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EDITION MUSIK SÜDOST

FRANZ LIMMER

(1808-1857)

von Dr. Franz Metz

  • Leben und Werk
  • Bilddokumentation

Ein Schüler Seyfrieds

Kein anderer Temeswarer Domkapellmeister des frühen 19. Jahrhunderts wurde in dem Maße noch zu Lebzeiten geehrt, wie Franz Limmer (*2. Oktober 1808 Wien-Matzleinsdorf, +19. Januar 1857 Temeswar). In dem von Hermann Mendel 1876 herausgegebenen Musikalischen Conversations-Lexikon (Berlin) wird das Geburtsjahr Limmers „um 1795“ angegeben; die meisten Quellen geben aber den 2. Oktober 1808 als seinen Geburtstag an. In der St. Floriankirche zu Matzleinsdorf, damals noch ein selbständiger Vorort von Wien, wurde Limmer getauft. Dieses Gotteshaus gibt es heute nicht mehr, es musste der neuen Verkehrsführung wegen abgerissen werden.

Der erste Biograph Limmers war sein Freund Frigyes Pesty, der im Temeswarer ungarischen Blatt Delejtü (Der Kompass) bereits 1859 einige biographische Angaben veröffentlicht hat. Über dessen ersten Musikunterricht erfahren wir folgendes: “(…) sein Vater war ein anständiger Bürger und dem entsprechend sollte er auch seinen Sohn erziehen. Franz war sein einziger Sohn und er wollte ihn als Werksleiter seiner Seidenfabrik ausbilden. Aber Franz war schon als Kind der Musik zugeneigt: viel lieber hat er eine Kirche besucht, um dort Orgelmusik zu hören, statt sich mit seinen Freunden zu unterhalten. Mit 8 Jahren trat er in die St. Anna-Schule ein, wo er auf eigenen Wunsch Gesang und Zeichnen erlernt hat und diese Fächer auch mit Erfolg abschließen konnte. Mit 10 Jahren hat Franz beim bekannten Musiklehrer Klein Violin- und Guitarrenunterricht erhalten. Sein Vater wurde auf das musikalische Talent seines Sohnes aufmerksam und versuchte ihn zu fördern. Deshalb musste er die Hoffnung aufgeben, dass sein Sohn einmal die Leitung seines Betriebes übernehmen wird und beschloss, Franz in das Konservatorium einzuschreiben.“ Hier studierte er sechs Jahre u.a. Cello bei Hartinger und Klarinette bei Friedlowsky. Diesen beiden Instrumenten, die er mit besonderer Vorliebe spielte, wird er später zahlreiche seiner Werke widmen. Nach seiner Diplomprüfung erhielt Franz Limmer im Rahmen einer Feierlichkeit eine Silbermedaille mit dem Abbild Mozarts, auf deren Rückseite war sein Name und das Datum der Verleihung eingraviert. Mit Posaunenklängen und Applaus bestieg er ein Podest und wurde somit in die Reihe der Musikkünstler Wiens aufgenommen. Durch diese Auszeichnung ermutigt, begann er Harmonielehre, Generalbass, Komposition und Instrumentation bei den beiden bekannten Pädagogen Erasmus Kessler und Ignaz Ritter von Seyfried (1776-1841) zu studieren.

 

Eine Messe für die Wiener Augustinerkirche

Mit 17 Jahren begann er an seiner ersten Messe zu arbeiten, die er in sechs Monaten beenden konnte. Das war bis dahin sein bestes Werk. Vor seinem 18. Lebensjahr wurde diese Komposition unter der Leitung des dortigen Kapellmeisters in der Wiener Augustinerkirche aufgeführt. Dadurch hat er die Aufmerksamkeit der Musikwelt auf sich gezogen, so dass sich Jeder nach dem unbekannten Komponisten erkundigt hat. In den Zeitungen nahmen die Lobpreisungen kein Ende. Sie haben ihn sogar mit einem „leuchtenden Meteor am Musikhimmel“ verglichen, der der Musikwelt erschienen ist, oder mit einem Phönix, der aus der Asche der verstorbenen Musiker emporgestiegen ist.

Auch der ehemalige Temeswarer Domkapellmeister und Musikhistoriker Desiderius Braun, bezog sich in seinem Buch Bánsági Rapszódia (Banater Rhapsodie) auf eine Messe in D-Dur welche in der Wiener Augustinerkirche zu ersten Mal uraufgeführt wurde. Die Zeitungsrezensionen rühmten ihn als einen „leuchtenden Meteor am Musikhimmel“. Leider blieb diese Partitur bisher verschollen. Dabei könnte es sich aber auch um die Missa Solemnis, Nr. 1, C-Dur, handeln, von welcher die Pfarrkirche St. Joseph zu Margarethen in Wien das Aufführungsmaterial besitzt. Dieses Werk wurde auch nach Limmers Tod noch im Temeswarer Dom aufgeführt, wie wir aus einer Zeitungsannonce des Jahres 1872 erfahren können: „Am 25. d., als am ersten Weihnachtsfeiertage, wurde die solenne C-Dur-Messe von weiland Franz Limmer sammt Graduale in der Domkirche unter der präzisen Leitung des Regenschori, Herrn Speer, zur Aufführung gebracht. Das Offertorium von Lickel [Lickl] für Sopran und Violinsolo hat Frau Pohle korrekt und schwungvoll vorgetragen. Das Violinspiel des Herrn Jaborszky verfehlt nie die Wirkung, welche zum Herzen dringt und jeden Anwesenden mit Andacht erfüllt.“ Die Zusammensetzung des Orchesters bei dieser Messe ist folgende: Flöte, 2 Klarinetten, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, 2 Violinen, Violoncello, Kontrabass und Orgel.

 

Zeitgenosse Beethovens und Schuberts in Wien

Die Wiener Zeitung brachte in ihrer Ausgabe vom 22. Dezember 1824 eine interessante Anzeige über das Erscheinen einer Sammlung von 40 neuen Walzer für Klavier im Weiglschen Verlag. Neben einigen kurzen Kompositionen von Beethoven, Josef Böhm, Josef und Carl Czerny, Hellmesberger und Ignatz Ritter von Seyfried finden wir darin auch einen Walzer von „J. F. Limmer“. Schon die Tatsache, dass Limmers Name gemeinsam mit jenem seines Lehrers Seyfried und Beethovens im gleichen Sammelband erscheinen durfte, sagt für das Talent des damals erst 16-jährigen Komponisten viel aus. Sämtliche Walzer dieser Sammlung haben fast die gleiche Länge. Die in F-Dur verfasste Komposition Limmers besteht aus 16 Takten und zwei Teilen die jeweils wiederholt werden. Auffallend sind die in diesem Tanz - trotz seiner Kürze - vorkommenden zahlreichen harmonischen Wendungen und Chromatismen. Dieses Werk gleicht einer Schularbeit, in der der Schüler versucht, in das Korsett dieses Walzers seine bis dahin bei Seyfried erworbenen Kenntnisse der Harmonie und Komposition mutig und fast eigenwillig einzuarbeiten.

Franz Limmer trat am 6. November 1828 als Klarinettist in einem Konzert in Wien auf, über das man in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (Samstag, 29.11.1828, Nr. 144) berichtet hat: „Wir hörten einen braven Flötisten Hrn. Hirsch, ferner einen Clarinettisten Franz Limmer, welcher ermunternden Beyfall erhielten.“

 

Castelli und Limmer

1829 gab Ignaz Franz Castelli (1781-1862) zum ersten Mal seinen Allgemeinen Musikalischen Anzeiger heraus. Dieser weilte von Oktober bis Dezember 1809 in Temeswar. Als die Franzosen gegen Wien vorrückten, wurden wichtige Hof- und Staatsakten in Kisten verpackt und nach Ungarn in Sicherheit gebracht. Castelli beaufsichtigte als Beamter den Transport von fünfzehn solcher Kisten, die im ehemaligen Franziskaner-Salvatorianer-Kloster der Temeswarer Festung untergebracht wurden. Er war für kurze Zeit Stellvertreter des Theaterdirektors Ludwig Anton Bandl und führte hier ein vom ihm verfasstes „Vorspiel“ mit dem Titel Temesvar, das kleine Wien auf.

In nur kurzer Zeit komponierte Limmer hintereinander ein Streichquartett, ein Cello-Quartett, ein Cello-Trio und eine Symphonie, die einen nicht minderen Erfolg erzielen konnten als seine erste Messe. Graf Biankovszky, mit dem er befreundet war, ließ seine Quartette drucken. Im Jahre 1830, brachte Castelli in seinem Allgemeinen Musikalischen Anzeiger die Rezension über Limmers Streichquartett, op. 10:

 

Premiere Quatuor pour 2 Violons, Alto et Violoncello, par Francois Limmer, Oeuvre 10. Vienne. chez Mechetti, qm. Carlo.

Propriété de l´éditeur. Pr. 4 fl. arg. de Conv.

So wie das langersehnte Wörtchen: „Land!“ vom hohen Mastkorbe herab dem kühnen Entdecker einer neuen Welt als reinste Sphärenmelodie ertönte, eben so freudig überrascht fühlte sich Referent, als er dieses Tonwerk kritisch zergliederte, das einer Gattung angehört, welcher er sich, nach dem, was Haydn, Mozart, Beethoven, Spohr, Romberg, Onslow u.a. hierin Treffliches für alle Zeiten geleistet, immer nur beynahe mit scheuem Mißtrauen näherte. Obgleich er sich schon beim Antritte seines Kunstrichteramtes das unverbrüchliche Gesetz auferlegte: den Nahmen immerdar als Zuthat zu betrachten, und sich nur einzig an die Sache selbst zu halten, - so ist doch kein Erdensohn so ganz bar und ledig aller menschlichen Schwächen, als daß er sich auch zuweilen von einer derley captatio benevolentiae per nefas bestochen werden könnte. Hier fällt nun obige Besorgniß rei weg; denn besagter Componist ist ihm so total fremd und unbekannt, als ob er gerade eben von einem fernen Planeten auf unsere Hemisphäre herabgefallen wäre. Um so weniger darf er befürchten, daß man ihn einer Parteylichkeit zeihen werde, bey dem freymüthigen Urtheile: daß er dieses Kammerstück, bezüglich der Erfindung und Ausarbeitung, sowohl in harmonischer als methodischer Hinsicht, dem Vorzüglichsten zuzähle, so ihm jemahls in diesem Zweige bekannt geworden auch der vollen Überzeugung lebe: daß jeder Freund und Kenner von wahrer Musik, von echtem Sinn für Schönheit, und gewohnt, sich der Empfindung von Kunstwerken nur unter der Bedingung ihrer innern, seiner Zweckmäßigkeit ganz hinzugeben, nach wiederhohltem Genusse desselben – denn es will mit allem Rechte, um ganz festgehalten zu seyn, erst durchstudiert und geübt werden - seiner ausgesprochenen Meinung unbedingt beypflichten müsse; alsdann aber auch nicht anders denn einer begeisterten Theilname an einem so meisterlichen Producte der Phantasie und des höheren Kunstfleißes sich überlassen könne, das alles, was Gefühl, Geschmack, und selbst die streng waltende Kritik erheischt, in so reichlicher Fülle darbiethet.

Auch dem Verleger Dank, der einem so schönen Talente den Weg in die Kunstwelt bahnt, und die Erstlingsgeburt so anständig ausgeschmückt hat.

 

Ein Jahr später, am 3. März 1831, erschien im Allgemeinen Musikalischen Anzeiger Castellis eine Rezension von Limmers Quartett für vier Celli:

 

Quatuor pour quatre Violoncelles etc. etc. par Francois Limmer. Oeuvr. 11. Propriété de l´éditeur. Vienne, chez Pietro Mechetti, qm. Carlo. Prix: 2 fl. a. d. C.

Es setzt immerdar große Umsicht, Gewandtheit, Instrumental-Kenntniß und die sorgfältigste Behandlungsweise voraus, um für identische Instrumente …, ohne in die Charybdis der Monotonie zu gerathen, zweckmäßig, wirksam, interessant, und nebstbey auch in scientifischer Hinsicht vollkommen befriedigend die höhern Postulate des Kunstkenners, zu schreiben.

Im vorigen Jahrgange fand die Redaction die angenehme Veranlassung, einer Serenade für vier Violoncells von Hrn. Lachner, gleichfalls in derselben Verlagshandlung edirt, rühmlichst gedenken zu können, und die vorliegende Arbeit eines jungen Tonsetzers, dessen ausgezeichnetes Talent das in diesen Blättern nicht minder nach Verdienst und Gerechtigkeit gewürdigte 10. Werk bereits beurkundet, liefert den erneuerten Beweis, welche schöne Effecte durch glückliche Combinationen der verschiedenen Regionen dieses gesangreichen Instrumentes zu erzielen im Bereiche des Möglichen liegen.

Daß der Componist mit dessen Individualität im vollsten Umfange vertraut seyn müsse, möchte schwerlich bezweifelt werden; denn ohne diese Voraussetzung lässt sich schlechterdings keine Gesammtwirkung mit Gewissheit verbürgen. Wie es nun so ans Licht tritt, ist es ein wahres, kunstreich gearbeitetes Quartett, eben so reich an Harmonie, wie an Melodie; denn, unbeschadet jener Ehrfurcht, welche wir jeder gediegenen contrapunctischen Ausarbeitung zollen, vermag diese dennoch nie unsern festen Grundsatz zu erschüttern: dass nämlich Musik dem Sinne des Gehörs geweiht ist, und alles, was bloß auf dem Papiere sich hübsch ausnimmt, jedenfalls nur ein einseitiges Verdienst ansprechen darf. Das Technische de Kunst soll immerhin eine scheinbar subordinirte Rolle spielen; so soll allerdings vorhanden, wie bey Vater Haydn, mit dem Schleyer des Frohsinns, der neckenden Schalkhaftigkeit, verhüllt sein, und Ernstes unter der Maske heiterer Laune verkünden. Freylich heißt es im Sprüchwort: Viele sind berufen, wenige auserwählt. Doch wohl uns daß die Zahl der letzteren denn doch nicht gar so unbedeutend ist, wie man fast nach dem, was die rastlosen Pressen zu tage fördern, befürchten möchte. Hr. Limmer gehört gewiß darunter; er kennt, will und vermag das Bessere; er fahrt fort wie er begonnen, so wird die Anerkennung seinem lobenswerthen Streben auch nicht entstehen. Das Geschick, mehrere Motive zu einem harmonischen Ganzen zu verschmilzen und thematisch durchzuführen, offenbart sich vorzugsweise hier im ersten Allegro, und im humoristischen Scherzo; das kurze Adagio haucht zauberische Accorde einer Äolsharfe; das Rondo hingegen nimmt die Virtuosität eines Meisters in Anspruch, wie solche unser trefflicher Merk besitzt, welchem das Werk auch gewidmet ist. In diesem Schlußsatze überrascht besonders der letzte Eintritt des Thema nach dem Minore, wenn selbes nunmehr mit ganz fremdartigen Begleitstimmen vergesellschaftet erscheint. – Die Verlagshandlung hat sowohl für Correctheit als für ein anständiges Äußeres Sorge getragen, und wir fühlen uns ihr noch besonders verpflichtet, daß sie uns gefälligst die Partitur zur Durchsicht mitgetheilt, und somit in den Stand gesetzt hat, über den Realwerth ein Zeugniß abgeben zu können, welches wir auch mit evidenten Beweisgründen zu vertheidigen im Stande, und erböthig sind.

 

Am 31. März des gleichen Jahres wird dann das Trio Limmers für drei Celli im Allgemeinen Musikalischen Anzeiger besprochen:

 

Eine eben so verdienstliche Arbeit, wie das von einem Herrn Collegen in diesen Blättern jüngst besprochene Quatuor für dieselben Instrumente, und von demselben Verfasser. Übrigens weiß jeder Unterrichtete, dass es ungleich leichter sey, rein vierstimmig, als dreystimmig zu schreiben; denn im letzteren Falle hendelt es sich um die Auslassung eines Intervalles, und zwar, des am füglich entbehrlichsten, ohne den fließenden Gesang oder den harmonischen Strom des organischen Baues zu stören; da wird oft guter Rath theuer, und die Situation ähnlich jener Alcidens am Scheidewege. Unser Autor ist aber auch in dieser Setzweise kein Fremdling, und wohlgeübt, um jede Unheil drohende Klippe gefahrlos zu umschiffen.

Einer Eigenthümlichkeit können wir nicht umhin zu erwähnen; keineswegs, um damit einen Tadel auszusprechen, sondern bloß deshalb, weil dadurch eine Abweichung von der, so zu sagen stere type gewordenen Norm herbeygeführt wurde. Es handelt sich nämlich um die etwas exoterische Zusammenstellung der Tonarten: Der erste Satz Allegro, assai moderato, Alla-breve, steht in G-dur; das Andante in A-moll; das Finale, Allegro agitato, wechselt mit E-moll in E-dur.

Wir wissen recht gut, daß es keine absolute Schuldigkeit sey, nur einen Cyclus homogener Tonleiter zu berühren, und würden uns in manchen Fällen selbst keinen Gewissensscrupel darob machen. Indessen bringt man doch, schon des Gefühls von Einheit wegen, den Anfangs- und Schlußsatz gewöhnlich in die allernächste Verwandschaft; wäre es auch bloß einzig aus dem Grunde, um den Zuhörer zu avertiren, dass nichts mehr weiter folge. Wir haben uns diese Bemerkung aus wahrer Achtung für den Componisten erlaubt, weil vielleicht Mancher den Gedanken hegen möchte: als ob sämmtliche Sätze ursprünglich gar nicht für einander zu einem abgeschlossenen Ganzen bestimmt gewesen seyn dürften; ein Verdacht, welchem wir schlechterdings keinen Glauben beymessen, noch viel weniger zu theilen gesonnen sind.

 

Von Wien nach Temeswar

Von Frigyes Pesty erfahren wir den Grund, weshalb Limmer Wien verlassen hat: „Und trotzdem musste es sich bewahrheiten: „Nemo profeto in patria“. In Wien konnte er für sein Wirkungsfeld keine Möglichkeiten sehen, im Gegenteil, nur Unannehmlichkeiten, Neid, wofür er nicht die nötige Kraft verspürte, dagegen anzutreten. So hat er mit Freude die Einladung angenommen, als Dirigent an das Theater in Temeswar zu gehen. Er ging nach Temeswar und den größten Teil seines Lebens wird er hier verbringen, hat hier sein Talent entfalten können und wurde – um es gerecht zu sagen – einer von uns.“

Der damalige Direktor des Temeswarer deutschen Theaters, Theodor Müller, wurde auf den jungen Wiener Komponisten aufmerksam und ernannte ihn 1834 zum Kapellmeister. Limmer nahm das Angebot an und kam nach Temeswar. In einem Jahr wurden bis zu fünfzehn Opern einstudiert, darunter waren auch viele Erstaufführungen wie Beethovens Fidelio, Verdis Ernani, Macbeth, Der Troubadour, Othello u.a.

Außer den oben genannten Werken schrieb er auch eine Sonate für Klavier und Violine in g-Moll, eine Ouvertüre, genannt Jubel-Ouvertüre, das bei Breitkopf & Härtel erschienene Klavierquintett, das er seinem Verleger Raymund Härtel gewidmet hat und eine ganze Reihe kirchenmusikalischer Werke.

1835 ernannte ihn Bischof Lonovics zum Temeswarer Domregenschori als Nachfolger des verstorbenen Joseph Kratochwill. Er musste an allen Sonn- und Feiertagen die Dommusik leiten und verfasste für sein Ensemble auch eine stattliche Anzahl von Werken. Das bekannteste Werk aus dieser Zeit erschien bei A. Diabelli u. Comp. in Wien unter dem Titel: Offertorium in A (Justus ut palma florebit) / oder / (Sancta Maria, ora pro nobis) / SOLO für Sopran oder Tenor mit concertanter Violine / und Begleitung von 2 Violinen, Viola, 2 Clarinetten, 2 Hörner, 2 Trompeten, / Violoncell, Contrabass und Orgel. / Componirt und dem / Hochwürdigsten Herrn Herrn Joseph von Róka, / Abt des heil. Gerard von Csanád, Csanáder Domherr, / Pro-Director der philosophischen Fakultät, / Consistorial-Rath, und mehrerer Gespanschaften Gerichtstafel-Beisitzer etc. etc. / hochachtungsvoll gewidmet von / Franz Limmer, / Kapellmeister an der Domkirche zu Temesvár. / Op. 14. / Eigenthum des Verlegers. / Pr. fl. 1,45.

Joseph von Róka, Domherr der Csanader Diözese, wirkte am Temeswarer Dom und kam 1790 in Szeged zur Welt. Vermutlich war er Anhänger des ungarischen Freiheitskampfes von 1848-49, da sein Name auf der Gefangenenliste der Gefängnisfestung Kufstein zu finden ist, wo er 20 Jahre – vom 15. September 1849 bis zum 14. November 1869 – verbringen musste.

Dieses Werk wurde im 19. Jahrhundert nicht nur nachweislich in Lugosch, Orawitza, Arad, Budapest und Wien aufgeführt sondern war im ganzen mittel- und südosteuropäischen Raum verbreitet. Es sind uns auch noch andere Werke Limmers erhalten geblieben wie z.B. Ecce sacerdos für Chor, Streicher, Orgel, 2 Klarinetten (oder Flöten), 2 Trompeten, 2 Hörner, (oder Flügelhörner) und Pauken. Diese Komposition wurde oft zum feierlichen Einzug des Bischofs in die Temeswarer Domkirche gesungen. Auch das Veni sancte spiritus von Franz Limmer fand im Banat eine große Verbreitung.

In der Budapester Széchenyi-Nationalbibliothek konnte 2007 eine kurzes Lied Limmers mit dem Titel Des Freundes Abschied (nach dem Gedicht von V. Mathison) entdeckt werden. Limmer vermerkte darauf: „Wien den 15. Juni 1837 von Franz Limmer, Dom- und Theater Capellmeister aus Temesvar zur freundschaftlichen Erinnerung“. Es kann sich um einen Besuch in seiner Heimatstadt Wien im Sommer des Jahres 1837 handeln und zum Abschied widmete er seinem Freund diese kurze Komposition.

 

Im Zenit seines Schaffens (1842)

Aus dem Jahre 1842 sind uns zwei seiner geistlichen Kompositionen erhalten geblieben: ein Ave Maria für Sopran-, Bariton-Solo und Orchester und das Offertorium für Sopran-, Horn-Solo und Ochester Speciosus forma. Die eigenhändige Signatur des Komponisten besteht aus den Buchstaben M[ajorem] G[loriam] F[ranz] L[immer]. Das Ave Maria schrieb er in nur wenigen Stunden zwischen dem 24.-25. Januar 1842. Auch sein Offertorium Amavit eum Dominis für Sopran-, Klarinette-Solo und Orchester trägt den Vermerk „Vom 17. zum 18. August 1844 F. L. M. G.“

Im Jahre 1842 schreibt Dr. S. Schilling in seinem Tonkünstler-Lexikon auch einige kurze Angaben über Franz Limmer: „Limmer, Franz, ein geborener Wiener, junger, sehr hoffnungsvoller Componist, der bis jetzt hauptsächlich für Streich-Quartette und Quintette geschrieben hat; er ist ein Schüler von Seyfried, und tüchtiger Clavier- und Violinspieler.“ Ferdinand Simon Gaßner überarbeitet diesen Artikel Schillings und brachte die gleichen Daten 1847 in seinem Universal-Lexikon der Tonkunst.

Im selben Jahr (1842) brachte das Blatt Der Adler (Wien, 2. September 1842, Nr. 209) einen Bericht über das Temeswarer Musikleben und schrieb: „So arm unsere Stadt an Neuigkeiten ist, besonders in theatralischer und artistischer Beziehung, so hat doch in neuester Zeit eine neue Erscheinung im Gebiete der Kunst so allgemeine Sensation erregt…“ Es folgt dann ein ausführlicher Bericht über das Konzert der ehemaligen Sängerin des k. u. k. Hofoperntheaters in Wien, Hedwig Selisco. Dabei wirkte auch „der wackere Kapellmeister“ Franz Limmer mit, der zwei Ouvertüren „recht brav exekutirt hat“

Limmer gehörte in jener Zeit zu den drei bedeutendsten Musikerpersönlichkeiten Temeswars: Kapellmeister Limmer, Violinist Jaborsky und der Pianist Kunz. Das Blatt Der Ungar (Pesth, 6. Mai1842, 1. Jg., Nr. 103, herausgegeben von Hermann Klein) nannte Limmer einen ausgezeichneten Kontrapunktisten, der sich „durch mehrere vortreffliche Kompositionen von Messen, Quartetten, Symphonien etc. auch im Auslande bereits einen rühmlichen Namen erworben“. Der Berichterstatter schilderte ein etwas armes Bild zum Musikleben Temeswars jener Zeit: „Musik wird hier selbst als Dilettantismus nur sehr wenig getrieben und Polihimnia wird in Temesvar noch lange keinen ihrer würdigen Altar erhalten. Musikkünstlerleben gegenwärtig nur drei in diesen Mauern…“.

Erst vor wenigen Jahren konnten die bisher umfangreichsten Werke Limmers aufgefunden werden: das Requiem in B (komponiert 1842) und die Vesper-Hymnen. Im Falle des Requiems handelt es sich um eine liturgische Komposition, entstanden aus der kirchenmusikalischen Praxis für die Totenmesse. Die kunstvolle Bearbeitung der abwechslungsreichen Themen, die geschickte Instrumentierung wie auch die kompakte Form des ganzen Werkes, zeugen von Limmers vorteilhaften Kenntnissen als Dirigent, Komponist und Kenner der Kirchenmusikliteratur seiner Zeit. In der Orchestration des Requiems führt er die Tradition des Wiener Kirchentrios fort. Die Besetzung ist wie folgt: 4 Solostimmen, Chor, 2 Klarinetten, 2 Trompeten, 2 Hörner, Posaune, Pauken, 2 Violinen, Cello, Kontrabass und Orgel. Außer der originalen Partitur gibt es von diesem Requiem auch eine Klavierreduktion mit der jeweils führenden Gesangstimme. Diese Kopie wurde von Ludwig von Gyika verfasst und trägt das Datum 28. September 1872. Also wurde dieses Requiem noch viele Jahre nach dem Tode Limmers in Temeswar aufgeführt. Am 31. Oktober 1995, also nach fast 150 Jahren, erklang dieses Werk wieder im Temeswarer Dom.

Die Vesper-Hymnen sind für den sonntäglichen Gebrauch komponiert, unter besonderer Berücksichtigung einzelner kirchlicher Feiertage. Die Besetzung ist folgende: Tenor- und Bass-Solo, dreistimmiger Männerchor, 2 Hörner, 2 Violinen, Bass und Orgel (Continuo). Der Komponist legte besonderen Wert auf die musikalische Ausdruckskraft des Textes, dem er die Musik programmartig angepasst hat. Jedes der Stücken weißt einen bestimmten Charakter auf, teilweise werden die Themen aus der Gregorianik entnommen, als Kanon bearbeitet oder als Cantus firmus verwendet. Limmer ist es gelungen, anhand kurzer Texte, mit nur einfachen Mitteln, aus einer sonntäglichen Gebrauchsmusik kleine Kunstwerke zu schaffen.

 

Komponist eines Marienliedes

Limmer widmete sich aber nicht nur der Figuralmusik sondern war gleichzeitig ein eifriger Förderer des Kirchenliedes. Eine Abschrift des Marienliedes (Lenke unserer Seelen Hoffnung) von Franz Limmer ist datiert mit dem 6. Mai 1855. Es ist ein schlichtes, einfaches Kirchenlied, das in vielen Banater Kirchen auch zu Wallfahrten gesungen wurde. Der Text dieses Liedes ist auch mit einer anderen Melodie bekannt.

 

Lenke unserer Seelen Sehnsucht gnädig und mild,

Nach deiner sonnenhellen Unbeflecktheit Urbild

und hilf uns in den Stürmen wenn sich die Wogen thürmen

Maria, o Maria hilf!

 

Du gnadenvolle Taube! O segne unser Land

Die Eehre und die Traube, den Fleiß und Schweiß der Hand

Und die voll Hunger darben, den Armen ohne Garben,

Maria, o Maria hilf!

 

Und die verlassnen Klagen, in Sturm und Frost und Wind,

Die unterdrückt, geschlagen, verweist und hilflos sind

Wenn jeder Trost entschwunden, vom Kranken Todeswunden,

Maria, o Maria hilf!

 

Erbitt von Gott uns Frieden, erbitt uns Heiligkeit,

Vereine was geschieden, versöhne was im Streit,

Daß wir zu deinen Füßen als Kinder dich begrüßen,

Maria, o Maria hilf!

 

Maria, deiner Milde befehlen wir das Reich,

O, sei´s ihm zum Schilde, dem Friedenswaffenreich,

Den ahnenfrommen Kaiser, lass herrschen mild und tapfer,

Maria, o Maria hilf!

 

Vom heiligen Licht umgeben, wo hochgebenedeit,

Du blühst im ewgen Leben, im Reich der Seeligkeit,

Lass einst uns wieder sinken, vom Himmelsthrone trinken,

Maria, o Maria hilf!

 

Wir werfen uns darnieder

Wertvolle und interessante Daten sind uns von dem Banater Journalisten und Historiker Béla Schiff in einem längeren Artikel überliefert worden. Nach ihm soll Franz Limmer bereits am 17. Juli 1842 bei der Grundsteinlegung der Temeswarer Infanterie-Kaserne den Domchor und die Militärmusik dirigiert haben:

(…) Da tritt eine besondere alte Temesvarer Spezialität zum Vorschein. Während nämlich Bischof Lonovics die Messe zelebrierte, hatte der Sänger-Chor der hiesigen Domkapelle, begleitet durch die Musik der Trompeter des Husaren-Regiments Kaiser, das Meßlied: Wir werfen uns darnieder etc. abgesungen.

Domchor mit Begleitung von Husarentrompeten!

Daß es sich tatsächlich um die bei dem Regiment verwendeten Trompeter handelte, die sonst Attacken und dergleichen zu blasen  pflegen, also nicht etwa um eine Militärkapelle, beweist eine, einen Monat vorher erschienene Bemerkung desselben Wochenblattes, in welchem vom alten Paradeplatz besagt wird, man finde auf demselben sehr viel Platz, aber wenig Parade. Was bemängelte man eigentlich?

Leider entbehren wir schon seit vielen Jahren den Genuß einer Militär-Stabs-Musik. Hoffen wir, daß die Vollendung des bereits begonnenen Neubaues der großen 3. Kaserne uns dieses Vergnügen zuführen werde.

Damals hatte man eben keine Militärkapelle und der Domchor wurde tatsächlich von gewöhnlichen Husarentrompeten begleitet. Und da der Husar ohne sein Pferd unvorstellbar ist, darf man voraussetzen, daß die in Parade ausgerückten Husarentrompeter hoch zu Roß ihr Instrument bliesen und wie ein schallender Kordon die Sänger unseres Domchors umgab. Gewiß eine Spezialität - ein nicht alltäglicher Anblick.

Wer aber wagte dieses Bravourstück zu unternehmen und einen andächtigen Meßgesang unter Begleitung berittener Trompeter zu leiten? Hatte denn der Regenschori keine Angst von einem Fiasko? Befürchtete er nicht, daß irgendein Husarenpferd unruhig wird und daß dann das Lied "Wir werfen uns darnieder" alles andere, nur keine Andacht auslöst - eventuell einer der Sänger umgerissen wird und sich dann tatsächlich "darniedergeworfen" fühlt ?!

Wir sind dessen ganz sicher, daß es kein Fiasko gab, sondern eine Glanzleistung. Man braucht nur nachzusehen, wer der damalige Dom-Regenschori war und die Sache ist bereits geklärt.

Franz Limmer hieß der waghalsige Dirigent - und wer ihn näher kannte, war dessen sicher, daß er ein Meisterstück vollbrachte und daß es sicherlich seine Idee war, die Husarentrompeter heranzuziehen. Er mußte mit besonderem Hochgenuß die Gelegenheit ausgenützt haben, einmal bei einer Militärparade mitzuwirken und seine musikalischen Einfälle zu verwirklichen. Dieser Franz Limmer war durch und durch Musiker. Ein gebürtiger Wiener, dazu bestimmt, einst die Leitung der Seidenfabrik seines Vaters zu übernehmen. Er aber widmete sich der Musik und hatte schon im Alter von 17 Jahren eine D-Dur-Messe komponiert, die in der Wiener Augustiner-Kirche aufgeführt, das größte Aufsehen erregte. Als er im Alter von 26 Jahren zum Dirigenten des hiesigen Theaterorchesters nach Temesvar berufen wurde, war er bereits ein berühmter Komponist mit vielen Werken und als ihn Bischof Lonovics im Jahre 1835 zum Regenschori der Domkirche ernannte, geriet er erst recht in sein eigentliches Element. Die Zeitgenossen nannten ihn ein Genie und obzwar er auch Sonaten und eine Oper komponierte, war sein eigentliches Terrain die Kirchenmusik. Das hiesige Domkapitel bewahrt eine Menge seiner Messekompositionen, Einlagen, Responsorien und daß ihn seine Werke überlebten, bezeugt schon der Umstand, daß sein gegenwärtiger Nachfolger Desider Braun in der letzten Zeit des öfteren Limmer´sche Werke hervorsuchte und zur Aufführung brachte. Bei kirchlichen Stücken war seine Lieblingsidee, Gesänge mit Blasinstrumenten begleiten zu lassen, eine seiner Offertorium-Kompositionen z. B. ist mit einem Klarinettsolo vorgeschrieben und dann mit Hornsignalen.

Meister Limmer mußte etwas außergewöhnliches Schönes aus der Kombination des Gesanges mit den Husarentrompeten hervorgebracht haben und diese Begebenheit, sowie seine Person bilden gleichzeitig einen Hinweis auf eine alte Temesvarer Gepflogenheit. Künstlerische Veranstaltungen, Theater- und musikalische Aufführungen mußten in Temesvar stets ein hohes Niveau haben, wenn man einen Erfolg erzielen wollte; in unserer Stadt trachtete man zu jeder Zeit, besondere Musikerpersönlichkeiten zur Geltung und Positionen gelangen zu lassen. Sie trugen nicht nur zur Hebung des anspruchsvollen Kunstsinnes im seinerzeitigen stolzen "Klein-Wien" bei, sondern durch ihren Schöpfergeist, ihr Talent und ihre Tatkraft kam auch so manches zustande. Auch Limmer brachte, als im Jahre 1846 bei uns Franz Liszt konzertierte, einen zahlreichen Männerchor zusammen, der eine Serenadenkomposition des ersteren Vortrug, die bei Liszt großes Interesse erweckte. Durch Einwirkung unserer Musikerpersönlichkeiten entstanden Hauskapellen und Gelegenheitschöre, dann mit der Zeit Musikvereine und Gesangvereine, deren Vergangenheit auf eine respektable Anzahl von Jahren zurückgeht; sie trugen viel zur alten, traditionellen Geselligkeit dieser Stadt bei, die ein Hauptcharakteristikum und eine Haupttugend der Temesvarer Bürgerschaft darstellt.

 

Die Alpenhütte

Im Jahre 1845 fand im Temeswarer deutschen Theater die Premiere seiner Oper Die Alpenhütte, nach einem Libretto seines Direktors Alexander Schmidt, statt, die am Jahresanfang und binnen zwei Spielzeiten noch dreimal aufgeführt wurde. Pesty schreibt in seinen biographischen Skizzen: „Sein Stil ist ein deutscher und in jedem seiner Werke zu erkennen. Trotzdem kann man nicht von besonderen Eigenheiten seiner Werke sprechen. Seine Oper hatte viele Ohrwürmer, doch ist sie später aus dem Repertoire verschwunden. Aber seine Stärke lag in der Kirchenmusik“. Von der Ouvertüre dieser Oper gibt es eine vierhändige Klavierbearbeitung von Ludwig von Gyika.

Limmers Oper Die Alpenhütte wurde bereits im Februar 1845 im Blatt Der Humorist (herausgegeben von M. G. Saphir, 18. Februar 1845, 9. Jg., Nr. 42 angekündigt und man vergaß auch nicht, ihn als einen „Wiener“ zu bezeichnen. Das selbe Blatt brachte in seiner Ausgabe vom 3. April 1845 eine weitere Ankündigung dieser Opernpremiere: „Die bemerkenswertheste unserer neuern Erscheinungen der Theaterwelt ist unstreitig die vom hiesigen Kapellmeister Franz Limmer komponierte Oper unter dem Titel „Die Alpenhütte“. Text von unserem geschätzten Theaterdirektor Alexander Schmid. Da eine ausführliche kritische Beleuchtung dieser an seltenen Vorzüge reich ausgestatteten Komposition hoffentlich in einer der nächsten Nummern der vielgelesenen „Wiener Musik-Zeitung“ erscheinen wird, beschränken wir uns blos darauf von dem glänzenden Erfolge, dessen sich diese melodiereiche Oper zu erfreuen hatte, in Kürze zu berichten. Wie jedes echte Kunstwerk durch nähere Betrachtung erst allmählich seine Vorzüge dem prüfenden Auge entfaltet, so treten auch bei dieser Oper die vielen hervorragenden Lichtpunkte in einem immer höheren Glanze hervor, und wir sind daher zu der erfreulichen Erwartung berechtigt, dass Limmers „Alpenhütte“ sich allenthalben des ungetheiltesten Beifalls erfreuen wird.“

Und in der Ausgabe vom 8. April 1845 brachte dieses Wiener Blatt bereits einen längeren Bericht zur Temeswarer Premiere:

„Die mannigfaltige Thätigkeit unserer Direktion ist lobenswert, und man wird es kaum glauben, dass unser Opernpersonal in sechs Wochen vier neue Opern einstudiert, wovon die „Alpenhütte“ als hiesiges Produkt (Text von Direktor Schmidt, Komposition von Kapellmeister der hiesigen Bühne, Hrn. Franz Limmer), das meiste Aufsehen erregte.

Ohne dem Komponisten derselben nur in irgend etwas zu nahe treten zu wollen, muss ich doch freimüthig gestehen, dass die öftern Reminescenzen der Oper weit weniger schaden, als die immense lange Prosa, da ich immer der Meinung bleibe, dass eine Oper gesungen, und nicht erzählt werden muss, und gute Reminescenzen immer besser sind, als schlechtes Original.

Die Oper an und für sich ist mehr im deutschen Style gehalten, trotz der großen Bravourarie des Bruno, welche stark nach Mayerbeer riecht, und des lieblich schönen Willkommen-Duett zwischen Albert und Felix, das ganz Donizetti ist.

Wunderlich ist Felixs „Lebewohl an die Alpen“, wie auch der Schlusschor des ersten Aktes, welche beide mich zuerst von der Idee abbrachten, dass der Domkapellmeister diese Oper schrieb, denn der religiöse Typus ist unverkennbar, und läuft als erhaben schauriges Gefühl durch die ganze Oper. Schwächer als der erste Akt ist der zweite, und das Violinsolo desselben ausgenommen, ist nur das Vokalquartett und Rosas große Arie erwähnenswerth.

Desto besser ist der dritte, und großartig ist Alberts Introduktions-Arie, nicht minder das Dankgebet bei Werners Ankunft, Rosas Jubellied bei der Begrüßung des Vaters, und Felixs Wanderlied am Schlusse.

Im Ganzen genommen hat die Oper alle Erwartungen übertroffen. Hr. Kapellmeister Limmer (Kompositeur und Beneficiant) wurde unzählige Mal gerufen und Referent glaubt nicht zu irren, wenn er ihm und seiner Oper auf jeder Bühne einen vollkommenen Eclat verspricht. (B)“

Auch noch Jahre danach stand „Die Alpenhütte“ auf dem Repertoire der Temeswarer Oper und man feierte ihren Schöpfer auf offener Bühne. Selbst die stürmischen Zeiten der Revolution konnten ihre Aufführung im April 1848 nicht verhindern. So schrieb das Blatt Der Ungar. Zeitschriftliches Organ für ungarisches Interesse, Kunst, Eleganz, Literatur, Theater und Mode (Pesth, 16. April 1848, 7. Jg., Nr. 91): „Auch Franz Limmer, Capellmeister der hiesigen Dom-Capelle und unseres Theaters, der unter den vaterländischen Componisten, ja wir können sagen, der Monarchie, in den ersten Reihen zu prangen verdient, feierte gestern durch die Aufführung seiner herrlichen Oper, die „Alpenhütte“, einen Festabend, der ihm und allen Kunstfreunden noch lange im Gedächtnis fortleben wird. Es versteht sich von selbst, dass der Compositeur mehrmals stürmisch gerufen wurde.“

 

Limmers Begrüßungschor für Franz Liszt

Franz Liszt erntete am 1. November 1846 in Temeswar, wie überall, einen großen Erfolg. Nach seinem Konzert hat die Temeswarer Deutsche Liedertafel (Männerchor) einen Begrüßungschor von Limmer gesungen, der Text stammt von Helvey und ist in ungarischer Sprache verfasst. Liszt hat sich freundlich unter die Sänger gemischt und sich wohltuend über die Komposition Limmers geäußert.

Die letzten Werke Limmers sind die 27 Responsorien für die Karwoche für 4 Stimmen und Physharmonika. Pesty scheibt darüber: „Trotz der Einfachheit ist dies ein schönes Werk.“

Franz Limmer, der von seinen Zeitgenossen sowohl als Mensch als auch als Komponist geschätzt und geachtet wurde, ist am 19. Januar 1857 entschlafen. Seine Bewunderer haben über seinem Grab einen Gedenkstein aufgestellt. Eine Familie hatte er nie. Eine jüngere Schwester, welche damals ein Mitglied der Temeswarer Oper war, hatte eine hervorragende Stimme, war eine beliebte und anerkannte Sängerin.

Am 19. Januar 1857 brachte die Temesvarer Zeitung folgenden Nachruf: „(...) Vor allem seien einem Dahingeschiedenen ein paar Worte des Andenkens geweiht. Capellmeister Limmer, der sich durch mehr als zwanzigjähriges Wirken in dieser Stadt um die Kunst manches Verdienst erworben hat und viele Freunde zählt, wurde bei der Ausübung seines Berufes, während er zur Opernprobe ging, durch einen Schlaganfall dem Dasein entrissen. Die bedeutende Menge von Menschen, die seinen Sarg zur letzten Ruhestätte begleiteten, gab Zeugnis von der allseitigen Beliebtheit des Verblichenen. Er hat eine Oper, mehrere Messen und viele Vokalquartette komponiert die von bleibendem musikalischen Werthe sind. Mit ihm ist ein tüchtiger Vertreter der klassischen Musik aus unserem Kreise geschieden.“

Nur wenige Tage nach Limmers Tod veröffentlichte Leopold Alexander Zellner am 27. Januar 1857 in seinen Blätter für Musik, Theater und Kunst (Wien) ebenfalls einen Nachruf: „Am 19. d. starb in Temeswar der Theaterkapellmeister und Chorregent Franz Limmer.(...) Limmer - ein Schüler Seyfrieds - war ein tüchtiger Musiker, umsichtiger Dirigent und als Komponist nicht ohne Talent. Er schrieb Mehreres für die Kirche, darunter ein paar gut gearbeitete Messen, einige Symphonien, viel Kammermusik, namentlich für das Violoncello, welches Instrument er mit besonderer Fertigkeit spielte. Einige seiner Kompositionen sind in Stich erschienen, so: Gradualien, Offertorien, Lieder, dann Kammermusik. Seine Quartette für 4 Violoncellos, verfehlten nicht zu ihrer Zeit Aufsehen zu machen. Im Umgang war Limmer - eine offene-joviale Natur - sehr gewinnend und besaß mehr Bildung, als man sie in der Regel bei Musikern anzutreffen pflegt. Er ist 1808 oder 1809 geboren.“

In seinem längeren Artikel über Limmer übernimmt Dr. Constantin von Wurzbach im Biographischen Lexikon des Kaiserthums Österreich vieles aus dem Beitrag Zellners. Der Banater Historiker Felix Milleker widmete Franz Limmer in seinem Werk Kulturgeschichte der Deutschen im Banat (1716-1918) in Einzeldarstellungen ein ganzes Kapitel. Die meisten Kompositionen Limmers müssen noch aus vergessenen oder bisher verschollenen Archiven geborgen werden.

Auch die Kronstädter Zeitung (Siebenbürgen, 29. Januar 1857, Nr. 16) brachte die Nachricht über Limmers Tod: „Kapellmeister Limmer in Temeswar ist in dem Augenblick als er zur Generalprobe ging, vom Schlagfluss getroffen worden und in Folge dessen gestorben.“

 

Zum Schluss

Am 22. November 1857, also im Jahre seines Todes, führte man in einem Gottesdienst in St. Peter, Wien, außer einer Messe von Joseph Haydn und einem Graduale von Carl Czerny auch ein Offertorium von FranzLimmer auf. Geschah dies in Erinnerung an den in Temeswar verstorbenen Landsmann? Jedenfalls können wir aus Zellners kurzer Ankündigung in seinen Blätter für Musik, Theater und Kunst (Wien, 20. Nov. 1857, 3. Jg., Nr. 93) nicht mehr erfahren.

Limmer hat in seiner Zeit als Temeswarer Theater- und Domkapellmeister viel komponiert, teils sind diese Werke in Druck erschienen, teils wurden seine Handschriften, laut Frigyes Pesty, von der bischöflichen Behörde aufbewahrt, wo sie sich jedoch nicht mehr befinden. In den letzten Jahren konnten im Banat, in Wien und Budapest nur wenige zeitgenössische Abschriften und Autographe Limmers entdeckt werden.

Béla Schiff widmete in seinem Artikel Aus dem Reiche der Toten. Gräberbesuch am innerstädtischen Friedhof (Temesvarer Zeitung, 1.11.1928) einige Zeilen auch Franz Limmer. Er fand die letzte Ruhestätte Limmers in einem verwahrlosten Zustand, in einer Ecke des Friedhofs, neben den Gräbern kirchlicher Würdenträger wie Domprobst Schuller, Domherr Buchwald, Domherr Josef Gabriel (+1863) und Szalay (+1873): „… Und wieder ein Grabstein: Hier ruhet in Gott / seiner frohen / Auferstehung harrend / der Csanader Domchori Regens / FRANZ LIMMER / + im 49. Lebensjahre den 19. Jänner 1857 / Seinem schöpferischen Wirken / für Musik allzufrühe durch den Tod / entrissen. / Seine tief trauernden Verwandten / seine mitfühlenden Freunde / und Kunstgenossen widmen Ihm / dies Denkmal / innigster Verehrung. / Friede seiner Asche.

Ein berühmter Mann seiner Zeit! In Wien, wo er gebürtig war, trug man schon in seinem 18. Jahre seine D-Dur-Messe vor: das war damals ein Enthusiasmus in der Musikerwelt… ein „glänzender Meteor“… der dann 23 Jahre hindurch sein Leben und Wirken in Temesvar verbrachte. Theaterdirigent und von Bischof Lonovics zum Musikdirektor der Kathedrale ernannt… zahlreiche Schöpfungen erinnern an ihn, auch Karwochen-Responsorien. So ruht auch er hier in der verwahrlosten Ecke und nur Epheu, der sich seiner erbarmte und sein Grabmal umspinnt, lebt weiter… Nicht das Domkapitel und auch nicht die Stadt sorgt mehr für ihre Toten in dieser stillen Ecke.“

Frigyes Pesty zählt in seinem Artikel folgende Kompositionen Limmers auf, die sich 1859 im Temeswarer bischöflichen Archiv befanden:

Große Messe mit komplettem Orchester in G-Dur,

eine Messe mit kleinem Orchester in C-Dur,

große Messe mit Orchester in F-Dur,

Missa brevis mit kleinem Orchester in B-Dur,

Offertorium mit Klarinetten-Solo in F-Dur,

Offertorium für Horn (kürt) in Es-Dur,

2 Offertorien mit obligaten Bläsern in F-Dur,

Graduale mit Orchester und Gesang,

großes Ecce Sacerdos, Es-Dur,

kleines Ecce Sacerdos, D-Dur,

Hymni Vespertini, 49 Stück, für alle Sonn- und Feiertage,

4 Stationen für Fronleichnam mit Bläserbegleitung,

Te Deum mit Bläser,

2 Hymnen Domine non sun dignum, in Es und F-Dur,

1 Requiem in B-Dur,

Sonate für Klavier und Viola, g-Moll,

eine sehr schöne Ouvertüre und mehrere Einlagen, welche die Musikliebhaber mit größter Freude angenommen haben und die mit viel Applaus belohnt wurden.

In Druck erschienen:

Offertorium mit Violinsolo, bei Diabelli, gewidmet Canonicus Róka,

Grand Quintuor pour le Pianoforte, Violon, Viola, Violoncello et Basso composé par Francois Limmer et dedié a Monsieur Remond Härtel, erschienen in Leipzig bei Breitkopf und Härtel,

ein Streichquartett,

ein Trio für drei Celli.

 

Bilddokumentation

 

Augustinerkirche, Wien

Limmer: Quartett für 4 Violoncelli (verlegt in Wien)

Limmer: Ouverture zur Oper “Die Alpenhütte”, für Klavier zu 4 Händen bearbeitet von Ludwig von Gyika

Graduale von Franz Limmer, Maestro di Capella a Temesvar (Wien, Schottenkirche)

Limmer: Hymni Vespertini (Poson 1852)

Limmer: Offertorium Justus ut palma florebit, gewidmet Joseph von Róka, Domherr zu Temeswar (verlegt in Wien)

Plakat des Konzertes mit Carl Moser, Sänger der Domkapelle, mit der Mitwirkung des Theaterorchesters unter der Leitung von Franz Limmer (Temeswar 1855)

Limmer: Marienlied Lenke unserer Seelen Hoffnung (Banat, um 1850)

Limmer: Marienlied Lenke unserer Seelen Hoffnung (Temeswar, um 1850)

Limmer: Streichquartett (verlegt in Wien)

Limmer: Requiem, erste Seite der Partitur

Taufkirche Limmers in Wien-Matzleinsdorf)

Temeswarer Domkirche

Temeswarer Domkirche und Domplatz (um 1846)

Limmer: Trio, für 3 Violoncelli (verlegt in Wien)

Die einsame Ecke am innerstädtischen Friedhof mit den Grabstätten von Domprobst Schuller, Domherr Buchwald, Domherr Gabriel, Szalay und Franz Limmer

 

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2007/2018

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