik erscheinen. Dafür bekommt er ein Jahresgehalt von 150 Rheinischen Gulden und einen Arbeitsvertrag.
  • Adamus Fraschart (?) wird wie bisher die Funktion als Altist beibehalten, muss aber außerdem, falls nötig, Violine, Basset oder Clarin spielen. Dafür bekommt er jährlich 96 Gulden und einen Arbeitsvertrag.
  • Carolus Pachner wird wie bisher weiterhin als Tenorist tätig sein, muss außer der täglichen pünktlichen Figural- und Choralmusik auch, falls nötig, Violine und Basset spielen. Dafür bekommt er jährlich 96 Gulden und einen Arbeitsvertrag.
  • Johannes Bencsehoffsky wird wie bisher weiterhin den Bass singen und täglich pünktlich bei der Figural- und Choralmusik anwesend sein, außerdem, falls nötig, die Violine, Basset oder Bratsche spielen. Dafür bekommt er jährlich 96 Gulden und einen Arbeitsvertrag.

 

Vorschriften für die Instrumentalmusik

  • Johann Georg Furschka (?) wird wie bisher auch weiterhin zur ersten Violine gestellt und an allen Fest-, Sonn- und Werktagen pünktlich zur festgesetzten Stunde auf dem Chor erscheinen. Dafür bekommt er ein Jahresgehalt von 72 Rheinische Gulden und einen Arbeitsvertrag.
  • Falls die in der Stadt anwesenden musikalischen Personen nicht genügen um den Chor der kaiserlichen Kathedralkirche zu verstärken, so hat der Bischof und Seine Reichsgräfliche Gnaden beschlossen, zur Förderung des Gottesdienses die bestellten Musiker dafür zu gewinnen. An allen Fest- und Sonntagen müssen sie pünktlich zu der festgesetzten Zeit erscheinen. Dazu gehören:
  • Johannes Schmidt wird bei der ersten Violine spielen, falls nötig auch im Chor singen und ab dem 18. Juli 1734 ein Jahresgehalt von 20 Rheinischen Gulden erhalten samt einem Arbeitsvertrag.
  • Johannes Lenhardt wird ebenfalls die erste Violine spielen oder Oboe, bei jedem Gottesdienst pünktlich erscheinen und jährlich 60 Gulden erhalten wie auch einen Arbeitsvertrag.
  • Matthias ... wird die zweite Violine spielen oder auch die erste Clarine, dafür einen Jahresgehalt von 48 Gulden erhalten.
  • Wenceslaus Schnurska wird bei der zweiten Violine spielen, aber auch die Oboe oder Bratsche und erhält für die gleichen Bedingungen jährlich 48 Gulden wie auch einen Arbeitsvertrag.
  • Alexander Albrecht wird das Violoncello spielen, nötigenfalls die Violine und bekommt dafür jährlich 20 Gulden und einen Arbeitsvertrag.
  • Matthias Stroh wird zum Organisten ernannt, bekommt dafür jährlich 20 Gulden und einen Vertrag.
  • Johannes Fuhrwerk wird die erste Clarine spielen und bekommt dafür jährlich 60 Gulden und einen Vertrag.
  • Christian Büller wird die 2. Clarine spielen und dafür jährlich 30 Gulden erhalten und einen Vertrag.
  • Melchior Jung wird als Tympanist immer pünktlich erscheinen und bekommt dafür jährlich 18 Rheinische Gulden und einen Vertrag.
  • Der Calcant [Orgeltreter] muss verslässlich zu der vorgeschriebenen Zeit täglich auf dem Chor erscheinen und bekommt dafür jährlich 30 Gulden.

Da diese eingestellten Musiker der kaiserlichen Kathedralkirche mit einem ehrlichen Gehalt bezahlt werden, sollen sie, um sich zu perfektionieren, jährlich zu Pfingsten, nachmittags um 4 Uhr am bischöflichen Hof erscheinen und ein zweistündiges Konzert geben. Auf Wunsch des Bischofs, des Herrn Kameralrepräsentanten Herrn Baron von Schmiedler, des Administrationsrats v. Kempf, eines Domherrn der Kathedralkirche müssen sie auch die Tafelmusik bestreiten, dafür einen halben Wein und Brot samt 3 Gulden als Belohnung erhalten. Die Extraverdienste und Honorare werden gemeinsam in eine Kasse gelegt und einmal im Quartal an alle Mitglieder gleichmäßig verteilt werden. Es ist wünschenswert, wenn die Musiker nicht weit voneinander wohnen würden, damit man täglich musizieren und proben könne.

All dies wurde den Mitgliedern nachrichtlich mitgeteilt.

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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