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EDITION MUSIK SÜDOST

Joseph Behm

(1815-1885)

  • Biographische Daten
  • Kompositionen
  • Bilddokumentation

Einer der bedeutendsten Kapellmeister der Wesprimer Domkirche (Veszprém, Ungarn) war zweifellos Joseph Behm, der in der Zeit 1867-1885 dieses Amt ausgeübt hat. Seine Vorfahren schrieben noch ihren Namen “Böhm” und diese kamen vermutlich aus Böhmen. Er selbst unterschrieb seine Werke mit “Giuseppe Behm”. Von seinen Vorfahren und Familienangehörigen beschäftigen sich mehrere Personen mit der Kirchenmusik. In der Kathedrale zu Kalocsa war noch vor 1776 Paul Böhm sen. als Kapellmeister tätig, der 1822 im Alter von 81 Jahren verstarb. Dessen Bruder Franz Böhm führte zur Kirchenkonsekration in Paks als Kantorlehrer mit einem zwanzigköpfigen Orchester seine eigene Komposition auf. Von den zwei Söhnen Paul Böhms sen. war Paul Böhm jun. (geb. 1778) als Kantorlehrer in Alsóramóca (heute in Unterrabnitz, Burgenland) tätig. Hier kamen dessen beiden Söhne Franz Böhm jun. 1806 (später Organist in Szombathely / Steinamanger) und Joseph Böhm-Behm am 25. April 1815 zur Welt.

Dieser wirkte schon als junger Musiker als Regenschori des Hauses Esterházy in Kismarton / Eisenstadt. Es ist nicht bekannt, wann Joseph Behm nach Wesprim umgezogen ist, wir wissen aber, dass er bereits 1844 als Organist hier tätig war. Nur kurze Zeit hintereinander verstarben seine Eltern und seine Ehefrauen, er selbst konnte als Organist die Dienstwohnung beziehen. Als Joseph Behm am 5. Oktober 1867 zum Domkapellmeister ernannt wurde, hatte er bereits viele Werke komponiert, die auch in der Wesprimer Kathedrale aufgeführt wurden. Wir finden seinen Namen in vielen Inventarbüchern ungarischer Kathedral- und Kirchenchöre, seine Werke entsprachen dem neuen Kirchenstil und waren sehr beliebt.

Wie auch seine Vorgänger, wollte auch Behm die ganze Struktur der Kirchenmusik in Wesprim reformieren, was das Domkapitel nicht gerade mit Genugtuung mehrmals vernehmen musste. So gelang es ihm auch nicht die Zahl der Instrumentalisten sowie der Sänger zu vergrößern, selbst die Gehälter konnten nicht erhöht werden. Das Domkapitel hat am 28. Juni 1872 dieses Gesuch abgelehnt. Joseph Behm versuchte mit aller Energie sich für seine Musiker und Sänger einzusetzen und entschied sich, seine Vorschläge noch genauer dem Domkapitel vorzulegen. Dieses neue Regulament hat er in ungarischer und deutscher Sprache verfasst und 1871 an seine Vorgesetzten eingereicht. Solche Vorschriften sind uns auch aus Kalocsa und Fünfkirchen bekannt, es könnte sein, dass Joseph Behm deren Vorschriften kannte.

Der Text dieser Vorschriften für die Mitglieder der Dommusik zu Wesprim umfasste folgende Punkte:

1. Alle Mitglieder der Domkapelle, außer den Sängerinnen, müssen täglich um 9 Uhr beim Kapitelgottesdienst teilnehmen.

2. Alle anderen Pflichten und Aktivitäten werden auf der Tafel ausgeschrieben.

3. Die Instrumentalisten müssen 10 Minuten vor dem Beginn des Gottesdienstes anwesend sein, die Sänger müssen ausgeruht sein. Alle Musiker während dem ganzen Gottesdienst teilnehmen, auch wenn sie nicht ständig zu spielen haben.

4. Die Instrumente, außer den Pauken und dem Kontrabass, werden im Chorzimmer (Chorarchiv) ohne viel Geräusch gestimmt.

5. Alle Musiker müssen ihren Pflichten dem Dirigenten und dem Domkapitel gegenüber nachkommen, ansonsten könnte ihr Gehalt verkleinert oder der Arbeitsvertrag gekündigt werden.

6. Die Aktivität der Kapelle wird von dem Dirigenten und von den notwendigen Auftritten bestimmt.

7. Die Proben werden vom Dirigenten festgelegt und alle müssen anwesend sein.

8. Alle Instrumentalisten, besonders die jüngeren, müssen regelmäßig auf ihren Instrumenten üben, besonders aber auch darauf achten, daß sie auch mehrere Instrumente beherrschen können.

9. In der Musikkapelle dürfen andere Gespräche außer den für die Proben notwendigen, nicht geführt werden.

10.  Alle Sänger sowie die Solisten sind verpflichtet stehend zu singen, auch wenn es sich nur um ein kürzeres Musikstück handelt.

11.  Einen Urlaub bis zu 8 Tagen kann der Kapellmeister selbst genehmigen, für eine längere Abwesenheit muß dazu die Genehmigung des Domkapitels beantragt werden. Die Genehmigungen wie auch die Antworten werden nur durch den Dirigenten weitergeleitet.

12.  Im Falle einer Erkrankung muß der Dirigent benachrichtigt werden, der sofort die nötigen Informationen vom Arzt einnehmen muß.

13.  Alle Mitglieder der Domkapelle müssen den Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorchen und außerhalb ihrer Tätigkeit diese Personen respektieren.

14.  Jedewelches unentschuldigte Fehlen muß vom Dirigenten dem Domkapitel gemeldet werden, es kann dafür das Gehalt gekürzt werden. Über diese einbezogene Summe verfügt das Domkapitel.

15.  Dieses Regulament, in ungarischer und in deutscher Sprache festgelegt, muß von allen Musikern beachtet werden, die Befehle des Domkapitels müssen befolgt werden und dieses Regulament, von jedem Mitglied der Domkapelle in einer ihm bekannten Sprache abgeschrieben, wird dann vom Dirigenten unterzeichnet.

Dieses Regulament wurde vom Wesprimer Domkapitel am 28. Oktober 1871 unterschrieben und noch dazu vermerkt, dass von den Mitgliedern der Kathedralmusik eine würdevolle, christliche Haltung, entsprechend des katholischen Glaubens erwartet wird und sie regelmäßig zur Beichte und zur Kommunion gehen sollen.

Das ganze Musikpersonal stimmte aber gegen diese Verordnungen und wollte sie in dieser Form nicht annehmen, besonders das Aufstehen während dem Singen erbrachte einen regelrechten Aufruhr in den Reihen der Sängerinnen und Solistinnen. Es ist anzunehmen, dass man sich trotzdem langsam an diese Regeln gewöhnt hat. Behm beantragte 1877 eine Gehaltserhöhung für seine Leute und Isidor Theindl schlug dafür eine “Promotionaltaxe” vor. Die Wesprimer Domkapelle bestand 1883 aus etwa 22 Mitgliedern, was aus der Gehaltsabrechnung vom 1. August dieses Jahres ersichtlich ist:

 

Joseph Behm, Kapellmeister, Organist 55 fl

Gabriel Franek, Bratschist, II. Organist und Gesanglehrer der Mädchen 55 fl

Friedrich Racsek, I. Geiger 45 fl

Johann Prohaczky, Tenorist 45 fl

Ladislau Matuschek-Mátrai, Violoncellist 40 fl

Anton Kohl, II. Primgeiger 40 fl

Karl Jandl, Violonist 40 fl

Anton Huber, Bassist 40 fl

Joseph Cserny, Hornist und Trompeter 35 fl

Joseph Körmendy, II. Geiger 25 fl

Maria Racsek, I. Sopranistin 25 fl

Anna Fata, II. Sopranistin 8 fl

Maria Bundics, Sopranistin 5 fl

Lina Bélafy, Sopranistin 4 fl

Gisella Mihalyka, Sopranistin 3 fl

Klementine Urhegy, Altistin 18 fl

Rosalia Földes, I. Altistin 8 fl

Maria Braun, II. Altistin 6 fl

Stefan Bauer, Hornist und Trompeter 5 fl

Gustav Paternosz, I. Ersatzklarinettist 5 fl

Julius Húsvét, II. Ersatzklarinettist 5 fl

Julius Braun, Paukenschläger 5 fl

Joseph Bauer, orgona-nyomó 7,23 fl

Insgesamt 524,23 fl

 

Was bereits vor einigen Jahrzehnten Johann Georg Lickl in Fünfkirchen gelang, versuchte nun Joseph Behm für seine Musiker zu erreichen: die Gründung eines Pensionsinstitutes für die Kathedralmusiker. Am 31. Januar 1879 überreichte der Tenorist Eduard Krégczy dieses Bittschreiben dem Bischof, der es an das Domkapitel weitergeleitet hat. Man wünschte, dass sämtliche Musiker zu diesem Pensionsfond beitragen müssen, diese sollte in den Satzungen verankert werden. Dieser Pensionsfond war auch für die hinterbliebenen Familienmitglieder des jeweiligen Musikers eine große Stütze denn, nicht selten kam es vor, dass die Witwen der Domkapellmeister nur durch die Spenden des Domkapitels überleben konnten. Joseph Behm starb nach längerer Krankheit am 8. Mai 1885, zu diesem Anlass erschien in der Wesprimer Tageszeitung Veszprémi Független Hirlap ein Nekrolog in welchem speziell die Verdienste um diesen Pensionsfond hervorgehoben wurden.

Das Jahr 1867 in welchem Joseph Behm sein Amt als Domkapellmeister angetreten hat, spielt in der Geschichte Ungarns eine wichtige Rolle. In diesem Jahr fand der österreich-ungarische Ausgleich statt, praktisch begann damit die Doppelmonarchie, die so genannte „K-und-K-Zeit“. Franz Liszt komponierte seine berühmte Krönungsmesse für die Krönung des Kaisers Franz Josef zum König und der Kaiserin Elisabeth zur Königin von Ungarn. Im Musikarchiv des Wesprimer Domes befindet sich ein Exemplar des Erstdrucks dieser Messe aus dem Jahre 1867: Krönungs-Messe, componirt von Franz Liszt, aufgeführt am 8. Juni 1867 in Ofen, als Ihre Majestäten Franz Josef der I. Kaiser von Österreich zum apostolischen König von Ungarn und Kaiserin Elisabeth zur Königin von Ungarn gekrönt wurden. Ob diese Messe auch in Wesprim aufgeführt wurde, ist ungewiss.

Eine weitere Komposition Franz Liszts befindet sich im Manuskript im Domarchiv: Tasso. Lamento et Trionfo. Symphonische Dichtung für grosses Orchester von Franz Liszt. Partitur. Das Werk wurde am 16. Mai 1897 von Maur. Vavrinecz seinem Freund Franz Eisvogel geschenkt, wie es in der Widmung steht:

 

Lieber u. theurer Freund Franz Eisevogel!

Nimm diese meine Abschrift von Liszt´s Meisterwerk “Tasso” zur freundlichen Erinnerung an diese Woche, wo du “unsre” Elfenkönigin aus der Taufe hebst.

Dein Maur. Vavrinecz

1897, den 16. Mai

 

Obzwar das Domkapitel sehr schwer für Veränderungen im Rahmen der Kathedralmusik zu bewegen war, finden wir in der Zeit Joseph Behms außer dem Kapellmeister wieder einen separaten Organisten auf der Gehaltsliste. Ab 1875 übte dieses Amt Karl Antos aus, ein im Jahre 1854 gebürtiger Böhme, der in Prag, Graz (1870) und Wien (1873) Musik studiert hat. Er ist auch der Verfasser einiger kirchenmusikalischer Werke und der Operette Rózsalányok die am 26. März 1881 in Fünfkirchen aufgeführt wurde. Nach ihm wurde Gabriel Franek (geb. 1868 in Böhmen) Hilfsorganist, der aber nach einer Stelle als Dirigent Ausschau hielt. Deshalb verließ er Wesprim und im Jahre 1884 finden wir ihn als Dirigent im Banater Ort Pantschowa, wo er ab 1890 u.a. die Leitung des Ungarischen Gesangvereins (Magyar Dalárda) übernommen hat. Danach wirkte er bis zu seinem Tode im Jahre 1930 als Domkapellmeister in Raab / Györ.

 

Das Musikarchiv der Kathedrale zu Wesprim / Veszprém enthält folgende Kompositionen von Joseph Behm:

- Missa in C a 4 Voce cum Partitura; Sub Rdissimo D. D. Antonio Lahrkallner, Custos et Canonico Cath. Eccl. Weszprim, mense Febr. 1845 per Aloysium Urhegy, Chori Regentem

- Missa in B a 4 Voce cum Partitura; Sub Rdissimo D. D. Antonio Lahrkallner, Custos et Canonico Cath. Eccl. Weszprim, mense Febr. 1845 per Aloysium Urhegy, Chori Regentem

- Offertorium in Es, Tenor & Basso Concerto et 4 voce ripienno: Ave Regina; Sub Rdissimo D. D. Emerico Szalay, Cath. Eccl. Weszprimiensis, 1843, 1 Octobris

- Missa in Es cum Partitura a 4 Voce et Organo; Sub Rdissimo D. D. Antonio Lahrkallner, Custos et Canonico Cath. Eccl. Weszprim, mense Febr. 1845 per Aloysium Urhegy, Chori Regentem

- Offert. a Sopran Solo, 4 voci et orch.: Confitemini Domino; Reverendissimi D. Carolus Bogdanyi, C. Eccl. Weszpr. Can. et Custos, Ao. 1841

- Offertorium in D, Alto Solo cum orchestra: Ave Regina coelorum; Rdissimus D. D. Antonius Lahrkallner, Custos & Canonicus Cath. Eccl. Weszprimiensis, 1845 Martio

- Salve Regina, Soprano Solo et Orchestra in As; Rdissimus D. D. Antonius Lahrkallner, Custos & Canonicus Cath. Eccl. Weszprimiensis, 1845 Martio

- Chorus Graduale in C, pleno Orchestra: Laudate Dominum in Sanctis eius Rdissimus D. D. Antonius Lahrkallner, Custos & Canonicus Cath. Eccl. Weszprimiensis, 1845 Martio

 

Das Archiv der Dommusik zu Fünfkirchen / Pécs enthält folgende Werke von Joseph Behm:

- Missa brevis in Es; TTBB, org.

- Missa brevis in C; TTBB, org.

- Graduale Laudate Dominum in Sanctis, in C; SATB, vl 1,2., vla, cb, fl, cl 1,2., fag, cor 1,2., clno 1,2., timp, org.

- Ave Regina, in Es; SATB, T s, B s, vl 1,2., vla, cb, cl 1,2., cor 1,2., org.

 

 

 

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

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