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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Von Temeswar nach New York und nach 62 Jahren zurück

Der Temeswarer Geiger Gabriel Banat an den Stätten seiner Kindheit

Von Dr. Franz Metz

 

Präludium

 

Für Gabriel Banat war es eine Reise in die Vergangenheit, in die Zeit seiner Kindheit, so, als würde sich das Rad der Geschichte Temeswars für eine Woche zurückdrehen. Als er am Temeswarer Flughafen im Mai 2008 landete, staunten die Zöllner, dass der etwas ältere aber gut gelaunte sympathische Herr den Geigenkasten den er mit sich brachte, nicht aus der Hand geben wollte: Wenn Sie diese Violine anfassen, schieße ich – scherzte er in einem längst vergessenen Banater rumänischen Dialekt mit dem Zöllner, der aus den Unterlagen feststellen musste, dass es sich wirklich um eine Stradivari handelt. Und einen noch größeren Schreck bekam der Mann an der Rezeption des Hotels – der aus den Zeitungen erfahren hatte, dass zur Zeit ein berühmter amerikanischer Geiger mit einer der wertvollsten Instrumente der Welt angekommen sei: Ich flehe Sie an, lassen Sie das Instrument nie unbeaufsichtigt in ihrem Hotelzimmer liegen und nehmen Sie es immer mit wenn Sie das Hotel verlassen – flehte der erschrockene Mann den Gast an. Er konnte nicht wissen, dass dieser, seinem Pass nach amerikanischer Bürger, eigentlich kein Gast, sondern nach Hause gekommen sei. Und dies nach einer Abwesenheit von 62 Jahren. Fast wie in der Geschichte des Verlorenen Sohns.

 

Für mich war es so, als würde ich eine Arbeit über Mozart schreiben, die Tür öffnet sich und herein kommt der Meister in Person. Erst einige Monate davor musste ich feststellen, dass Gabriel Banat, den ich in meine Arbeit zur Banater Musikgeschichte aufgenommen habe – nur des Namens wegen, denn welcher Banater Musiker nennt sich schon so – eigentlich als Gabriel Hirsch in den dreißiger Jahren in Temeswar von sich reden ließ, als ein Wunderkind gefeiert wurde und die deutsche, ungarische und rumänische Presse in Lobhymnen über dieses Kind wetteiferten. Und als wir am nächsten Tag gemeinsam durch die Lloyd-Zeile der Temeswarer Innenstadt spazierten, zeigte er mir die Fenster seiner Wohnung oberhalb des Pallace-Restaurants, wo sein Vater Dr. Alexander Hirsch in der Zwischenkriegszeit eine Arztpraxis hatte und wo er bei geöffnetem Fenster jeden Tag stundenland üben musste. Selbst der heute wieder an der Temeswarer Oper tätige Dirigent Ladislaus Roth sagte mir ironisch, dass er sich an dieses „Geigengekratze“, das aus diesem Fenster gekommen sei, noch gut erinnere und erzählte mir mit Begeisterung, was aus diesem kleinen Gabi geworden ist. Und als ich mit Gabriel Banat weiterging, zeigte er die Stelle, wo er als Kind König Karl II. von Rumänien zuwinkte, als dieser in seiner offenen Limousine vorbeigefahren ist.

 

Als wir uns dem Capitol-Saal näherten wurden seine Schritte immer schneller. Nachdem er mir die Stelle zeigte, wo die Nazis die unter dem Index stehenden verbotenen Bücher verbrannten, verriet er mir noch einen weiteren Grund seines Kommens: Freitagabend wird er gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester im Capitol-Saal seinen letzte öffentlichen Auftritt haben, und dies 70 Jahre nach seinem Debut im selben „Mosi“ – wie die alten Temeswarer ihr Capitol-Kino nannten. Vor mir stand ein zum Leben erwachter Teil Banater Musikgeschichte, die wie zwischendurch irgendwo in New York konserviert wurde, und nun wiedererwacht ist. Von einem solchen Glück kann ein Musikforscher normalerweise nur träumen.

Das Tomm-Quartett 1920 (v.l. Josef Brandeisz, Béla Tomm)

Karikatur mit dem Tomm-Quartett, 1920

Das Tomm-Quartett 1922 (v.l. Béla Tomm, Josef Brandeisz)

Das Tomm-Quartett 1927 (v.l. Béla Tomm, Doro Goriantz, ?, Josef Brandeisz)

 

Das Trifolium Temeswars

 

Es begann alles im Jahre 1932, als Gabriel Hirsch als Kind im Alter von nur sechs Jahren Schüler von Rudolf Bayer (1908-?), später von Prof. Josef Brandeisz (1896-1978) war. Was für Lehrer! Bayer war in Berlin ein Schüler Hindemiths, hat später als Violinvirtuose halb Europa durchreist; Brandeisz prägte das Temeswarer Musikleben für ein halbes Jahrhundert, unterrichtete mehrere Generationen und hielt akribisch so manche wichtige Wendepunkte der Banater Musikgeschichte fest. Ich konnte als junger Organist der Elisabethstädter Kirche um 1975 noch nicht einschätzen, was für Violinist ich in meinem Kirchenorchester sitzen hatte. Er erzählte mir damals: „Die Musiker unseres städtischen Orchesters blieben immer dieselben, ob sie Deutsche, Rumänen, Ungarn, Serben oder Juden waren. Nur das Portrait der Potentaten oberhalb unserer Köpfe an der Rückwand der Bühne änderte sich: nach dem Bildnis Kaiser Franz Josephs folgte das vom rumänischen König Karl, dann König Michael und nach einigen Jahren mit der Hakenkreuzfahne im Rücken folgte das Portrait Stalins. Und die Dritte von Beethoven haben wir mal als ein österreichisches Meisterwerk, in den dreißiger Jahren als „rein deutsche Musik“ und nach 1945 als eine Komposition gewidmet der ausgebeuteten Arbeiterklasse gespielt“.

 

Josef Brandeisz hatte damals als junger Geigenlehrer drei Schüler unterrichtet, die von der Presse als ein „Temeswarer Trifolium“ bezeichnet wurden, drei Wunderkinder, die bereits Soloabende gaben und Konzerte mit Orchester spielten: Johanna Martzy, Stefan Romascanu und Gabriel Hirsch. In der Temesvarer Zeitung konnte man 1937 lesen: „(…) Bemerkenswert ist, dass Stefi Romascanu mit Jancsika Martzy und Gabi Hirsch das Trifolium aus unserer Stadt bilden, die alle drei als Schüler des ausgezeichneten Professors unserer städtischen Musikschule Josef Brandeisz heute zu den hoffnungsvollsten Schülern des Prof. Zathureczky zählen.“ Jancsika Martzy, wie sie in ihrer Heimatstadt genannt wurde, wird später als Violinistin in Europa, Japan und Amerika gefeiert werden, sie starb in Basel um 1992 und ihre beispielhaften CD-Einspielungen wurden erst kürzlich von einem japanischen Label veröffentlicht. Den Namen von Gabriel Hirsch finden wir auf dem Programm des Schülerkonzertes des städtischen Konservatoriums der Klasse Brandeisz vom 7. Juni 1936, begleitet am Klavier von Prof. Gabriele Dobrozemsky. Er spielte damals das Violinkonzert von Seitz und war bereits mit zehn Jahren Absolvent dieser Musikinstitution. Auf dem gleichen Programm finden wir die Namen anderer Schüler, die später als Musiker tätig sein werden: Josef Christ, Ernst Titz, Puiu Dragoi, Josef Blum, Franz Schimoni, Friedrich Sliacsán, u.v.a.

 

Von damals (1935) ist uns ein Foto erhalten geblieben, das den selbstbewussten jungen Schüler mit der Geige in der Hand neben seinem Meister stehend zeigt. In diesem Jahr spielte er bereits das Mendelssohn-Konzert begleitet vom Philharmonischen Orchester unter Virgil Pop, sein Professor saß unter den Bratschern.

 

Konzertprogramm des Tomm-Quartetts, 1922

Gabriel Hirsch mit seinen Eltern (1931)

Stefan Romascanu, Widmung an seinen Lehrer Josef Brandeisz, 1934

Erster Bericht in der Temesvarer Zeitung

Josef Brandeisz mit seinem Schüler Gabriel Hirsch, 1935

Prof. Josef Brandeisz, 1978

Johanna (Jancsika) Martzy, 1937

Programm der Violinklasse von Josef Brandeisz, 1936

 

Ein Konzert mit Folgen

 

Das Jahr 1936 war ausschlaggebend für den weiteren Werdegang des jungen Geigers. Am 2. Mai dieses Jahres gaben Béla Bartók (Klavier) und Eduard Zathureczky (Violine) aus Budapest im städtischen Theater ein gemeinsames Konzert. Schon viele Tage davor kündigten die Zeitungen dieses wichtige Ereignis an [Riesiges Interesse für das Konzert Bartók-Zathureczky. Die berühmten Künstler bringen ein sensationelles Programm, in: Temesvarer Zeitung, 1.05.1936.]: „Das Samstag, den 2. Mai, abends [um 9 Uhr] im hiesigen Theater stattfindende gemeinsame Konzert des berühmten Klavierkünstlers Bela Bartok und des hervorragenden Violinvirtuosen Eduard Zathureczky hat sowohl in unserer Stadt, wie auch in der Umgebung das größte Interesse erweckt. Dasselbe ist vollauf begründet, ist es doch eine Seltenheit, daß zwei solche prominente Namen der internationalen Musikwelt in einem Konzert zusammentreffen. (…)“ Ähnlich wurde auch am Tag des Konzertes die Werbetrommel gerührt. [Béla Bartók und Eduard Zathureczky in unserer Stadt eingetroffen. Rieseninteresse für das heutige Konzert der berühmten Künstler, in: Temesvarer Zeitung, 3.05.1936.]

 

Gabriel Sarkány, der begnadete Journalist und Konzertkritiker, der später auch den künstlerischen Werdegang von Gabriel Hirsch begleiten wird, schrieb einen ausführlichen Bericht zu diesem Ereignis, das auch die Zukunft dieses Jungen wesentlich beeinflussen wird [Konzert Bartók-Zathreczky im Stadttheater, in: Temesvarer Zeitung, 5.05.1936.]:

 

„Das Gewicht der Persönlichkeit verleiht Bela Bartok besondere Bedeutung und Anziehungskraft. So oft dieser ausgereifte Künstler im Konzertsaal erscheint, bekommt man seine schöpferische Kraft zu fühlen, durch welche er zu Weltruhm gelangt ist. Bela Bartok ist im Vereine mit Zoltan Kodaly der Bahnbrecher der modernen Musik in Ungarn. Die beiden Meister hatten den Mut, zurzeit als der französische Impressionismus mit Debussy und Vincent d´Indy am Firmament der Musikkunst aufleuchtete, in ihrer Heimat für die neuen Ausdrucksmittel und der neuen Gestaltung der Musik in die Schranken zu treten und sich in ihrem Werken in Form und Gehalt von dem Althergebrachten loszulösen. So wurde Bela Bartok ein Wegweiser in seinem Lande, ein zeitgenössischer Komponist von Weltruf, ein Neoromantiker mit expressionistischer Eingebung, der auch in den neuen Klangfarben und in seiner eigenartigen Tonmalerei, in dem Flug seiner Phantasie die Formschönheit und die melodische Linie zu wahren wusste. Wie schlicht auch das Thema in seinen Schöpfungen erscheint, namentlich in seinen Meisterwerken im Bereiche der Folklore, wird es durch seine Feingeistigkeit und das tiefe musikalische Empfinden, durch die Künstlerschaft in der musikalischen Darstellung zu sieghafter Konzertmusik von ornamentaler Struktur.

Dies trat auch anlässlich seines samstägigen Konzertes deutlich zutage, welches Bela Bartok mit dem bei uns ebenfalls bereits bekannten Violinkünstler Eduard Zathureczky im Stadttheater vor dichtbesetztem Hause gab. Die beiden Künstler spielten zunächst die A-Dur-Sonate von Mozart in feinsinniger Prägung. Bela Bartok vertrat da die klassische Schule in der Stilreinheit und der spitzenartigen Feinheit der Phrasierung, in seinem poetisch erfassten perlenden Spiel und in der Grazie, während Eduard Zathureczky den modernen Virtuosen mit dem Hang zu äußeren Effekten bei dem häufigen Akzentuieren hervorkehrte. Schwung gewann die fesselnde Rhapsodie von Bartok, und in der von Klangreiz erfüllten Sonate von Bartok-Gertler blühten die Motive der rumänischen Volksmusik, welche je Bela Bartok so meisterlich konzertfähig gestaltete und mit einem Sonderrang in die Musikliteratur einführte, stimmungsvoll auf, wobei die bravourösen Teile Furore machten. Ein Erlebnis war die abgeklärte Darbietung der Kreutzer-Sonate op. 47 für Klavier und Violine, welches Standardwerk der Tonkunst bekanntlich zu der zweiten Periode im künstlerischen Schaffen Beethovens gehört und so den Glanzpunkt seines Wirkens kennzeichnet. Da zeigte erst recht Bela Bartok, daß seine Technik in eine darstellerische Phrasierungskunst eingeschlossen ist, und wie er die geheimsten Absichten des Tondichters zu ergründen versteht. Eduard Zathureczky spielte den Violinpart mit Virtuosität und schwärmerischem Ausdruck uns ließ sein leidenschaftliches Empfinden und seinen warmblütigen Ton insbesondere in der Kantilene erstrahlen.

Bela Bartok erfreute die Zuhörerschaft auch als Solist mir der musikalischen Verlebendigung mehrerer Konzertstücke aus seiner Sammlung ungarischer Volksmelodien. In der Ballade brachte der Meister den epischen und lyrischen Teil mit poetischer Weichheit und Farbe des Klanges, um im dramatischen Einschlag Energie walten zu lassen. Das Rondo war mit durchgreifender Auffassung und künstlerischer Noblesse geformt, reizend in der Charakteristik der Bärentanz und auch die übrigen zwei musikalischen Nippes zeigten den grundmusikalischen Künstler. Er überraschte mit der Frische und Elastizität, mit der er seine Kunst auch heute noch zu betätigen vermag. Das Publikum war entzückt und bereitete Bartok und dem Geiger Zathureczky herzliche Ovationen, welche auch Wiederholungen und Zugaben zeitigten. (G. S.)“

 

Nach dem erfolgreichen Auftritt war die ganze musikalische Gesellschaft zu Gast bei Familie Hirsch. Eine Tageszeitung veröffentlichte das damals entstandene Foto. An dessen rechtem Rand sieht man Gabi Hirsch, der, wie üblich, den Gästen auf der Violine etwas vorspielen sollte. Eduard Zathureczky, Professor für Violine an der Franz-Liszt-Musikakademie der ungarischen Hauptstadt, war von dem Talent des Jungen so begeistert, dass er ihn nach Budapest nahm. Ab 1937, also mit nur 11 Jahren, wurde Gabriel Hirsch der jüngste Student der Musikakademie und bereits 1938 debütierte er als Solist im Hubay-Palais. Jenö Hubay (Eugen Huber) war vor Zathureczky der Leiter der Violinklasse und entstammte einer Banater Musikerfamilie. Sein Vater, Karl Huber, führte die ersten Wagner-Opern an der damaligen Budapester Hofoper auf und wurde von Franz Liszt in das Leitungsgremium der Musikakademie aufgenommen. Hubay prägte nicht nur Generationen von Geigern – zu seinen Schülern zählten u.a. Johanna Martzy aus Temeswar und Rosy Stern aus Arad – sondern wirkte auch als Komponist (u.a. Lieder nach Nikolaus Lenau und Carmen Sylva).

Eduard Zathureczky wird im Januar 1946 wieder nach Temeswar kommen, um mit dem städtischen philharmonischen Orchester Beethovens Violinkonzert aufzuführen. In einem uns erhaltenen und in französischer Sprache verfassten Brief an Bruno Brauch, dem damaligen Vorsitzenden dieser Musikinstitution, nennt er auch die Bedingungen seines Auftritts. [Brief vom 11.12.1945, Banater Museum, Inv. Nr. 5797.] Der ungarische Violinvirtuose hat noch einige Jahre die Kontakte zu Temeswar aufrechterhalten.

 

Im Jahre 1938 trat Gabriel Hirsch in Temeswar zum ersten Mal als Geiger in einem Soloabend auf [Der elfjährige Geiger Gabi Hirsch, in: Temesvarer Zeitung, 15.02.1938.]:

 

„In dem elfjährigen Sohn des hiesigen Arztes Doktor Alexander Hirsch blüht ein Geiger von verheißender Zukunft auf. Das konnten wir gestern im Rahmen eines Hauskonzertes erfahren, bei welchem der außergewöhnlich begabte Knabe mit seinem Spiel den Kreis der Musikfreunde in Staunen versetzte.

Mit unserem vorzüglichen Konzertpianisten Professor Leo Freund am Flügel, brachte der gesunde und kräftige Knabe zunächst das a-Moll-Konzert Nr. 22 von Viotti mit bewundernswerter Fertigkeit und Sicherheit. Gleich beim ersten straffen Bogenstrich horchten die musikverständigen Zuhörer auf. Klangsatt und üppig stiegen die Töne auf, breit und klar, mit einem von Gefühlswärme durchdrungenen Wohlklang, getragen von der musikalischen Eingebung eines geborenen Talentes. In der Kadenz von Joachim überraschte der kleine Gabi Hirsch in den technischen Mitteln, aber auch in der Vortragsweise, dabei bar aller Floskel eines Wunderkindes. Nichts Geziertes, kein Drill. Der Knabe gibt eben im Violinspiel was aus seiner ureigenen Begabung sprießt, methodisch und systematisch geschult bei einem Meister wie Prof. Eduard Zathureczky, der ja in den letzten Jahren mehrere bereits große Erfolge erzielte Geiger herangebildet hat und von seinem jüngsten Schüler an der Musikhochschule zu Budapest schreibt, dass Gabi Hirsch schon heute in Ton, Seele und Auffassung solche Schönheiten zeigt, dass ihn mancher Künstler beneiden könnte. Aber auch die Anfänge des kleinen Gabi waren ersprießlich, indem er Schüler des vortrefflichen Professors unserer städtischen Musikschule Josef Brandeisz war.

Fesselnd und schön in der Ausführung spielte der kleine Geiger auch das Rondino von Beethoven in der glänzenden Bearbeitung Kreislers. Das Thema mit der deutschen Volksweise trat gesanglich hervor, das Ganze war gleichsam konzertant geformt. Da wächst ein vielversprechender Geiger von Klasse heran, der sich in der Musikwelt einen Sonderrang erspielen und auch unserer Stadt Ehren bringen wird. (G. S.)“

 

Die damaligen Zeiten waren für jüdische Musiker äußerst ungünstig. Die nationalsozialistische Politik hat selbst in den südosteuropäischen Provinzen Fuß gefasst und war bestrebt das ganze soziale, kulturelle und wirtschaftliche Leben zu kontrollieren. Dr. Alexander Hirsch fasste 1939 einen wichtigen Entschluss für die Zukunft seines Sohnes: dieser solle von nun an unter dem Künstlernamen Gabriel Banat auftreten, das würde ihm mehrere Möglichkeiten bieten in der ganzen Welt erfolgreich zu wirken. Gefragt, weshalb man gerade diesen Namen für ihn ausgewählt hat, antwortete er: „Weil dieser Name sowohl in rumänischer als auch in ungarischer und deutscher Sprache gleich bleibt.“ Mit 13 Jahren wurde er zum Solisten des Budapester Symphonieorchesters ernannt und gewann gleichzeitig den zweiten Platz des vielgeachteten Hubay-Wettbewerbs. Eigentlich sollte er den ersten Preis bekommen, doch als jüdischer Musiker war dies in der damaligen Zeit aus politischen Gründen nicht vorstellbar. Es schien so, als würde einer erfolgreichen Karriere des jungen Geigers nichts mehr im Wege stehen, alle Türen standen ihm offen und ein Erfolg folgte dem anderen.

 

Programm des Konzertes mit Bartok und Zathureczky in Temeswar, 1936

... und nach dem Konzert zu Gast bei der Familie Dr. Alexander Hirsch (sitzend, 3. v.l. Béla Bartok, rechts Gabriel Hirsch)

Gabriel Hirsch spielte 1936 das Schülerkonzert von Seitz

Dr. Alexander Hirsch mit seinem Assistenten

 

Als Temeswar noch Klein-Wien war

 

Immer wieder kehrte Gabriel Banat in seine Heimatstadt zurück, trat vor einem begeisterten Publikum auf und wurde als ein großer Künstler gefeiert. Temeswar, „das Musikkulturzentrum Neurumäniens“, wie Gabriel Sárkány diese nun zu Rumänien gehörende Banater Metropole 1924 nannte, hatte auch in den Jahren nach dem Trianoner Vertrag kaum etwas von seinem Ruhm eingebüßt. Wien blieb auch weiterhin das Ziel vieler Banater Studierenden und Künstler, so auch der rumänischen Musiker Traian Grosavescu, Filaret Barbu und Zeno Vancea. Wer in der Musik was werden wollte, musste in Wien seine ersten Schritte wagen. Auch die deutsche Sprache blieb weiterhin ein Muss für alle Intellektuelle jedwelcher ethnischer Minderheit des nun rumänischen Banats. So sprach Gabriel Banat damals bereits ungarisch, deutsch, rumänisch und jiddisch, Sprachen die er bis heute noch so spricht, als wäre er nicht 62 Jahre von seiner Heimatstadt entfernt gewesen. Es war auch die Zeit, als das nationale Denken durch die Folgen des ersten Weltkriegs neue Dimensionen angestrebt hat. Im Banat wurden im gleichen Jahr (1922) sowohl der Bund Banater Deutscher Sänger wie auch der Verband Banater rumänischer Chöre und Blaskapellen gegründet. Von hier aus verbreitete sich die rumänische Chorbewegung durch das ganze Land, angeführt von Ioan Vidu und Filaret Barbu. In den größeren Städten des Banats gab es bereits etablierte Konzertsäle und Salons, wie jener des Temeswarer Pianisten Leo Freund, in denen regelmäßig namhafte Künstler aufgetreten sind, so Mischa Elmann, Josef Szigeti, Béla Bartók, George Enescu, Nathan Milstein u.v.a. Temeswarer Chöre traten in Budapest, Den Haag, in Wien beim Schubertfest 1928 und in Frankfurt a. M. beim Allgemeinen Deutschen Sängerfest 1932 auf. Der Temeswarer Philharmonische Verein feierte 1931 sein 60-jähriges Jubiläum und Viktor Orendi-Hommenau ließ diese musikalische Drehscheibe Südosteuropas mit folgenden Versen hochleben:

 

Kronen sanken, Reiche fielen,

Neue Welten tauchten auf,

Du nur bliebst in deinen Zielen

Treu dem ausgesteckten Lauf.

Waren´s Freuden, waren´s Schmerzen,

War es Hoffen, Bangen, Beben,

Bliebst du in der Sänger Herzen

Deinem Wahlspruch treu ergeben.

 

Vielleicht lag es gerade an der Kraft der Musik, die über ethnische Grenzen und über nationale Zwänge hinweg ihre Wirkung erzielte und die Menschen zusammenhielt. Klein-Wien, wie man auch nach 1920 Temeswar gerne bezeichnet hat, war damals nicht nur der Architektur wegen so genannt worden, sondern der Menschen wegen, die durch ihre Auffassung, Vorstellung und Lebensmentalität dieser Stadt ihr Gesicht verliehen. Selbst nach dem Kriegsausbruch 1939 dachte man noch immer an das Gute und versuchte die eventuellen Folgen zu verdrängen.

 

Der Geiger Josef Szigeti konzertierte 1930 in Temeswar

Bronislaw Huberman spielte 1934 im städtischen Theater Temeswar

Mischa Elman konzertierte 1937 im städtischen Theater Temeswar

Stand oft auf den Bühnen Temeswars: George Enescu

Prof. Zathureczky mit seinem Schüler Gabriel Hirsch, Karlsbad 1938

Amtliche Bescheinigung über die Namensänderung von Hirsch auf Banat, 1939

Gabriel Banat als junger Geiger spielt für den Rundfunk, 1939

Aus einer Ankündigung vor dem Radioauftritt, 1939

 

Musik trotz Krieg und Not

 

Im Februar des Jahres 1939 gab Gabriel Hirsch sein letztes Konzerte in Temeswar unter diesem Namen. Es war ein Violinabend im Salon Leo Freunds und, wie bisher, wurde auch dieses Ereignis von der Temesvarer Zeitung begleitet [Bewundernswerter Fortschritt des jungen Geigers Gabriel Hirsch, in: Temesvarer Zeitung, 14.02.1939; Hangverseny Freund Leó kamaratermében, in: Temesvári Hirlap, 14.02.1939.]:

 

Vor ungefähr einem Jahr hörten wir den damals 11jährigen Geiger Gabriel Hirsch, den musikalisch begnadeten Sohn des bekannten hiesigen Arztes Dr. Alexander Hirsch, im Rahmen einer intimen Musikmatinee spielen. Gestern konzertierte der nunmehr 12jährige Junge im Kammersaal des Professors Leo Freund und versetzte das den Saal dicht füllende Publikum mit seiner künstlerischen Eingebung in Staunen. Das Viotti-Konzert Nr. 22, das Largo von Veracini und das Bach-Präludium in der Bearbeitung Kreislers erstrahlten in der von packender Technik geflügelten Wiedergabe des ganz außergewöhnlich talentierten Knaben, dem wir schon vor einem Jahr eine glänzende künstlerische Karriere vorausgesagt haben. Gabriel Hirsch bestätigte an seinem gestrigen Konzert diese Prognose in durchschlagender Weise. Bei diesem Jungen entwickelt sich nicht nur die Technik des Violinspiels, sondern auch das musikalische Empfinden und das Verständnis für die Vortragsweise. Dies verbürgt auch die Schule, die er bei Meister Zathureczky durchmacht und der Ernst, mit welchem der Knabe sich dem Studium hingibt. Gabriel Hirsch hat an der Budapester Hochschule für Musik in dem verflossenen Jahr vom Material an vier Klassen die Prüfung glänzend bestanden und ist mit 12 Jahren Schüler der zweiten akademischen Klasse geworden. Dabei lernt er auch brav in der Mittelschule, ist Privatschüler der 3. Klasse des hiesigen staatlichen Lyzeums und absolviert jetzt die dritte Lyzealklasse. An dem gestrigen großen Erfolg des Jungen haben auch Prof. Leo Freund, der die Klavierbegleitung mit gewohnter Fertigkeit versah, sowie das Kammerorchester ihren Anteil. Der 12jährige Gabriel Hirsch, der seiner Vaterstadt noch viel Ehren bringen dürfte, wird Ende Feber im großen Konzertsaal der Budapester Hochschule für Musik konzertieren.“

 

Gabriel Banat kam 1940 wieder in seine Heimatstadt zurück und gab hier mit dem Pianisten Leo Freund ein Konzert, über das die rumänische Zeitung Timpul schrieb: „Im Salon von Prof. Leo Freund, ein 12-jähriger Junge gab ein Violinkonzert. Es ist die Rede vom kleinen Gabriel, dem Sohn des Arztes Dr. Alexander Hirsch aus Temeswar, dessen Spiel alle Schranken der Virtuosität sprengt. Dieses Kind, ein wahres Wunderkind, beherrscht in einer ausgezeichneten Weise den Bogen. (…) Bis jetzt hat er 6 Jahre an der Budapester Musikhochschule absolviert, wo er – auf Empfehlung von Meister Enescu – seine Musikstudien fortsetzt und in der gleichen Zeit sich privat für die Prüfungen am Temeswarer Lyzeum vorbereitet.“ Gabriel Banat war in jener Zeit auch im Rundfunk zu hören (Radio Romania), begleitet am Klavier von keinem geringeren als Filionescu, dem ständigen Klavierbegleiter George Enescus.

 

Mit der Einführung der Rassengesetze sowohl in Rumänien wie auch in Ungarn, wurde es für die Familie Hirsch immer schwieriger zu überleben. Dr. Alexander Hirsch musste sich 1942 für eine Zeit in Budapest verstecken, da sein Name auf der schwarzen Liste der Eisernen Garde aufgetaucht ist. Dies konnte ihn nicht hindern, dass er 1943 in bester Absicht nach Temeswar zurückkehrte, als Jude denunziert und verhaftet wurde. Trotz der Rassengesetze gelang es Gabriel Banat damals mit nur 17 Jahren das Meisterdiplom der Budapester Musikhochschule überreicht zu bekommen. In den folgenden Kriegsjahren wird er mit dem OMIKE-Orchester der ungarischen Hauptstadt zahlreiche Konzerte geben. Dieses Symphonieorchester wurde aus den vielen entlassenen jüdischen Musikern Budapests gegründet und veranstaltete trotz der notdürftigen Zeit regelmäßig Konzerte. Gabriel Banat wurde zum Lieblingssolisten dieses Orchesters und spielte damals sämtliche Violinkonzerte Mozarts (1940), die Konzerte von Mendelssohn (1941), Tschaikowsky (1942) und Glazunov. Auf einem Foto vom Winter 1944 sehen wir ihn als Solist vor dem Orchester stehen, das wegen der fehlenden Heizung in Mäntel musizieren musste. Draußen hörte man die Bomben fallen, ein Teil der Stadt stand schon in Flammen.

 

Für 1944 wurde er von der Budapester Philharmonie mit dem Brahms-Violinkonzert verpflichtet, das von Sergio Failoni dirigiert werden sollte. Doch am 5. März erkrankte er an Scharlach. Am 19. März 1944 begann Adolf Eichmann in Ungarn mit der Deportation der Juden. Es gelang aber der ganzen Familie mit falschen Akten in die südliche Batschka zu fliehen, wo sie einige Monate in Petrovaselo untertauchen konnten. Erst im Oktober 1944, also nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Rumänien, war es Gabriel Banat und seiner Familie möglich nach Temeswar zurückzukehren.

 

Gabriel Banat, 1940

Student in Budapest, 1940

Banat spielt das Violinkonzert von Glazunov, Budapest 1943

Während des Tschaikowsky-Konzertes, Budapest 1943

Konzert in Budapest, 1945

Mit Yehudi Menuhin, Budapest 1945

Widmung Enescus für seinen Schüler Gabriel Banat

Sorgte für die musikalische Ausbildung seines Sohnes: Dr. Alexander Hirsch, hier als Leutnant der rumänischen Armee, 1922

 

Mit George Enescu

 

Im Dezember 1944 konnte Gabriel Banat in Bukarest zum ersten Mal George Enescu vorspielen, einem der bedeutendsten Violinvirtuosen, Komponisten und Dirigenten der damaligen Zeit. Außerdem war Enescu auch als Lehrer tätig, selbst Yehudi Menuhin zählte zu seinen Schülern. Sein Vorspiel vor dem großen Meister musste die Wirkung nicht verfehlt haben, denn gleich danach rief Enescu seinen Impresario an und bat diesen dem jungen Geiger ein Violinabend im berühmten Bukarester Dalles-Saal zu organisieren. Und dieser erste hauptstädtische Violinabend wurde ein glänzender Erfolg. In einer Kritik konnte man darüber lesen: „… Es weilt unter uns ein junger Virtuose der Violine, der mit seinen 18 Jahren erst kürzlich wie durch ein Wunder aus der Heimsuchung durch die ungarisch-faschistische Bedrohung entkommen ist und uns im Dalles-Saal seine Kunst in einer fesselnder Weise präsentiert hat…“ Es folgten zahlreiche Unterrichtsstunden bei George Enescu und immer wieder standen die Solosonaten und Partiten Bachs auf dem Programm. Jedes Wort, jede Bemerkung, jeder Rat des Meisters hat sich der junge Musiker für sein ganzes restliches Leben eingeprägt. Und nicht nur das. In seinen kürzlich verfassten Memoiren schildert Gabriel Banat auch die desolate politische und wirtschaftliche Situation der rumänischen Hauptstadt, die Angst um die Zukunft und die Unsicherheit die die Gesellschaft täglich bedroht hat. Aber das Leben ging weiter. Auch für den jungen Gabriel Hirsch.

 

Am 25. März 1945 gab er einen Violinabend im Rumänischen Athenäum Bukarests, George Enescu spielte den Klavierpart. Auf einem Foto sehen wir beide Musiker vor dem berühmten Vorhang stehen: der betagte und äußerst ruhig wirkende Meister und sein junger aber bereits erfolgsverwöhnte Schüler, dem man die menschlichen Strapazen der letzten Kriegsmonate nichtmal ansieht. Die Presse der Hauptstadt feierte sowohl den jungen Künstler wie auch Enescu, dessen öffentliche Auftritte krankheitsbedingt immer seltener wurden:

 

„Meister Enescu am Klavier und Gabriel Banat mit der Geige in einem Sonatenabend. Ein seltener Tag. Der Saal des Athenäums war bis auf den letzten Platz gefüllt. Aber ein solches Konzert musste auch von der ganzen musikalischen Welt gehört werden. Die Anwesenheit von Meister Enescu am Klavier stellte ein seltenes künstlerisches Ereignis dar. Sein Klavierspiel war ein höchstes Kunstwerk. Die Ausdruckskraft dieses künstlerischen Genies ist hinreißend. Das Klavier erklang auf einmal wie eine Orgel. Bei manchen Stellen glaubte man, dass die Violine von einem ganzen Orchester begleitet wird.

Gabriel Banat ist die große Hoffnung der rumänischen Violinschule. Heute ist es sicher, dass er der beste Geigenspieler ist und der beste Interpret ist den wir haben. In einem Alter, in welchem andere erst das Konservatorium beenden, wurde Gabriel Banat von Meister Enescu als Partner in einem Sonatenabend akzeptiert. Wir haben unvergessliche Momente wiedererlebt, in welchen der Meister mit Thibaud musizierte oder die Rollen mit Béla Bartók vertauscht hat. Viele Jahre sind seit dann vergangen. Gabriel Banat hat nur eine Chance: er muss an der Seite Enescus bleiben. Dies ist sein ganzes Erfolgsgeheimnis von morgen, in seiner Karriere als europäischer Geiger die ihm nun offen steht.

Bis dann, hier eine einzige Empfehlung: Eine je strengere Schule und eine kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und durch Meister Enescu. (I. V. Pandelescu)“

 

Enescu schenkte damals seinem Schüler Gabriel Banat ein Portrait mit folgender Widmung: „Für Gabriel Banat, mit allen denkbaren Wünschen, die sein großes Talent verdient. In aufrichtiger Erinnerung, George Enescu, 1945.“ Auch dies zeugt von der Wertschätzung des großen Meisters gegenüber seinem Schüler.

 

Im Monat Mai 1945 wird Gabriel Banat wieder in seiner Heimatstadt Temeswar auftreten und Gabriel Sarkány, der kritische Journalist und Konzertchronist, überschüttet den jungen Musiker mit Lobhymnen [Konzert des Geigers Gabriel Banat, in: Temesvarer Zeitung, 13.05.1945.]:

 

„Guter Wein braucht kein Schild. Dieser alte ungarische Spruch ist, da Gabriel Banat an der Hochschule für Musik in Budapest studierte, auch aus dem Grund am Platz, weil eben dieser junge Geiger, den in Bukarest Meister George Enescu aufgegriffen und lanciert hat, über eine Begabung und künstlerische Mittel verfügt, sich selbst den Weg zum Weltruf zu bahnen. Kaum setzte er in seinem im Capitol-Kino stattgefundenen Konzert in der Vivaldi-Respighi-Sonate mit voller Sicherheit den Bogen an, bekam man es zu fühlen, dass da ein starkes Talent seine Flügel entfaltet. Ein Geiger, der sich der Musik verschrieben, in seinem schon heute zur Virtuosität gediehenen Spiel seine Seele mitspielen lässt. Das archaische Werk gewann neue Farbe und neuen Glanz in seiner Interpretation – trotz seiner achtzehn Jahre darf man diese vielsagende Bezeichnung gelten lassen – die bei aller Neugestaltung die Grenzen der Stilgerechtigkeit nicht überschreitet. Das selbe gilt für die Vermittlung des großzügigen Violinkonzertes von Glazunow, dieses begnadeten Schülers Rimski-Korsakows, der aus dem Rahmen, dem ihm die Musikgeschichte einräumte, im Laufe der Zeit hinausgewachsen, nach ungefähr einem halben Jahrhundert in der Struktur und der der thematischen Durchführung zeitgenössisch wirkt und durch Gabriel Banat in diesem Sinne mit bestrickender Klangschönheit und staunenswerter Beherrschung seines Instrumentes dargeboten wurde.

Der Achtung gebietende junge Geiger erfreute das Auditorium noch mit dem Präludium und Allegro von Pugnani in der Gestaltung von Kreisler, mit der Habanera von Ravel und dem glänzend gespielten spanischen Tanz von de Falla, während in der hebräischen Melodie von Achron die schwermütige Weise in gesanglicher Wärme von einem straffen Bogen floss und im Hexentanz von Paganini bravourös Technik aufblitzte.

Die den großen Kinosaal dichtfüllende Zuhörerschaft jubelte dem jungen Landsmann und Künstler begeistert zu und rang ihm noch vier Zugaben ab. Das Adagio von Bach, die rumänischen Tänze von Béla Bartók, dann blendende kleine Stücke von Sarasate und Paganini blühen auf und noch immer wollte das Publikum nicht weichen. Der Pianist Dagobert Bucholz vom Bukarester Rundfunk War Gabriel Banat ein idealer Begleiter und teilte sich verdientermaßen an den Ehren des Konzertes. (G. S.)“

 

Nach dem erfolgreichen Konzert in der rumänischen Hauptstadt mit Enescu folgten Auftritte mit Lalos Spanischer Symphonie, mit dem Mendelssohn-Konzert, begleitet von der Bukarester Philharmonie und dirigiert von Mircea Barsan. Das Radio-Orchester begleitete ihn unter der Leitung von Theodor Rogalski. Einige Violinabende im Rumänischen Athenäum rundeten seine Bukarester Auftritte ab. In Budapest spielte er an einem Abend gleich drei Violinkonzerte: Mozart, Mendelssohn und Brahms. Was für Leistung!

 

Die Erfolge von Gabriel Banat wurden selbst von den rumänischen Behörden anerkannt. So schrieb der Direktor der Musikdirektion im Kunstministerium, Bukarest, dem Minister ein Empfehlungsschreiben, in welchem er um Unterstützung für den jungen Musiker bittet [Schreiben des Direktors der Musikdirektion an den Minister, vom 19.02.1946, Banater Museum, Inv. Nr. 5797.]:

 

„(…) Herr Gabriel Hirsch-Banat, geboren 1926, Meistergeiger mit einem Diplom der Musikhochschule Franz-Liszt in Budapest, Solist zahlreicher Konzerte der Bukarester Philharmonie, besonders geschätzt von Meister George Enescu, mit dem er auch gemeinsam konzertierte, möchte seine Studien im Ausland fortsetzen und sowohl im In- wie auch Ausland Konzerte geben. Wir bitten Sie, ihm in der Zusammenarbeit mit Institutionen und Behörden des Staates wohlwollend entgegenzukommen.“

 

Mit George Enescu, 1946

Nach dem gemeinsamen Auftritt um Rumänischen Athenäum, Bukarest 1946

Programm des Abschiedskonzertes, 1946

Widmung an seinen Lehrer Josef Brandeisz in ungarischer Sprache, 1946

Dankesbrief von Gabriel Banat an die Temeswarer Philharmonie, 1946

Schreiben von Dr. A. Hirsch an die Philharmonie, 1946

Empfehlungsschreiben des Ministeriums für Gabriel Banat, 1946

Sein letztes Konzert in Bukarest, 1946

 

Das Abschiedskonzert

 

Der Kriegszeit folgte eine ebenfalls schwierige Zeit für große Teile der Bevölkerung Rumäniens: Deportationen in sowjetische Arbeitslager und in den Baragan, stalinistische Schauprozesse, kirchliche Unterdrückung, „Bereinigung“ der kulturellen Institutionen von „bürgerlichen Elementen“, usw. In einer Sitzung des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei verlangte man nun, nachdem man die katholischen Priester ins Visier genommen hat, sich nun mit der Eliminierung der Rabbis und jüdischen Kantoren zu beschäftigen. Trotz des verlockenden Angebots, die Stelle des Konzertmeisters der Bukarester Philharmoniker zu übernehmen, riet ihm der bekannte russische Geiger David Oistrah, das Land zu verlassen. Dieses Gespräch zwischen Gabriel Banat und David Oistrah fand in einem Hotelzimmer des Hotels Athenee Pallace statt. Oistrah befand sich damals mit einer Gruppe sowjetischer Künstler im Lande, um nach jungen, zuverlässigen Musikern Ausschau zu halten. „Zuverlässig“, im Sinne der damals kommunistischen Politik, sowjetischer Prägung. Dieses Gespräch wurde aber – trotzdem Oistrah ihn vor das geöffnete Fenster gerufen hat – von der Securitate abgehört. Gabriel Banat erzählte von dieser Begegnung nur seiner Mutter. Am nächsten Tag traf er Mihail Sadoveanu auf der Straße – seine Wohnung befand sich unweit von dessen Sitz – der ihn wegen der Begegnung mit Oistrah ansprach und bereits über den Inhalt des Gesprächs informiert war. Auch durch diese Begegnung reifte im jungen Künstler der Entschluss, dieses Land, das eigentlich seine Heimat war, zu verlassen. In den nächsten Jahrzehnten, in der Zeit des Kommunismus, werden tausende Intellektuelle aus ähnlichen Gründen Rumänien den Rücken kehren.

 

Die nächsten Ereignisse folgen Schlag auf Schlag. Am 6. Juni 1946 bedankte sich Oberrabbi Dr. Drechsler aus Temeswar für sein herrliches Violinspiel in der Synagoge: „Wir bedanken uns herzlichst für Dein herrliches Spiel in unserer Synagoge, das wir nie vergessen werden. Gott segne Dich mit Deinem großen Talent. Möge sein Segen mit dir sein und dich auf all deinen Wegen begleiten. Dein Lehrer, der stolz auf dich ist und der dich mit ewiger Zuneigung liebt.“ Dieses Schreiben ist in englischer Sprache verfasst, vermutlich schon deshalb, damit es Gabriel Banat später in Amerika hilfreich sein kann. [Comunitatea Evreilor din Timisoara [Jüdische Gemeinde Temeswar], No. 2064/1946 vom 06.06.1946.]

 

Zwei Tage später, am 8. Juni 1946 gab der junge Geiger ein Abschiedskonzert für seine Temeswarer Zuhörer. Dafür stellte sein Vater, Dr. Alexander Hirsch, an die Philharmonische Gesellschaft „Banatul“ einige Zeit davor einen Antrag, in welchem er um die Ermöglichung dieses Konzertes bittet [Brief von Dr. Alexander Hirsch an die Philharmonische Gesellschaft Banatul, Banater Museum, Inv. 5797.]:

 

„Herr Präsident,

Mein Sohn, der Geiger Gabriel Banat, der einen Vertrag mit dem Haus Barret in New York, alleiniger Arrangeur der Firma Brood Casting Corporation, unterschrieben hat, wird im Monat Juni 1946 das Land verlassen und eine Konzertreise durch die Vereinigten Staaten unternehmen.

Als Sohn Temeswars habe ich die Pflicht als loyaler Bürger dieser Stadt, ein Abschiedskonzert zu veranstalten, damit er sich von seinen Anhängern, Freunden und Mitbürgern verabschieden kann. Möchte diesen Antrag auch als ein langjähriges Mitglied der Philharmonischen Gesellschaft stellen.

Dieses Konzert plane ich im Saal des Konservatoriums in einem intimen Kreis mit Einladungen zu veranstalten.

Mit Dank und mit größter Hochachtung,

Dr. Alexander Hirsch

Strada Regele Mihai, No. 2“

 

Im Programm standen Werke von Tartini, Mendelssohn, De Falla, Wieniawski und immer wieder, wie in vielen späteren Konzerten, Béla Bartóks Rumänische Tänze. Er wurde am Klavier von Ernst Földvári begleitet. Die Temesvarer Zeitung betitelte ihre Ankündigung [Philharmonische Gesellschaft Temeswar / „Banatul“ / Samstag, 8. Juni, abends halb 7 Uhr im grossen Saal der städtischen Musikschule im intimen Kreis ein / Abschiedskonzert / des Violinkünstlers und Sohn unserer Stadt / GABRIEL BANAT (…), in: Temesvarer Zeitung, 8.06.1946, S. 3.]: Abschiedskonzert des Violinkünstlers und Sohnes unserer Stadt. Banat trat im großen Saal der städtischen Musikschule „im intimen Kreis“ auf. Und wieder war es Gabriel Sarkany, der einige Tage danach in deutscher Sprache die Kritik geschrieben hatte [Abschiedskonzert Gabriel Banat, in: Temesvarer Zeitung, 06.1946.]:

 

„Bei dem im großen Saal des städtischen Konservatoriums in der Veranstaltung der Gesellschaft der Musikfreunde „Philharmonie des Banats“ stattgefundenen Abschiedskonzert des genialen jungen Geigers Gabriel Banat wurde man auch erst dessen bewusst, dass da ein auserwählter Künstler von seiner Vaterstadt den Anflug zum Weltruf antritt. Schon in der Teufelssonate von Tartini bekam man den Flügelschlag seiner aufblühenden Meisterschaft zu fühlen. Dann kam das Mendelssohn-Konzert, das wir von Gabriel Banat in Bukarest und bei uns mit dem Symphonieorchester der Gesellschaft der Musikfreunde bereits gehört haben. Diesmal wusste der Geiger diesem seelenvollsten aller Instrumente noch wärmere und vollauf beschwingte Töne abzugewinnen. In der Spanischen Suite von de Falla blühten die spanischen Volksweisen unter seiner meisterhaften Bogenführung auf, um dann in den Rumänischen Tänzen von Bartók in der warmblütigen Melodie von Bloch und in der Tarantella von Wieniawski mit seinen kristallreinen Tönen und dem schwungvollen Spiel die Zuhörer zu entzücken. Das Publikum applaudiert stürmisch und wollte nicht weichen, bis Gabriel Banat als Zugabe das Largo von Veracini auf seiner Geige ertönen liess. Ernst Földváry versah die Klavierbegleitung, ging aber seinen eigenen Weg. Eines ist sicher: Gabriel Banat wird auf seiner Amerikatournee sich und seiner Heimat Ehren einspielen.“

 

Diesem Text nach, wusste man bereits in der Stadt, dass Gabriel Banat eine Tournee durch Amerika geplant hat.

 

Nur wenige Wochen nach seinem Abschiedskonzert in Temeswar meldete sich Gabriel Banat aus Budapest mit einem Dankesbrief, gesendet an die Adresse der Philharmonischen Gesellschaft in Temeswar [Brief von Gabriel Banat an die Philharmonische Gesellschaft Banatul, Temeswar, vom 16.06.1946, Temeswarer Museum, Inv. 5797.]:

 

„Herr Präsident,

indem ich aus dem Land abgereist bin und nun mich in Richtung Westen befinde und mich immer mehr von meiner Heimatstadt entferne, wenden sich meine Gedanken an Sie; ich kann nicht die Zuneigung vergessen, mit welcher mich die Gesellschaft der Musikfreunde umarmt hat. Ich bedanke mich herzlich für die Gelegenheit die Sie mir geboten haben, unter Ihrem Namen mein Abschiedskonzert zu geben.

Als Zeichen meiner Verbundenheit und meines Dankes den ich Ihnen schuldig bin, möchte ich als Gründungsmitglied der Philharmonischen Gesellschaft Banatul mit der Summe von 30.000 Lei aufgenommen werden, wie auch als aktives Mitglied mit einem monatlichen Beitrag von 2.000 Lei, den ich beginnend mit dem 1. Juli 1946 bezahlen werde.

Hochachtungsvoll und mit den besten Empfehlungen,

Gabriel Banat

Budapest, 16. Juni 1946.“

 

Im September 1946 wurde Gabriel Banat von Budapest aus zum internationalen Violinwettbewerb in Genf entsendet. Er gewann hier den zweiten Preis, die Silbermedaille. Doch familiäre Probleme überschatteten diesen Erfolg. Im November verstarb in Temeswar sein Vater, nachdem er seinen eigenen Sohn vor dem Gericht denunzieren musste, da dieser nicht mehr nach Rumänien zurückgekehrt ist. Gabriel Banat wurde aus diesem Grunde vom Gericht in Abwesenheit zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Damit verlor er nicht nur seinen eigenen Vater, sondern gleichzeitig seinen besten Förderer, der ihm bisher alle Wege zum Ruhm geebnet hatte. Für ihn war dieses Schicksal eine Wende und gleichzeitig ein Neuanfang in einem fremden Land.

 

Dankesbrief des Temeswarer Oberrabbis an Gabriel Banat, 1946

Ankündigung des Abschiedskonzertes in der Temesvarer Zeitung, 1946

Widmung Enescus an seinen Schüler Gabriel Banat, 1947

Gabriel Banat mit dem Geiger Nathan Milstein in New York, 1948

Beim Internationalen Violinwettbewerb in Genf / Geneve 1946 errang Gabriel Banat die Silbermedaille

Konzert mit George Enescu in New York, 1949

Konzertprogramm, New York 1949, Widmung an Josef Brandeisz

G. Banat ist der Autor des berühmten Fotos mit Enescu und seinem Impresario Fenster, New York 1949

Auftritt in der berühmten Carnegie Hall, 1956

Rückseite der Silbermedaille (Genf 1946)

 

In New York

 

Und wieder hatte Gabriel Banat Glück mit der Wahl seines Lehrers: er wurde ab November 1946 Schüler von Nathan Milstein, einer der bedeutendsten Geiger des 20. Jahrhunderts, der auch in Temeswar aufgetreten ist.

 

Sein Debut fand mit dem Orchester New York Little Symphonie in Times Hall mit dem Violinkonzert Mendelssohns statt. Am 7. April 1949 konzertierte er zusammen mit seinem Meister George Enescu im Town Hall in New York. Dieser befand sich gerade auf einer Amerikatournee und freute sich nach vier Jahren wieder seinen Schüler, diesmal bereits als anerkannten Violinisten, am Klavier begleiten zu können. Und dies hatte seinen Grund. Die meisten Stücke dieses Violinabends wurden vom Pianisten Leopold Mittmann begleitet (Vivaldi-Respighi, Bach, Glazounow, Paganini-Wilhelmj), doch bei der Widergabe der 3. Violinsonate „In rumänischem Stil“ von George Enescu übernahm den anspruchsvollen Klavierpart der Komponist selbst. Ein Exemplar dieses Konzertprogramms schickte er seinem ehemaligen Lehrer, Professor Josef Brandeisz, nach Temeswar. Die Widmung darauf schrieb Gabriel Banat in ungarischer Sprache. Was für Genugtuung musste doch Brandeisz damals verspürt haben, zu wissen, dass seine drei ehemaligen Wunderkinder – Johanna Martzy, Stefan Romascanu und nun Gabriel Banat – in der Welt sich nun durch seine Temeswarer Violinschule Anerkennung verschaffen konnten und riesige Erfolge feierten. Vermutlich freute er sich auch, dass diese sich vor den stalinistischen Repressalien im damaligen Rumänien retten konnten. Aus diesem Jahr stammte auch das berühmte Foto mit George Enescu als ein von Krankheit gezeichneter Mann an der Seite seines Impresarios Fenster auf einer Straße in New York, das von Gabriel Banat selbst gemacht wurde. Dieses Foto wurde bisher in vielen Enescu-Büchern Rumäniens abgedruckt, ohne den Namen desjenigen zu kennen, von dem dieses Foto eigentlich stammt.

 

Enescu stand schon in den Jahren davor mit Gabriel Banat in enger Verbindung. So finden wir auf einem Enescu-Foto aus dem Jahre 1947 die Widmung: „Für Gabriel Banat, alles zum Besseren! Mit den aufrichtigsten Erinnerungen, George Enescu, 1947“.

 

Im Jahre 1956 folgte das Debut in der berühmten Carnegie Hall in New York, gefolgt von einer großen Europa-Tournee im Jahre 1958. Er konzertierte bei dieser Gelegenheit mit dem berühmten Orchestre de Paris, gab Soloabende in Den Haag, London, Hamburg, Zürich und Oslo. 1960 folgte die amerikanische Erstaufführung von Béla Bartóks Violinkonzert mit dem National Orchestra Association. All diese solistischen Auftritte fanden parallel zu seiner Lehrtätigkeit am berühmten Smith College in New York statt (1955-1964). Auftritte mit Pablo Casals beim Festival in Marlboro (1961, 1962), mit dem Albertini-Trios (Einspielung der Beethoven-Trios für BBC), mit dem Galimer-Quartett, usw. 1964 trat Gabriel Banat in einem Solo-Violinabend in der Wigmore Hall Londons auf und nahm das Album The Virtuoso Violin für Decca-London auf.

 

Als Lehrbeauftragter für Violine am Westchester-Konservatorium seit 1964, hat er ein Symphonieorchester mit 80 Mitgliedern gegründet, mit dem er den 80. Geburtstag Aaron Coplands in Anwesenheit des Komponisten gefeiert hat. Als Mitglied der New-Yorker Philharmoniker trat er mit zahlreichen Kollegen im NY Lincoln Center Tully Hall auf und spielte selbst unter der Leitung berühmter Dirigenten wie Leonard Bernstein. Gabriel Banat stand auch in Verbindung mit einem anderen Enescu-Schüler, Yehudi Menuhin, der ihm 1964 schrieb:

 

Lieber Gabriel,

Ich bin so glücklich, dass du einen so wunderbaren Erfolg hast – Du musst gut gespielt haben und ich wünschte, dass ich dabei gewesen wäre.

Ich wünsche Dir aus ganzem Herzen fortführende Erfolge in deiner Karriere. Es ist gut zu wissen, dass ein anderer und jüngerer Schüler von Enescu einen so erfolgreichen Weg eingeschlagen hat.

Herzlichst, Dein,

Yehudi Menuhin

 

Und immer wieder widmete sich Gabriel Banat den Violinkonzerten Mozarts. So veröffentlichte er in einer Faksimile-Edition (Urtext) die sechs Violinkonzerte Mozarts bei Raven Press 1986 in New York, schrieb dafür eigene Kadenzen und selbst der bekannte Violinvirtuose Isaac Stern äußerte sich über diese Publikation mit den Worten: „Ein unschätzbarer Beitrag in der Musik“. Diese Konzerte führte er auch in Tokyo und Osaka auf. Es folgte eine Konzertreise durch Deutschland, Konzerte im Beethoven-Haus, Bonn und nicht zuletzt die Beschäftigung mit der Biographie des afro-amerikanischen Komponisten und Geigers des 18. Jahrhunderts, dessen Ergebnis das Buch The Chevalier de Saint-Georges, Virtuoso oft the Sword and Bow wurde.

 

Gabriel Banat spielte 1955-1980 eine Stradivari aus dem Jahre 1682 („ex Hill“, jetzt „Banat“) und eine zweite dieses Geigenbauers aus dem Jahre 1713 („ex-Baron d´Allonville“, jetzt „Le Pingrié“). Im Jahre 1993 trat er aus dem Orchester der New Yorker Philharmonie altersbedingt aus und 1995 fand sein letzter öffentlicher Auftritt als Violinist statt. Trotzdem gibt er seit 2007 jährlich Meisterkurse für Violine am Konservatorium von Gerona (Spanien), nebenbei an seiner Autobiographie arbeitend.

 

Solist des Violinkonzertes von Mendelssohn in Ditroit, 1960

Brief Yehudi Menuhins an Gabriel Banat, 1964

Beethovens Violinkonzert mit dem Westchester Symphonie-Orchester, 1970

Zyklus mit Violinmusik des 20. Jahrhunderts, 1970

Gabriel Banat mit dem Sohn Bela Bartoks an dessen Grab, vor der Rückführung nach Ungarn, 1980

Zusammenarbeit mit Leonard Bernstein, 1980 (Foto: Gabriel Banat)

Gabriel Banat als Dirigent mit dem Klarinettisten Stanley Drucker, Cooper Union Hall, New York 1980

Mozart-Konzert-Zyklus in Tokyo, 1980

 

Reprise

 

Doch kann man auch behaupten, dass sein letzter öffentlicher Auftritt als Violinist eigentlich im Mai 2008 stattgefunden hat: im Capitol-Saal der Temeswarer Philharmonie, im selben Saal, in dem er vor genau 70 Jahren als Solist eines symphonisches Konzertes zum ersten Mal aufgetreten ist. So hat sich der Kreis seines Lebens fast geschlossen. An seiner Seite bei der Interpretation des Doppelkonzertes Bachs stand diesmal Gabriel Popa, der letzte Schüler von Josef Brandeisz. Die Stadt feierte ihren Sohn, der zum Ehrenbürger Temeswars ernannt wurde, der Temeswarer Philharmonische Verein ernannte ihn im Rahmen einer Feier in der Innenstädtischen Synagoge zum Ehrenmitglied und in der katholischen Kirche von Lugosch trat er mit dem Verfasser dieser Zeilen als Solist auf.

 

Erst jetzt wird einem klar, was dieses Land an Talenten verloren hat, was die Verbrechen von Diktaturen bewirken können, an welchen Wunden jedes Individuum sein ganzes Leben lang zu leiden hat und dass Menschen wie Gabriel Banat selbst diese harten Schicksalsschläge meistern können. Mit seiner Heimkehr in das Land seiner Kindheit kamen mit ihm viele andere Personen aus der Vergangenheit mit: Josef Brandeisz, Gabriele Dobrozemsky, George Enescu, Yehudi Menuhin, Johanna Martzy, Rudolf Bayer, Leo Freund, Gabriel Sarkány, Stefan Romascanu, Bruno Brauch und viele andere. Nie davor war für mich Musikgeschichte so greifbar und menschlich, so spannend und empfindbar, so klangvoll und erkennbar. Selbst dieser vergessene Bereich unserer gemeinsamen südosteuropäischen Heimat.

 

Wo es begann: Der Capitol-Saal in Temeswar

Ehrung für Gabriel Banat durch den Temeswarer Philharmonischen Verein in der Synagoge, Mai 2008

Ausstellung in der Synagoge zu seiner Tätigkeit

Gabriel Banat, Mai 2008

 

Alexandra Razvan-Mihalcea, Direktor der Temeswarer Philharmonie Ion C. Garboni, Gabriel Banat, Mai 2008

Empfang beim Sitz der Jüdischen Gemeinde Temeswars: (v.l.n.r.) Dr. Franz Metz, Diana und Gabriel Banat, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Temeswar

Dr. Franz Metz bei der Ansprache in der Synagoge, Mai 2008

Gabriel Popa, Gabriel Banat, Dr. Franz Metz, Mai 2008

 

Einige Pressestimmen

 

Hamburger Kultur-Echo

… Gabriel Banat ist ein Geiger par excellence. Im zweiten Teil des Programms spielte er sein Können erst ganz aus, ebenso mühelos wie überzeugend. Debussys g-Moll-Sonate gelang hinreißend…

 

Hamburger Abendblatt, 17.4.1959

Dieser schwarzhaarige, dunkeläugige junge Geiger, der aus Ungarn stammt, aber seit 1947 in Amerika lebt, verfügt über manche über manche bezaubernde östliche Töne des Spiels und der Musikalität. In der Art, wie er Klassisches und Modernes aus solcher Sphäre der Färbung in Klang und Form umsetzt, erwies er sich als starke Begabung. Er befindet sich jetzt auf seiner ersten westeuropäischen Tournee und wird sich mit seinen Vorzügen gewiss allenthalben viel Beifall holen. Eine Studienzeit bei dem berühmten Nathan Milstein, dessen einziger Schüler er war, hat ihm offensichtlich noch letzten Schliff gegeben. Musikalisch und technisch…

 

Neueste Nachrichten, Baden-Baden, 1959

Das kürzliche Sinfoniekonzert, dass den außerordentlichen Eindruck des prachtvollen Geigers Gabriel Banat darbot, stand unter der Leitung Hans Schneiders… Als Solist spielte Gabriel Banat das Violinkonzert von Tschaikowsky und erwies sich damit als technisch eminent befähigter Geiger, der hinsichtlich der musikalischen Impulsivität, trotz seiner Jugend, bereits die anspruchsvollsten Forderungen übertrifft. In kantablen Partien entzückt sein warmer, modulationsreicher Ton, in virtuosen Abläufen eine fabelhafte gelöste Sicherheit sowohl der linken Hand, wie der Bogenführung. Dabei legt Banat das Hauptgewicht auf eine großflächige musikalische Gestaltung, die dank seiner manuellen Vorzüge frei und packend beim Hörer ankommt…

 

New York Herald Tribune, 13.11.1956

… sein Ton stellt eine faszinierende Kombination von Fülle, Wärme, Spannung und planvoller Kraft dar…

 

New York Times, 12.11.1956

… alles wurde mit der Kraft des Gefühls angepackt… die Emotion war immer vollkommen kontrolliert und dem jeweiligen Stil angepasst…

 

Pittsburgh Press

… ein Abend von beträchtlichem Rang… ein schöner singender Ton und technische Geläufigkeit… mit blendender Leichtigkeit und Sicherheit…

 

The Sun (Baltimore), 8.7.1953

Banat entfaltet einen ebenso vollen, warmen Ton wie klare technische Überlegenheit. Geschmack und Stilgefühl kennzeichneten diesen Abend…

 

Musical America (Baltimore)

… er ist einer der Besten…

 

Die Welt (Hamburg), 17.4.1959

… der junge Geiger gehört bereits jetzt einer respektablen internationalen Klasse an…

 

Süddeutsche Zeitung (München), 18./19.4.1959

… eines der explosivsten Talente, die in jüngster Zeit das Podium des Sophiensaales betraten…

 

Svenska Dagbladet (Stockholm), 7.4.1959

… sein Name sollte in unserer Erinnerung bleiben: ein vollendeter Künstler, ein geborener Musiker, ein Meister seines Instruments und dessen Ausdrucksmöglichkeiten…

 

Aftenposten (Olso), 6.4.1959

… Banat, der ein prachtvolles Instrument spielt, besiegt die Materie nicht allein mit schönem Ton und blendender Technik, sondern gleichermaßen mit feurigem Temperament und hoher Musikalität…

 

Het Vaderland (Den Haag), 22.4.1959

… man hört nicht oft einen so glänzenden Ton, der den alten Adel des Meisterinstruments voll zur Geltung bringt…

 

The Times (London), 2.5.1955

… Gabriel Banat spielt so Geige, wie wenn er mit dem Instrument geboren wäre…

 

New Yorker Staats-Zeitung, 1949

Gabriel Banat, ein rumänischer Geiger, konzertierte in der Town Hall. Der junge Künstler erfreut sich des Interesses von Georges Enesco, der es sich nicht nehmen ließ, Banat bei der Wiedergabe seiner (Enescos) a-Moll-Sonate, Nr. 3, am Klavier zu begleiten… Banat erwies sich als ein feiner Geiger, der mit seinem bemerkenswerten schönen Ton und flüssiger Technik spielte. Er ist sicherlich (was bei seinen jungen Jahren zu erwarten war) kein reifer Interpret, aber man spürte in allen seinen Darbietungen echtes musikalisches Gefühl, eine nicht ungefällige Leichtigkeit sowie Freude an gesanglicher Musik. – Georges Enesco beeindruckte wiederum durch seine große musikalische Überlegenheit und Abgeklärtheit, die jede seiner Darbietungen, gleichgültig auf welchem Instrument, zu einem Genuss machen…

 

Kurz gefasste Biographie aus einem deutschen Programmheft

Gabriel Banat wurde in Timisoara (Rumänien) geboren. Im Alter von vier Jahren begann er Violine zu spielen und wurde anlässlich eines Sonatenabends, den Béla Bartók und Ede Zathureczky in seiner Heimatstadt gaben, von letzterem Eingeladen, bei ihm in Budapest zu studieren. Nach drei Jahren – zwölfjährig – wurde er in die Königliche Akademie aufgenommen, eine noch nicht dagewesene und fast undenkbare Auszeichnung. In diesem Jahr – 1938 – trat er zum erstenmal öffentlich auf. Nachdem er den Hubay-Preis gewann, spielte er als Solist mit allen fünf Budapester Orchestern. Die weitere Karriere ist gekennzeichnet durch Engagements bei vielen ungarischen und rumänischen Orchestern und durch eine erfolgreiche Duo-Arbeit mit Georges Enesco. Unter dem herrschenden politischen Druck entschloss er sich, seine Heimat zu verlassen. Nur um in Genf am Internationalen Musikwettbewerb teilzunehmen, wurde ihm erlaubt, ins Ausland zu reisen – um nicht zurückzukehren. Im Amerika schloss er seine Studien bei Nathan Milstein ab und konzertierte 1949 erstmals in New York mit großem Erfolg. Zahlreiche Konzerte in ganz Amerika festigten sein Ansehen als eines der führenden jungen Geiger. Seine erste Europa-Tournee im Jahre 1959 hatte einen glänzenden Erfolg. Banat spielt eine Stradivari-Geige, die sogenannte „Ex-Hill“.

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2010

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