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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O ST

Peter Schütz

(1899-1977)

von Dr. Franz Metz

Aus Uiwar nach Graz

Geboren wurde Peter Schütz am 22. September 1899 als Kind eines Gastwirts im Banater Ort Uiwar (Neuburg an der Bega), wo sein Vater ein Gasthaus führte. Als kleiner Jungen musste er vor den Gästen singen, was vielleicht der erste Schritt für seine spätere musische Betätigung sein wird. Nach dem Besuch der Volksschule in seinem Heimatort schickten ihn seine Eltern ans Piaristengymnasium nach Temeswar, von wo er immer gute Zeugnisse nach Hause brachte. Nach dem Abitur begann er 1919 das Medizinstudium an der Grazer Universität.

Obzwar das Banat nun nicht mehr zur österreich-ungarischen Monarchie gehörte, wird Wien und Graz auch weiterhin für viele junge Leute das Ziel ihres Studiums sein. Selbst aus wohlhabenden rumänischen Familien des Banats wurden junge Leute zum Studium nach Österreich geschickt, wie z.B. die späteren namhaften Musiker Filaret Barbu, Zeno Vancea oder der berühmte Tenor Traian Grosavescu, der in Wien durch sein besonderes Talent ja Musikgeschichte geschrieben hat und als „ein neuer Stern am Musikhimmel“ gefeiert wurde. Somit blieb der Einfluss der österreichischen Musik auf die Banater Musikkultur auch weiterhin bestehen. Was die Politik durch „Trianon“ auch zerstört hat, blieb in den Herzen der Menschen – ob Banater Schwaben oder Rumänen – noch für viele Jahrzehnte erhalten.

Während seines Medizinstudiums bewarb er sich als Solist bei der Akademischen Sängerschaft Gothia. Seine wunderbare Tenorstimme begann er bei einem Gesangslehrer in Graz auszubilden und bekam auch bald eine Rolle als Radames in Verdis Aida an der Grazer Oper. Bis es aber so weit war, musste er seine Mitgliedschaft beim akademischen Sängerbund wortwörtlich „erfechten“, was seine Narbe im Gesicht bis ins hohe Alter verraten hat. Es folgten noch weitere solistische Auftritte und Chorkonzerte in Graz. In den Ferien besuchte er immer wieder seine Banater Heimat und half im Uiwarer Männergesang aus. Im Jahre 1925 erlangte er die Doktorwürde und begann an verschiedenen österreichischen und Banater Kliniken tätig zu sein. 1929 ließ er sich als selbstständiger Arzt in Uiwar nieder und wurde gleichzeitig aktives Mitglied des geschätzten Männergesangvereins.

 

Der Doktor als Sänger

Für viele Mediziner ist bis heute die Musik die wichtigste Nebenbeschäftigung geblieben. So auch bei Dr. Peter Schütz. Auch die Temeswarer Musikwelt wurde auf ihn aufmerksam und im Jahre 1930 lud man ihn ein, den Barinkay im Zigeunerbaron von Johann Strauss zu singen. Es folgten weitere Auftritte in Temeswar, Kronstadt und im Freilichttheater des Erlenparks in Hermannstadt. Selbst vor zeitgenössischer Musik schreckte Schütz nicht zurück und sang 1935 die Titelrolle der Oper Der Günstling von Rudolf Wagner-Regenyi. Der Dirigent Carl Gorvin (Hannover), der damals diese Oper in Hermannstadt dirigierte, erinnerte sich noch nach 50 Jahren an diese Premiere und sagte, dass Dr. Peter Schütz als Sänger ein Phänomen war.

Peter Schütz wirkte auch bei vielen kulturellen Veranstalten in Banater Orten mit. So am 25. Dezember 1934, dem ersten Weihnachtsfeiertag (das Konzert begann um 9 Uhr abends!) im Saal des Hatzfelder Bauernheims, wo er gemeinsam mit der Temeswarer Sängerin Julie Bojinca-Kulcsár, dem Geiger Hans Wimmer, dem Dirigenten Emmerich Bartzer und dessen Hatzfelder Gewerbe-Gesangverein aufgetreten ist. Schütz sang Werke von Verdi und Puccini.

 

An der Front und in Gefangenschaft

Dr. Peter Schütz wurde mit dem Kriegsausbruch gegen die Sowjetunion 1941 als Arzt zum rumänischen Militär eingezogen und verbrachte eine lange Zeit auf der Krim. Auch hier wurde er von seiner guten Stimme eingeholt und sang für den Belgrader Soldatensender die Arie Es steht ein Soldat am Wolgastrand, die dann mehrmals auf Wunsch von Hörern ausgestrahlt wurde. Nachdem das Bündnis zwischen Rumänien und Deutschland am 23. August 1944 zerbrach, kam Peter Schütz in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er nach 6 Jahren, am 3. Juli 1951, entlassen wurde.

Selbst hier im Kriegslager hat er mit seiner Stimme den vielen Leidensgenossen so manche angenehme Stunde geschenkt, man sang gemeinsam und träumte von der Heimat, die man vielleicht nie mehr wiedersehen wird. Doch das war nicht genug. Er begann selbst Lieder zu komponieren, manche Texte verfasste er selbst, andere bekam er von anderen Lagerinsassen zur Vertonung. So sind etliche „Lagerlieder“ entstanden, u.a. auch jenes Interniertenlied, das am 8. Juli 1946 in Russland entstanden ist, sein Text stammt von Helmuth Schmidt und wurde von Frau Käthe Kadi, einer Gefangenen, aus dem Lager geschmuggelt:

 

Interniertenlied

 

Internierte werden wir genannt,

fern der Heimat leben wir verbannt.

Fremde Laute um die Ohren wehn,

und kein Mensch kann uns verstehn.

Refrain: Träumend nachts sind wir zu Haus,

und die Sehnsucht strahlt hinaus.

Über uns am blauen Himmelszelt

Der Stern der Heimat Wache hält.

Jahr und Tag sie ziehn dahin

Lagerleben ohne Ziel und Sinn.

Um uns alles öde, fremd und leer,

sind wir ein namenloses Heer.

Refr.

In der Heimat warten Frau und Kind

Voll Ungeduld wo wir geblieben sind.

Wer sorgt für sie und gibt ihnen Brot

Und hilft in allerhöchster Not!

Refr.

Erst wenn wir dann zu Hause

In den Armen halten Frau und Kind,

Wenn all das Schwere ist vorbei,

dann, Kameraden, sind wir frei.

Refr.

 

Das Lied entdeckt

Viele solcher Lieder entstanden im Lager von Stalino (Ukraine), unzählige Papierfetzen wurden beschrieben, jedes leere Blättchen wurde dazu verwendet. Am Tag seiner Befreiung musste Peter Schütz aber sämtliche Schriftstücke übergeben, nichts durfte mitgenommen werden. Selbst die eigenen Kompositionen wurden ihm weggenommen. Für einen Komponisten bedeutet dies ein großer Schmerz, doch wichtiger war die Heimreise. Je schneller nach Hause ins Banat zur Familie! In Uiwar angekommen, begann Peter Schütz nun aus dem Gedächtnis all seine Lieder, die er in russischer Gefangenschaft komponiert hat, aufzuschreiben. Und nicht nur die Noten, sondern samt Text und allen Strophen. Für dies verweilte er viele Tage in völliger Abgeschiedenheit an seinem Klavier, bis nicht all diese Lieder für die Nachwelt festgehalten wurden. Und wenn man heute, nach mehr als einem halben Jahrhundert, diese vielen handgeschriebenen Liederhefte in den Händen hält, dann wird einem erst klar, welchen geistigen Wert wir besitzen. Es ist nicht nur einfache Musik, sondern gleichzeitig ein Stück erlebte Zeitgeschichte, verpackt in Noten und Linien.

Dr. Peter Schütz wird nach seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft den Chor des Uiwarer Kulturheims übernehmen, mit dem er viele seiner Kompositionen einstudieren wird. Am 20. Februar 1969 nahm er bei der Gründungssitzung des Temeswarer Franz Schubert-Chores teil. Gleich darauf, im März und Juni 1969, entstanden einige Aufnahmen für den Temeswarer Rundfunk, einige gemeinsam mit Hans Fritz, dem jahrelangen Mitglied der Philharmonie. „Ich bin glücklich, wenn ich mit meinen Liedern ein bisschen Freude schenken kann“ – sagte er 1969 Walther Konschitzky, der mit ihm für den Neuen Weg ein Interview machte.

Doch seine Hauptbeschäftigung war seine ärztliche Tätigkeit und sein größter Erfolg war die Errichtung des Uiwarer Krankenhauses, für das er sich sein ganzes Leben lang eingesetzt hat und das am 1. Oktober 1954 eröffnet werden konnte.

Für viele Banater Landsleute stellt die Musik ein eigenes persönliches Sprachrohr dar, mit dessen Hilfe man die eigene Vergangenheit besser und tiefer verarbeiten und mitteilen kann. Und diese Vergangenheit war für einen großen Teil der heutigen Banater Schwaben weiß Gott nicht einfach: Krieg, Russlanddeportation, Verschleppung in den Baragan, Tod von Angehörigen in den russischen Lagern und nicht zuletzt der Verlust der Heimat. Wie auch immer, Wehmut findet bei vielen Banater Schwaben eine Resonanz in dem selbst erdichteten oder komponierten Lied.

Die fast 100 Lieder die Dr. Peter Schütz geschrieben hat, können nicht nur als persönliche Vergangenheitsbewältigung betrachtet werden. Die Texte stammen meist von Landsleuten, so von Pfarrer Adolf Fugel, von Ludwig Schwarz, Hans Bohn, Franz Wilhelm, Walther Konschitzky, Eugen Dascal, Helmuth Schmidt u.a. Viele seiner Lieder sind wahre Heimatlieder: Banater Heimat, Die Marosch, Mir Schwowe, Sonntagstanz. Selbst geistliche Inhalte wurden vertont: Papsthymne, Vater unser, Gegrüßet seist du Maria. Doch die wehmütige Stimmung in den Liedern herrscht vor: Abschiedsworte, Deine Träne, Heimweh, Ich hab heut Nacht geweint, Zum Abschied. Diese Lieder entstanden zwischen 1945 und 1976, also bis kurz vor seinem Tod. Am 7. Juni 1977 verstarb Dr. Peter Schütz in Kitzingen, seine Urne wurde im Uiwarer Friedhof bestattet.

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007

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