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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Aus der ungarischen Puszta nach Wien

Die Beziehungen Beethovens zum Banat

 

von Dr. Franz Metz

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Durch die Recherchen einiger Banater Heimatforscher und Historiker konnte in den letzten Jahrzehnten aus einer mehr oder weniger utopischen Behauptung eine historische Realität bewiesen werden. Professor Josef Brandeisz (1896-1978), Temeswarer Musikpädagoge, Violinist und Heimatforscher, entwickelte diese Theorie bereits in den zwanziger Jahren und zu seinen Nachforschungen kamen immer mehr Fakten dazu.

Dadurch kann man eine Beziehung zwischen den biographischen Daten Beethovens und dem Banat feststellen. Diese Verbindung ist ebenso in Zusammenhang mit seinem engeren Bekanntenkreis nachzuvollziehen. Versuchen wir nun den beiden Behauptungen nachzugehen:

1. Die Jugendliebe Beethovens, Jeanette d´Honrath starb in Temeswar, ihr Grab befindet sich heute auf dem Innenstädtischen Friedhof und

2. Beethoven weilte im Schloss der Gräfin Julianna von Brunsvik in Soborschin [ung. Soborsin, rum. Savârsin].

Außerdem kam vor einigen Jahren in der südbanater Ortschaft Orawitza eine Nachricht in Umlauf, dass sich ein Brief Beethovens im Besitz eines Bürgers dieser Stadt befinde. Bisher konnte diese Aussage aber nicht belegt werden. Möglichkeiten bestünden aber, da gegen Ende des 18. Jahrhunderts in diese Bergregion österreichische Ingenieure und Beamte kamen, die auch zur Hebung der Musikkultur dieser Stadt beitrugen. Bis diese Behauptung nicht eventuell doch noch bewiesen werden kann, verbleiben wir bei der Vermutung.

 

Der Obelisk im Temeswarer Friedhof

 

Im Jahre 1942 kam eine Anfrage an die Temeswarer Musikkammer seitens der Intendantur des Aachener Stadttheaters. Professor Josef Brandeisz, ein guter Kenner der einheimischen Musikgeschichte, wurde vom damaligen Leiter der Kulturkammer Dr. Rudolf Hollinger gebeten, dieses Schreiben zu beantworten. Die Kopie des Antwortschreibens der Temeswarer Kulturkammer an das Aachener Stadttheater ist uns erhalten geblieben:

 

9. September 1942

Betr.: An die Musikkammer Temeswar.

         Anfrage der Intendantur des Stadttheaters Aachen über das Grab Jeanette v. Honrath

 

Im Jahre 1823 starb in Temesvar die Frau des damaligen Festungskommandanten, Feldmarschallleutnant Karl v. Greth, geborene Johanna von Honrath (auch »d´Honrath«). Sie wurde in der Gruft der alten Piaristenkirche bestattet. Eine an der Wand der Krypta angebrachte rote Marmortafel verkündete:

Hier ruhet

Johanna von Greth, geborne von Honrath,

Gattin des k. k. General Feldmarschalllieutenants

und Temesvarer Festungs Commandant

Carl v. Greth

geboren den 10. August 1770

gestorben den 25. Novemb. 1823.

Jeanette Honrath war Schülerin und erste Jugendliebe Beethovens. (...)

Als die alte Piaristenkirche in Temeswar wegen Baufälligkeit im Jahre 1911 abgetragen werden musste, wurden die in der Kirchengruft Bestatteten exhumiert und nach dem städtischen Friedhof in ein gemeinsames Grab überführt. Die Temesvarer Zeitung vom 12. Juli 1911 schreibt: »...daß die einzelnen Nischen der Grüfte eingestürzt sind, so daß die Gebeine nicht mehr separiert liegen. Im ganzen waren in den bisher freigelegten Krypten die Gebeine von drei Personen durch nähere Bezeichnung agnoszierbar u. zw. diejenigen von Joachim Huber, Prior des Piaristenordens, weiter von Johanna Greth geb. Honrath, Gattin des Feldmarschallleutnant und Festungskommandanten Karl Greth und des 10jährigen Stefan Karacsonyi de Benda. Die Kommission stellte fest, daß außer den 37 Militärpersonen und 150 Zivilpersonen deren Verzeichnis sich im Archive des Piaristenordens vorfand, noch mehr Personen in den Grüften beerdigt sind.«

Die gleiche Zeitung brachte am 22. Juli 1911 eine weitere Notiz: »Die Gebeine wurden in der Reihenfolge der Exhumierung in Särge gelegt u. zw. die Überreste derjenigen Personen die aufgefunden wurden kamen wieder separiert in kleine Särge, während die Gebeine aus den zusammengestürzten Nischen vereint in grössere Särge gebettet wurden. Die Särge wurden nach dem innenstädtischen Friedhof überführt und in das frisch aufgeworfene Grab hinabgelassen. Dieses 4 Klafer lange und 3 Klafter breite Massengrab befindet sich im nördlichen Teile des innenstädtischen Friedhofes in unmittelbarer Nähe der Schlauchschen Kapelle.«

Später, im Jahre 1913, stellte die k. k. Militärbehörde im nebenanliegenden Militärfriedhof einen Obelisk auf mit der Aufschrift:

Dem Andenken der in den Jahren 1739-1825 in Temesvar verstorbenen in den Grüften der ehemaligen Piaristenkirche beigesetzten, im Jahre 1911 exhumierten und am städtischen Friedhofe wiederbestatteten Militärpersonen.

Es folgen die Namen, darunter: »Johanna von Greth, Feldmarschalleutnants Gattin, 1823.«

Die in der Kirche angebracht gewesene oben erwähnte dünne rote Marmortafel wurde in eine Zementunterlage gebettet und im Militärfriedhof gegenüber dem Haupteingang aufgestellt. Dort fand dieselbe der edelsinnige Professor am Temeswarer städtischen Musikkonservatorium Josef Brandeisz im Jahre 1924 und machte davon auch eine Fotoaufnahme.

Bei der Neuregelung des Militärfriedhofes im Jahre 1931 verschwand die Tafel spurlos; sie musste dem großen eisernen Kreuz gegenüber des Haupteinganges Platz machen. Das Massengrab mit einem Obelisk ohne Aufschrift im innenstädtischen Friedhof sowie der Obelisk im Militärfriedhof mit dem Namen Johanna von Greth sind noch vorhanden. (...)“

 

Soweit das Schreiben der Temeswarer Kulturkammer an den Intendanten des Aachener Theaters. Außer den obigen Daten ist auch bekannt, dass in einem von Beethovens Konversationsheften unter dem 13. Februar 1823 die Notiz zu finden ist Carl v. Greth Feldmarschall-Lieutnant und Divisionär anjetzo / Jeanett Hohenrath Commandant in Temeswar.Vermutlich handelt es sich um die schriftliche Beantwortung einer Nachfrage Beethovens an Schindler. Die Wiener Zeitung vom 11. Februar 1823 wie auch der Beobachter vom 13. Februar brachten nämlich die Nachricht von der Versetzung Carl von Greths von Ofen als Festungskommandant nach Temeswar. Aber schon sechs Monate nach dem Umzug starb seine Frau und wurde in der Gruft der Temeswarer Piaristenkirche bestattet.

Beethoven lernte Jeanette d´Honrath um das Jahr 1787 kennen. Eingeführt durch seinen Freund und späteren Biographen Wegeler, gelangt der zwölfjährige Beethoven ins Haus der verwitweten Hofrätin Helene von Breuning, die am Münsterplatz in Bonn wohnte. Sie selbst hatte drei Söhne, Christoph, Stephan und Lorenz, und eine Tochter Eleonore, denen Beethoven Klavierstunden erteilte. 1787 stirbt Beethovens Mutter und zwei Jahre danach musste er seinen Vater wegen dessen Trunksucht durch eine Petition entmündigen lassen. Für den jungen Musiker waren dies schwere Zeiten. In dieser Zeit tritt zum ersten Mal ein Mädchen in Beethovens Leben. Die Tochter des Hauses Breuning, Eleonore, hatte ein Freundin in Köln, namens Jeanette von Honrath. Wegeler schreibt in seiner Biographie darüber: „Beethovens erste Jugendliebe war Jeanette d´Honrath aus Köln, die oft einige Wochen in der Breuning´schen Familie verbrachte. Sie war eine schöne, lebhafte Blondine, von gefälliger Bildung und freundlicher Gesinnung, welche viel Freude an der Musik und eine angenehme Stimme hatte.“ Ein anderer Biograph, A. B. Marx, schreibt: „Im traulichen Kreise des Breuning´schen Hauses sollte denn auch das Herz des Jünglings zum erstenmal von zärtlicher Neigung berührt werden. Jeanette d´Honrath war die Zauberin, eine junge Kölnerin, die ... selber recht anmutig sang; sie führte nicht blos Beethoven, sondern auch seinen Freund Steffen artig genug an diesem Zauberfädchen, das sich nicht zerreißen läßt, ... und wenn sie dann nach Köln zurück mußte und der arme Musiker allzu herzbrechend über die Trennung zeufzte, sang sie ihm mit neckischer Zärtlichkeit das damals beliebte

»Mich heute von dir zu trennen

Und dieses nicht verhindern können,

Ist zu empfindlich für mein Herz!«

Während sie selber ihr Herzchen an einen österreichischen Werbeoffizier verschenkte, der später es bis zum General oder Gouverneur gebracht.“

Dieser österreichische Offizier war der Werbehauptmann Karl von Greth; Jeanette von Honrath heiratete ihn im Jahre 1788. Wegeler vermerkte in seinen Notizen: Feldmarschall-Lieutenant, Inhaber des Infanterieregiments Nr. 23, Commandant von Temeswar, den 15. Oktober 1827 starb“, also kaum sieben Monate nach Beethovens Tod.

Bereits 1940 verlangte Brandeisz von den Verantwortlichen der Stadt Temeswar, dass man diesen Obelisk dringend renovieren müsste. Heute ist die Marmorplatte mit dem Namen der ersten Liebe Beethovens nicht mehr vorhanden. Als Belege bleiben uns nur noch die Aufzeichnungen und alten Fotos ihres Entdeckers.

 

Das königliche Schloss Soborschin

 

Etwa 80 Kilometer nordöstlich von Temeswar entfernt, an dem Ufer der Marosch, liegt der Ort Soborschin (rum. Savarsin). In einem großen Park, umgeben mit einem alten Mauerwerk, steht ein Schloß, das schon beim ersten Hinsehen an Glanz und Glorie vergangener Zeiten erinnert. Das Schloss war in der kommunistischen Ära im Besitz des rumänischen Diktators Ceausescu, der es gelegentlich seiner Jagdaufenthalte bewohnte. Heute wurde es wieder König Michael I. von Rumänien zurückerstattet, dem es bis zu seiner Flucht 1947 als Privatbesitz gehörte.

Verfolgen wir die Geschichte dieser historisch bewegten Gegend um einige Jahrhunderte zurück, so kann man feststellen, daß zu den Gutsherren dieser malerischen Landschaft auch mal die Familie der Gräfin Julianna von Brunsvik gehörte. Beim Betreten der Kirche empfing mich der Pfarrer mit den Worten: „Hier in Soborschin weilte auch Ludwig van Beethoven.“ Von älteren rumänischen Bewohnern des kleinen Ortes hörte ich die gleiche mündliche Überlieferung, daß hier in ihrer Stadt vor langer Zeit ein berühmter Musiker aus Wien weilte.

Die Brunsviks waren ein altes ungarisches Adelsgeschlecht. Der Stammsitz der Familie war Korompa bei Tyrnau. Anton Brunsvik wurde später von Maria Theresia in den Grafenstand erhoben und bekam große Ländereien um Martonvásár bei Ofen (heute Budapest) geschenkt, die er in kurzer Zeit aus einer baumlosen Puszta in eine blühende Landschaft verwandelte. Die Schlösser in Korompa, Martonvásár und Soborschin weisen viele gemeinsame Merkmale auf.

Über die Familie Brunsvik gibt es heute noch ein künstlerisch wertvolles Dokument, das sich gleich beim Eingang der katholischen Kirche des kleinen Ortes Soborschin befindet: zwei aus weißem Marmor gefertigte prachtvolle Gedenktafeln mit einem schönen Basrelief und der vergoldeten Aufschrift in ungarischer Sprache

 

Korompai Gróf Brunsvik Julianna Férjének

Örökre szorít

Soborsini Báró Forray András

Cs. K. Kamarás és Fö Ispánynak

Született 1781

Meg Hólt 1830

 

Soborsini Báró Forray Zefis

Átszenderedve

szomorú vágyot hagya annya kebelébe

születet 1810

meghólt 1830

 

 

In deutscher Übersetzung: (links) Gräfin Julianna Brunsvik (de Korompa) ihrem Gemahl / in ewiger Erinnerung / Soborschiner Baron Andreas Forray / Kaiserlich-königlicher Kämmerer und Obergespan / Geboren 1781 / Gestorben 1830. (rechts) Soborschiner Baronin Forray Zefis ... / Entschlafen / Eine traurige Sehnsucht in der Brust der Mutter hinterlassend / Geboren 1810 / Gestorben 1830.

Mitten in der Kirche befinden sich auf gleicher Ebene mit dem Fußboden die Grabplatten der Verstorbenen, die in der Gruft ihre letzte Ruhe fanden, darauf die Lebensdaten der Gräfin Julia(nna) Brunsvik (de Korompa), gestorben am 27. Juli 1866 im Alter von 81 Jahren, des Soborschiner Grafen Andreas Forray, gestorben am 16. August 1830 im Alter von 49 Jahren wie des Soborschiner Grafen Ivan Forray, gestorben am 27. Juni 1852 in seinem 33. Lebensjahr. Dieser ist in die Geschichte als Afrikareisender eingegangen. Es ist zu vermuten, daß Forray Zefis die Tochter des Barons Forray und der Gräfin Brunsvik war. Tochter und Vater starben im selben Jahr. Die beiden weißen Gedenktafeln wurden vermutlich im Jahre 1830 von Gräfin Julianne Brunsvik, nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Tochter gestiftet.

Der Name Forray kommt auch in einem Beethoven-Brief, geschrieben im Sommer 1809, an Franz von Brunsvik vor, in welchem es heißt: „Soviel ich mich erinnere, habe ich Dir ja gesagt, daß ich Dir beides, Sonate und Trio, schicken werde; mache es nach Deinem Belieben, behalte die Sonate oder schicke sie Forray, wie Du wills; das Quartett war Dir ja so früher zugedacht, bloß meine Unordnung war schuld daran, daß Du es eben erst bei diesem Ereignis erhalten; (...) Wälzen sich die Wogen des Krieges näher hierher, so komme ich nach Ungarn, vielleicht auch so; habe ich doch für nichts als mein elendes Individuum zu sorgen, so werde ich mich wohl durchschlagen.“ Andreas Freiherr von Forray war ein angeheirateter Vetter des Grafen Franz von Brunsvik und ein guter Klavierspieler. Es ist anzunehmen, dass er mit Beethoven persönlich bekannt war.

Und wieder werden wir an die Jugendjahre Beethovens erinnert: an seine Zuneigung zu den beiden Schwestern Therese und Josephine Brunsvik. Die Familie des Grafen Brunsvik gehörte wie die Familien Lichnowsky, Deym, Guicciardi oder Erdödy zu den Förderern des Komponisten. Beethoven gab Josephine und Therese Brunsvik Klavierunterricht und mit Grafen Franz von Brunsvik war er sehr gut befreundet. Zum späteren Ehegatten von Josephine entwickelte sich eine herzliche und freundschaftliche Beziehung.

Ein Teil des Besitzes der gräflichen Familie Brunsvik (de Korompa) befand sich in Ungarn, dazu gehörten Schlösser und Güter in Budapest, Preßburg, Martonvásár, Korompa und Soborschin in Siebenbürgen. Geographisch betrachtet gehört das Schloß Soborschin zu Siebenbürgen, obzwar sich dieses Gut auf dem Territorium des Kreises Arad befindet und die Kirche somit zum Temeswarer Bistum gehört.

Josephine Brunsvik wurde von ihrer Mutter gezwungen, 1799 den Grafen Deym zu heiraten, der dreißig Jahre älter war als sie. Im Januar 1804 starb Deym, wenige Wochen danach gebar Josephine ihr viertes Kind. Aus Beethovens Korrespondenz des Jahres 1804 hören wir zum ersten Mal über seine Zuneigung zu Josephine. In der zweiten Hälfte des Jahres 1806 zog sie schließlich nach Budapest. In die Liebesaffäre musste 1804/05 selbst Fürst Lichnowsky eingreifen, der angeblich mehr um das Genie des Komponisten besorgt war. Soll eine der beiden, Therese oder Josephine, die „Unsterbliche Geliebte“ sein? Nach Beethovens Tod fand man angeblich in seinem Schreibtisch neben den undatierten Briefen „An die unsterbliche Geliebte“ ein Bild von Therese Brunsvik.

Beethoven widmete Therese die zweisätzige Sonate, op. 78, und auch einige Lieder. 1806 hielt sie sich in Siebenbürgen auf. In Soborschin? Ein Beethoven-Biograph schreibt darüber: „Fast gleichzeitig traten deren Cousinen (von Giuletta Guiccardi), die eben aus der ungarischen Puszta in Wien angekommenen Contessen Brunsvik, deren Bruder Franz zu seinen nächsten Freunden gehörte, seinem Herzen näher.“ Therese blieb unverheiratet und soll später sämtliche Briefe Beethovens zerrissen haben.

Die Tochter des jüngsten Brunsvik-Mädchens, Blanka, heiratete den ungarischen Grafen Teleki, der in der Revolution von 1848-49 eine wichtige Rolle gespielt hat. Auch Blanka Teleki wurde als „sehr gefährliche, aufrührerisch-revolutionär denkende Frau“ verhaftet und wegen Hochverrats zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im Jahre 1857 wurde sie amnestiert. Als belastende Dokumente wurden bei den Gerichtsverhandlungen auch die von Therese Brunsvik geschriebenen Memoiren beschlagnahmt, aus denen beim Prozess einige „gefährliche“ Sätze vorgelesen wurden. Die damals schon 77jährige Therese soll die Anwesenden mit der Bemerkung verblüffte haben: „Nicht wahr, Herr Auditor, das habe ich schön geschrieben?“

Beethoven war im Laufe seines Lebens öfter in Ungarn. Belegt sind die Aufenthalte in Preßburg (23. November 1796), Ofen (7. Mai 1800) und Eisenstadt, wo er seine C-Dur-Messe selbst dirigiert hat, gewidmet dem Fürsten Esterházy. Schindler berichtet auch noch über eine andere Reise: „... im Sommer von 1806, wegen des immer mehr zunehmenden Ohrenübels, eine Reise nach dem ungarischen Bade.“ Ein anderer Biograph meint, dass Beethoven sich bereits 1801 auf dem Stammschloss der Brunsviks, in Korompa, aufgehalten haben soll. Es bleibt auch die Zeitspanne zwischen den beiden Konzerten vom 7. Mai 1800 in Ofen und 18. Mai in Pest als Möglichkeit für einen eventuellen Besuch in Korompa oder in Soborschin.

Auf diesen Gütern komponierte Beethoven u.a. die Appassionata, die Mondscheinsonate, die Klavierfantasie op. 77 wie auch die Fis-Dur Klaviersonate. Therese Brunsvik schildert das Schloss in Korompa mit folgenden Worten: „Was es nach meinem Gefühl vor allen anderen ähnlichen Anlagen auszeichnet ist, daß es nicht nur aus Gärten besteht, sondern auch Malereien hat: Zeichnungen, Form, Kolorit, alles ist motiviert; jede Baumart hat ihren Sinn, es spricht, es sind Töne, sie sagen etwas und man versteht sie wirklich... Die Menge und die Wahl der exotischen Gewächse, ihre wunderbare Vegetation ist von seltener Schönheit...“ Diese Beschreibung würde Wort für Wort auch der Schlossanlage in Soborschin zupassen. Selbst die bekannte Schriftstellerin La Mara berichtet in ihrem Buch Beethoven und die Brunsvicks von einer überlieferten Familientradition über den Aufenthalt Beethovens auf dem Schloß Korompa: „Im Parke ... steht eine uralte Eiche, davor ein großer, von weither dahingebrachter Steinbock, daneben eine Steinbank. Dieser Platz heißt seit jeher Beethoven-Platz, und man sagt, daß er hier die Mondscheinsonate komponiert habe...“

Schon seine ersten Biographen waren über die Beziehungen Beethovens zu den Frauen uneins. Anton Schindler schreibt z. B. in seinem Buch, daß Ignaz von Seyfrieds Behauptung, Beethoven hatte nie ein Liebesverhältnis, sei falsch. Wegeler hingegen stellt fest: „...daß Beethoven nie ohne eine Liebe war und meistens von ihr in hohem Grade ergriffen. Er nennt Fräulein d´Honrath seine erste Liebe...“

Verfolgen wir etwas näher die überlieferten Angaben über Graf Franz von Brunsvik, so kommen wir dem Banat etwas näher. Dieser hielt sich lange Zeit in Pesth auf und war mit Professor Michael Táborszky vom Prager Konservatorium gut befreundet, der aus Temeswar stammte. Der Temeswarer Geiger und Konzertmeister des Domorchesters, Michael Jaborsky (1805-1884), zählt zu dessen Schülern in der ungarischen Hauptstadt. Beethoven widmete Franz die Appassionata, op. 57. Anton Schindler schreibt über den in Budapest weilenden Grafen wie folgt: „Das Haus des Grafen Franz von Brunsvik glich einem Conservatorium im kleinen Maßstabe für einen auserwählten Kreis nach Höherem strebenden Musiker und Musikfreunde. Ein stehendes Quartett in musterhafter Ausbildung mit Táborszky (aus dem Prager Conservatorium) an der ersten Violine, der Graf selber am Violoncello, die Gräfin das Pianoforte handhabend, dieses künstlerische Trifolium im Verein leistete, was man in Wien zur Zeit vergeblich gesucht haben würde. Welch ein Lehrer und Verbreiter des guten Geschmacks Graf Brunsvik im großen Maßstab gewesen, wird Nachstehendes zeigen. 1819 übernahm er die Leitung des Pesther Stadttheaters in der löblichen Absicht, den tiefgesunkenen Zustande wieder aufzuhalten. Im ersten Jahre ging alles gut von Statten, die Dinge waren merklich vorgerückt. Im zweiten Jahre aber verlangte der Adel mehr italienische Oper, der andere Theil des Publicums mehr Wiener Possen. Das hieß auf den alten Fleck zurückgehen. Die von der Direction gemachte Concession genügte den Begehrern, vornehmlich dem Adel, nicht, und da Graf Brunsvik bei seinen gefaßten Grundsetzen beharrte, so kam es alsbald dahin, daß sämmtliche Logen leer standen. Das hinderte ihn jedoch keineswegs die besten Sänger und Schauspieler kommen zu lassen und sich mit einer kleinen Anzahl Eingeladener, Feste in Oper und Schauspiel zu bereiten. Nach Niederlegung der Direction 1822 war eine enorme Summe verloren, aber die Ehre nicht, auch nicht das Bewußtsein, das Beste gewollt und es in einem kleinen Theile des Publicums erreicht zu haben. Er verblieb immer der reichbegüterte Magnat des Königreiches. Aus jenen Jahren datirten einige interessante Briefe von Beethoven an seinen Freund in Pesth, in denen dieser ermuthigt worden, auf der eingeschlagenen Bahn fortzuwirken. Gesegnet sey sein Andenken!“ Auf Anregung des Grafen schrieb Beethoven 1811 in Teplitz „... um den Schnurrbärten, die mir von Herzen gut sind, zu helfen“ die Werke König Stephan, Ungarns erster Wohlthäter und Die Ruinen von Athen zur Eröffnung des Pesther Theaters im Jahre 1812. In vielen seiner Kompositionen sind typische Elemente der ungarischen Musik auffindbar.

Die Ungarn begannen schon kurze Zeit nach seinem Tod sich für Beethoven zu interessieren. 1870 bot sich dieser Anlass zur Feier seines hundertsten Geburtstags. Selbst die Banater Gesangvereine organisierten Konzerte mit Werken Beethovens und würdigten in dieser Weise den großen Musiker. Am 16. Dezember 1870, also genau zum 100. Geburtstag Beethovens, brachte die Temesvarer Zeitung einen längeren Bericht mit dem Titel Beethovens Beziehungen zu Ungarn, geschrieben von Gotthard Wöhler. Unter anderem schreibt er: „Ein Jubiläum wollen wir feiern! Das Jubiläum des größten Apostels der Tonkunst... Wenn wir von den Beziehungen Beethovens zu Ungarn sprechen, so kann dies nicht geschehen, ohne das Gedächtnis eines Mannes zu zitiren, den das Band einer innigen Freundschaft mit dem gewaltigen Heros der Töne verband. Franz Graf Brunswick, den ein stolzer Unabhängigkeitssinn daran verhinderte, seine reichen Fähigkeiten auf dem bewegten Tummelplatze des öffentlichen Dienstes glänzen zu lassen, lebte an seinem reizenden Landsitze zu Mártonvásár der Pflege der Kunst. (...) In Mártonvásár hat der im Jahre 1849 verstorbene Graf Brunswick sehr heufig den Besuch seines Freundes empfangen, und vielleicht würden einige Verehrer des Meisters zur Feier des Beethoventages nach dem anmuthigen Städtchen wallfahren. (...) Beethoven vertraut dem Grafen seine eigensten diskretesten Angelegenheiten an. Er bespricht mit ihm seine Absichten, verbirgt ihm keinen Umstand. So schreibt er z.B. im Mai 1806: Wenn Du machen kannst, daß mich die Ungarn kommen lassen, um ein paar Konzerte zu geben, so thue es - für 200 Dukaten bin ich zu haben. (...) Dann endlich hat Beethoven schon in früheren Jahren, 1797 und 1801, der Gräfin Babette Keglevics die Sonate Es dur, op. 7, und Zehn Variationen für Pianoforte über ein Thema aus Salieris Oper Falstaff gewidmet. Dieselbe, als nachherige Fürstin Odeschalichi, ist noch durch die Dedikation des ersten Klavierkonzertes C dur, op. 15 (1801), und der Variationen über ein Originalthema in F dur, op. 34 (1802), ausgezeichnet. (...) Wie wir also schon genau wissen, hat Beethoven mehrere Reisen nach Ungarn gemacht. (...) Daß Beethoven auch Ungarns Heilquellen (welche?) aufsuchte, wissen wir aus seinen oben erwähnten Briefen an die Gräfin Guicciardi. (...)“

 

Der hundertste Geburtstag Beethovens (1870) wurde von der ganzen damaligen Musikwelt gefeiert, selbst in kleineren Orten des Banats veranstaltete man Gedenkkonzerte bei welchen Werke des Komponisten von einheimischen Musikern vorgetragen wurden. Im Ersten poetischen Beethoven-Album, veröffentlicht von Herrmann Josef Landau in Prag, erschien auch das Gedicht Nikolaus Lenaus: Beethovens Büste.

Und wieder verfolgt mich der Satz, mit dem mich der Pfarrer von Soborschin empfangen hatte: - Hier in Soborschin weilte auch Ludwig van Beethoven... Ich bin mir sicher, dass die Nachforschungen in diesem Bereich noch lange nicht abgeschlossen sind.

 

Bilddokumentation

 

Leichenzug bei Beethovens Beerdigung in Wien

Nikolaus Lenau

Gedenktafel für Festungskommandanten Carl Greth und dessen Frau Johann Greth (altes Foto von Josef Brandeisz)

Obelisk am Temeswarer Heldenfriedhof (Foto um 1990)

Obelisk am Temeswarer Heldenfriedhof (2004) neben einer Müllhalde. Links im Bild das Kaiser-Denkmal vom 1849, das ehemals am Paradeplatz stand.

Obelisk (Vorderseite). Die Marmortafeln wurden vor vielen Jahren gestohlen.

Obelisk (Detail)

Königliches Schloss in Soborschin

Schlosspark Soborschin

Katholische Kirche Soborschin: Gedenktafel für Baron Forray

Katholische Kirche Soborschin: Gedenktafel für Forray Zefiz

Katholische Kirche Soborschin

Katholische Kirche Soborschin: Orgel von Anton Dangl

 

 

 

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

 

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