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E D I T I O N   M U S I K   S Ü D O S T

Ein Fest der ungarndeutschen Kirchenmusik

Am 8. September 2012 fand ich Badesek/Bátaszék das 16. Treffen ungarndeutscher Kirchenchöre statt

von Dr. Franz Metz

Strahlender Sonnenschein und spätsommerliche Wärme im südungarischen Bátaszék/Badesek. Gegen Mittag füllte sich die große katholische Pfarrkirche allmählich mit bunten deutschen Trachten Ungarns. Fast 600 Sängerinnen und Sänger strömen aus dem ganzen Land mit Bussen und Kleinwagen herbei. Der Rat der ungarndeutschen Selbstverwaltung und der Verband der ungarndeutschen Chöre, Tanzgruppen und Blaskapellen haben dazu eingeladen. Um 3 Uhr nachmittags beginnt das Konzert, das der Bürgermeister des Ortes mit einer Ansprache eröffnet hat. Franz Heilig, Vorsitzender des Verbandes begrüßte anschließend die zahlreichen Teilnehmer und Gäste, worauf die ungarische Hymne gesungen wurde, gefolgt von der Hymne der Ungarndeutschen. Die Jugendblaskapelle von Badesek unter der Leitung von Peter Maul hat diese angestimmt und spielte auch zwischen den einzelnen Chorauftritten einige festliche Musikstücke.

Bereits die erste Chordarbietung lässt die zahlreichen Zuhörer aufhorchen: es sind dies traditionelle donauschwäbische Kirchenlied, zwei- bis vierstimmig vorgetragen, mit Begleitung der Orgel oder gar eines Akkordeons. Die allbekannten Lieder, die heute am 8. September 2012, am Tag Maria Geburt, erklingen, sind allen Teilnehmern wohlbekannt: Es blüht der Blume eine, Mit frohem Herzen will ich singen, Segne du, Maria und viele andere, die sowohl im Banat als auch im Sathmarer Land oder in Deutschland und Österreich heute noch erklingen.

Der von Sonnelicht bestrahlte Kirchenraum füllte sich nicht nur mit harmonischen Klängen, sondern auch mit der dazu nötigen seelischen Stimmung, die Wärme und Zuversicht ausstrahlt, lebendigen Glauben und gelebte Tradition. Man steht zur nationalen Identität, singt inbrünstig den ungarischen Hymnus und trotzdem gehört man dem ungarndeutschen Kulturraum an. Eines schließt das andere nicht aus. Dieser Kulturraum wird nicht nur von den bunten Trachten, den deutschen Bildstöcken und Dreifaltigkeitssäulen entlang der südungarischen Weinstraße geprägt, sondern auch durch die jahrhundertalten Lieder, die auch nach den beiden Weltkriegen, nach Flucht, Vertreibung und kommunistischem Atheismus nicht verklungen sind. Es klingt fast wie ein Wunder, dass ein solches Kulturgut aus eigener Kraft sich auch zum Beginn des 21. Jahrhunderts entfalten kann. Irgendwo in der Seele dieser Menschen gibt es noch – diese donauschwäbischen Kirchenlieder.

 

Chöre aus ganz Ungarn

 

Die große Chorvereinung aus Branau und Tolnau mit machte den Anfang und die einzelnen Chorleiter wechselten sich nacheinander ab. Der erste Teil des Konzertes wurde von folgenden deutschen Chören bestritten: Regenbogen-Chor Bawaz/Babarc (Chorleiterin Maria Gayer-Ferencz), Liederkranz Lantschuk/Láncsók (Chorleiterin Ilona Schwarczkopf), Intermelody Sängerchor aus Surgetin/Szederkény (Chorleiter Anett Balogh und János Hock), Király-Chor aus Sepetnek/Szepetnek (Chorleiterin Krisztina Kollonay), Deutscher Nationalitätenchor aus Saß/Szászvár (Chorleiter Tibor Nèmeth), Deutscher Nationalitätenchor aus Kosart/Nagykozár (Chorleiter Tibor Németh).

Auch die große Angster-Orgel der Badeseker Kirche (gespielt vom Autor dieser Zeilen) feierte mit. Obzwar durch ein heftiges Gewitter ein Blitz einige Tage davor die Glocken und die Orgel der Kirche beschädigt hatte, ist es gelungen diese über Nacht funktionsfähig zu machen. Josef Angster, der wohl bedeutendste Orgelbauer Südosteuropas, der dem ungarischen Königreich in seiner Fünfkirchner Werkstatt die größten Domorgeln angefertigt hat, blieb selbst seiner deutschen Muttersprache bis zu seinem Tode treu und hat sein langes Leben in einer Autobiographie festgehalten.

Die hellen Sopranstimmen ließen die aufmerksamen Zuhörer aufhorchen als das Lied Ein Kind Mariens will ich werden erklang. Obzwar einfach und schlicht vorgetragen, gelang es den Chören eine feierliche Stimmung zu erzeugen. Die großen Chorvereinigungen mit über 100 Sängerinnen und Sängern trugen diese Lieder meist zweistimmig vor, doch durch die Verdoppelung der einzelnen Stimmen durch die Frauen- und Männerstimmen, wurde eine Orgelklang erzeugt. Abwechselnd wurden einzelne Strophen von Frauen und Männern vorgetragen, dann mal ohne Sopranstimme und dann wieder mehrchörig. Die vielen jungen Sängerinnen und Sänger mit ihren klaren Stimmen trugen deutlich zum Gelingen dieses Konzertes bei. Obzwar viele dieser Teilnehmer der deutschen Sprache nicht mächtig sind, haben sie mit ihrem musikalisches Talent zum Gelingen dieses Chorfestes beigetragen. Dieses Fest war durch die vielen Sonntagstrachten nicht nur ein Fest für die Ohren sondern auch für die Augen. Auch die traditionell hochgeschätzte ungarische Gesangschule (z.B. die Kodály-Methode) hat ihren Beitrag dazu beigesteuert. Phrasierungen und dynamische Steigerungen belebten den Chorgesang und machten aus den einfachen und schlichten Liedern einen wahren Kunstgenuss.

 

Chorkonzert und Festgottesdienst

 

Im zweiten Teil haben folgende Chöre gesungen: Deutscher Nationalitätenchor Bonnhard/Bonhárd und Kleindorog/Kisdorog (Chorleiterin Theresia Rónai), Deutscher Nationalitätenchor aus Mesch/Mösz (Chorleiterin Éva Kolszár), Deutscher Nationalitätenchor aus Tewel/Tevel (Chorleiterin Agnes Antal), Mondschein-Chor aus Seksard/Szekszárd (Chorleiterin Márta Molnár), Sonnenblumen-Chor aus Sumpa/Zomba (Chorleiter Lajos Szily), Vergissmeinnicht-Chor aus Hedjeß/Högyész (Chorleiterin Martha Homoródi), Glück-Auf-Chor aus Großmanok/Nagymányok (Chorleiterin Eva Herger).

Für Franz Neubrand, dem erfahrenen Kirchenmusiker und Chorleiter, war dies das 16. ungarndeutsche Chortreffen, das er musikalisch geleitet hat. Er hat u.a. auch zwei ungarndeutsche Gesangbücher herausgegeben, die heute noch in vielen Gemeinden verwendet werden. Als das Katholische Gesangbuch der Donauschwaben in München 2011 herausgegeben wurde, zählte er auch zu den engsten Mitarbeitern des Herausgebers.

Im dritten Teil des Chorkonzertes haben folgende Chöre gesungen: Sankt-Cäcilia-Chor aus Badesek/Batászék (Chorleiter József Jagicza), Deutscher Nationalitätenchor aus Waschludt/Városlöd (Chorleiterin Mónika Bankó), Deutscher Nationalitätenchor aus Sanktiwan/Pilisszentiván (Leiter Piroska und Franz Neubrandt), Királyi-Chor aus Sepetnek/Szepetnek (Chorleiterin Krisztina Kollonay).

Selbst der allbekannte Chor Herr, deine Güte reicht so weit erklang diesmal frisch und dynamisch. Dem Halleluja mit seinen in die Höhe steigenden Sopranstimmen folgte ein stürmischer Applaus des Publikums. Der letzte Chor, das Abendlied Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, vorgetragen von über 150 Sängerinnen und Sängern klang wie ein Gebet aus und in völliger Stille verharrten die Zuhörer bis der letzte Ton sich im Kirchenschiff verloren hat. Zwischendurch hat Dr. Franz Metz einige Orgelwerke vorgetragen, darunter die Toccata von Eugene Gigout, das Magnificat von Franz Liszt und ein Werk von Marcel Dubpré.

 

Gesang und Gebet in der eigenen Muttersprache

 

Bischof Michael Mayer (emerit.) aus Fünfkirchen/Pécs war der Zelebrant und Prediger des anschließenden Gottesdienstes. In seiner Ansprache ging er auf den Gesang und das Gebet in der eigenen Muttersprache ein. Er forderte die anwesenden Eltern und Großeltern auf, ihren Kindern und Enkelkindern die deutschen Gebete zu lernen. Auch er habe mit sechs Jahren im Elternhaus die ersten Gebete in seiner deutschen Muttersprache erlernt. Heute wäre es sinnvoll, den Religionsunterricht in den ungarischen Schulen in der Muttersprache zu lehren, damit die Jugend auch die Texte des deutschen Gottesdienstes verstehen kann. Er betonte in seiner Predigt, dass heute bereits Jugendliche in Ungarn besser die deutsche Muttersprache beherrschen als ihre Eltern, da dieser Unterricht bis 1989 nicht möglich war. Bischof Michael Mayer (emerit.) bedankte sich bei allen Teilnehmern für das gute Gelingen dieses ungarndeutschen Kirchenchorfestes und wünschte, dass auch weiterhin der Gesang in der Muttersprache gepflegt werden soll.

Nach dem Chorkonzert und dem Festgottesdienst wurden alle Teilnehmer von der Leitung der Selbstverwaltung der Ungarndeutschen und dem Verband der Chöre, Tanzgruppen und Musikkapellen zu einem gemütlichen Abend eingeladen, den sich die hunderten von Sängerinnen und Sänger wohl verdient haben.

 

Dokumentation in Bildern

Die katholische Kirche von Bátaszék, Ungarn

Blick zur Orgelempore

Franz Heilig begrüßt einige Sängerinnen und Sänger

Der Prospekt der Angster-Orgel

Franz Neubrandt (r.), der musikalische Leiter des Chortreffens und Dr. Franz Metz

Bischof emerit. Michael Mayer und Dr. Franz Metz

Dr. Franz Metz gibt ein Interview für das ungarndeutsche Fernsehen

Dr. Franz Metz an der Angster-Orgel der katholischen Kirche von Bátaszék, Ungarn

Copyright © Dr. Franz Metz, München 2012

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